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Stadtbienen bringen reiche Ernte (Tierwelt, August 2005)

Die Bienenvölker von Imker Hans Stöckli produzieren ihren Honig in einem stadtnahen Garten. Dort sorgen sie dafür, dass die Obstbäume Früchte tragen. Der volkswirtschaftliche Nutzen der hoch entwickelten Insekten ist gross, die Anerkennung für die geleistete Arbeit gering.

Nur wer genau hinsieht, erkennt verborgen in üppigem Gebüsch das Verkaufsschild für frischen Schweizer Bienenhonig. Erst jetzt fällt das leise Summen von fliegenden Bienen auf, die sich gleich hinter dem Zaun ihren Weg zu zwei Bienenhäuschen suchen. Speziell Hans Stöckli, Imker in der Stadt Baselsind nicht die Bienenstöcke, sondern deren Standort. Wer sich nun denkt, dass diese an einem Waldrand oder neben einem Bauernhof stehen, der täuscht. Die beiden Holzhäuschen sind nur wenige Gehminuten von der Stadt Basel entfernt in einem Garten in Binningen BL platziert. Die Bienenvölker gehören dem Imker Hans Stöckli aus Allschwil BL. Die Besitzer des Gartens baten ihn vor mittlerweile 15 Jahren um seine Hilfe, als sie feststellten, dass die Ernteerträge von ihren Obstbäumen durch den Mangel an Bienen deutlich zurückgingen. Seither leisten die Völker zuverlässig ihre Dienste, indem sie die Blüten bestäuben und so ganz nebenbei reichlich Honig produzieren. „Mit ihren grosszügigen Gärten, Baumalleen und Pärken bieten Stadtgebiete einen ausgezeichneten Lebensraum für Bienen“, schwärmt Hans Stöckli. Darin liegt vielleicht der Grund, dass der Kanton Basel-Stadt schweizweit die höchste Bienendichte aufweist. Hans Stöckli unterhält noch acht weitere Standorte mit 90 Bienenvölkern in der Region Basel. Jedes Bienenvolk besteht im Sommer aus 30,000 bis 35,000 Individuen, im Winter schrumpft der Bestand auf rund einen Drittel.

Fehlende Anerkennung

Eigentlich haben auch die ländlichen Gebiete ein existentielles Interesse daran, dass genügend Bienen herumfliegen. Denn immerhin bestäuben „Biene Maja“ und ihre Kolleginnen jede sechste Blütenpflanze auf dieser Welt. Die meisten landwirtschaftlichen Kulturpflanzen sind auf die Insektenbestäubung angewiesen. Für eine Fläche von einer Hektare Zwetschgenbäumen werden sechs bis acht Bienenvölker benötigt. Doch nur etwa jeder fünfte Bauer hat in der Schweiz eigene Bienen, und diese stehen oft nicht einmal in Obstbau-Gebieten. Häufig behelfen sich die Obstbauern dann mit Wanderbienen, die von Imkern am entsprechenden Ort losgelassen werden. In Imkerkreisen beschwert man sich immer wieder über die mangelnde Anerkennung für die von ihnen und den Bienenvölkern geleistete Arbeit. Der volkswirtschaftliche Nutzen eines Bienenvolkes wird in der Schweiz immerhin auf einen Wert von etwas mehr als 1,200 Franken beziffert, was bei 190,000 Völkern doch eine stattliche Summe ergibt. Davon machen die vom Imker jährlich pro Volk gewonnenen zehn Kilogramm Honig nur den kleinsten Teil aus. In den Zahlen nicht berücksichtigt sind die anfallenden Kosten für die Arbeit, welche von den rund 19,000 in der Schweiz tätigen Imkerinnen und Imkern vornehmlich in der Freizeit geleistet wird. Aus dem Erlös für die durchschnittlich pro Jahr produzierten 3,600 Tonnen Honig bleibt am Schluss nur ein relativ bescheidener Betrag für die Imker übrig. Den Honig für dieses Jahr hat Hans Stöckli kürzlich geerntet. Ein Volk produziert durchschnittlich im Jahr fast 100 Kilogramm Honig, wovon es aber über 80 Prozent selber verbraucht. Bereits nach dem längsten Tag des Jahres stellen sich die Bienen wieder auf die Winterproduktion ein. Die Winterbienen lösen die deutlich kürzer lebenden Sommerbienen allmählich ab. Die Nachfolgerin der Königin steht bereit, wird aber oft vom Imker selber eingesetzt, um die gewünschten Eigenschaften des Volkes zu erhalten.

Drei Hauptrassen

In der Schweiz werden drei Hauptrassen von Bienen gehalten. Im Tessin ist es die gelbe Ligustica. In der Zentral- und Ostschweiz überwiegt die dunkle Landrasse, in den nördlichen Regionen der Deutschschweiz sowie in der französischen Schweiz wird mehrheitlich die graue Carnica gezüchtet. Diese ist auch in den Häusern von Hans Stöckli zu Hause. Weil sie direkt im Wohngebiet eingesetzt werden, müssen sie zahm sein. Mit angriffigen Bienen komme es schnell zu Problemen in der

Das Leben der Biene

(ep) – Königin, Arbeitsbienen und Drohnen stammen alle aus einem winzigen Ei ab, das von der Königin in eine Wabenzelle abgelegt wird. Ein befruchtetes Ei ergibt eine Arbeitsbiene. Die Larve wird mit einem Gemisch aus Pollen und Honig ernährt. Nach 15 Tagen schlüpft das Insekt und übernimmt sofort seine Aufgaben. Aus weiblichen Eiern, die mit dem hochwertigen Futtersaft Gelée Royale ernährt werden, entstehen zukünftige Königinnen. Aus den nicht befruchteten Eiern schlüpfen nach 23 Tagen die Drohnen. Bienen sind als Individuum nicht überlebensfähig und brauchen die Gemeinschaft des Volkes. Dieses besteht zum grössten Teil aus den Arbeitsbienen (30,000 bis 70,000 pro Bienenstock). Innerhalb des Stocks übernehmen sie alle Aufgaben, die für den reibungslosen Betrieb nötig sind. Die Aufgaben während des kurzen Lebens von 45 Tagen sind vielfältig. Als Trachtbiene sammelt sie die Nahrung für den Bienenstock. Die paar wenigen Hundert Drohnen sind grösser und plumper als die Arbeitsbienen. Sie werden im Stock als mögliche Befruchter geduldet. Sie besitzen keinen Stachel. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Königin zu besamen. Dies geschieht während des einzigen und für den Drohn tödlich verlaufenden Hochzeitsflugs. Die restlichen Drohnen werden ausgestossen und sterben ab. Um den Fortbestand des Bienenvolks zu sichern, werden mehrere Larven gleichzeitig mit dem Gelée Royale gefüttert. Die zuerst schlüpfende Königin tötet alle anderen Königinnenlarven. Danach kommt es zum genannten Hochzeitsflug, auf dem sie sich fünf- bis sechsmal mit einem Dutzend Drohnen vereinigt. Danach legt die Königin während ihres vier- bis fünfjährigen Lebens täglich bis zu 2,000 Eier und sichert so die Nachkommenschaft.

Nachbarschaft. „Pro Stich gibt es ein halbes Kilogramm Honig als Entschädigung“, sagt Hans Stöckli mit angezogenem Mundwinkel, was aber mit seinen zahmen Tieren sehr selten fällig werde. Bienenvölker stellen äusserst komplexe Gebilde mit einer perfekt organisierten Staatenbildung dar. Beim so genannten Bienentanz führen die Kundschafterinnen bei der Rückkehr zum Stock einen Tanz auf, der den anderen anzeigt, in welcher Entfernung und in welcher Richtung sich Futter befindet. Die Biene zeichnet sich zudem durch eine Blütenstetigkeit aus. Einmal auf Löwenzahn gelandet, konzentriert sich das ganze Volk auf diese Pflanze. Deshalb ist es möglich, gezielt Kastanienhonig zu produzieren, indem der Imker seine Bienen in der Nähe eines Kastanienbaumes aufstellt. Erst wenn dieser abgeerntet ist, geht es zum nächsten blühenden Objekt. Die wesentlichen Informationen im Bienenstock werden mit Botenstoffen weitergegeben. Diese so genannten Pheromone dienen unter anderem zur Identifizierung von Futterquellen oder Trinkquellen. Was passiert, wenn diese Quellen plötzlich wegfallen, zeigte sich im Binninger Garten in diesem Frühling. Ein Leitungsbruch hatte den bisher als Trinkquelle dienenden Brunnen stillgelegt. Auf der Suche nach Alternativen sind die Bienen im neuen Biotop in der Nachbarschaft fündig geworden, was dort für wenig Freude sorgte. Der von Hans Stöckli als Alternativ zur Verfügung gestellte Wasserkessel vermochte die Bienen nicht vom nachbarschaftlichen Teich wegzulotsen. „Wenn Bienen sich einmal auf etwas fixiert haben, dann sind sie nur schwer wieder auf
eine andere Bahn zu lenken“, erklärt der langjährige Imker. Seit er den Betroffenen den Ratschlag gegeben hat, das Biotop am Morgen früh oder beim Eindunkeln zu reinigen, wenn die Bienen nicht mehr fliegen, habe sich die Lage aber beruhigt.

Varroa-Milbe als Herausforderung

Kinder aus der Umgebung schauten ihm oft bei seiner Arbeit zu, berichtet Hans Stöckli. Sei dies bei der Ernte des Honigs oder bei der Behandlung der berüchtigten Varroa-Milbe. Seit ein paar Jahren ist dieser Schädling praktisch in jedem Schweizer Bienenstock anzutreffen. Varroa-Populationen müssen regelmässig reduziert werden, weil sonst die stark befallenen Völker absterben. Für den in der Chemiebranche tätigen Hans Stöckli gehört die Behandlung mittlerweile zur Imkerroutine. „Die Bekämpfung der Milbe ist vor allem für Anfänger schwierig und benötigt viel Erfahrung“, warnt Hans Stöckli vor dem leichtfertigen Umgang mit dem Schädling. Er verwendet in seinen Stöcken Ameisensäure. Um die Völker von Krankheiten zu schützen, werden diese regelmässig durch vitale Jungvölker mit einer neuen Königin ersetzt. Diese werden von den Züchtern in Belegstellen gezüchtet, welche oft an einem isolierten Ort, zum Beispiel im Engadin, angesiedelt sind, an dem sich Drohnen gezielt mit Königinnen paaren (siehe Kasten). Die Drohnenvölker werden nach Eigenschaften wie Sanftmut, Krankheitstoleranz und Honigertrag selektiert. Hans Stöckli hat sich der Zucht von Königinnen verschrieben. Er ist Präsident der Sklenarzüchter, die nach dem österreichischen Imker und Züchter Guido Sklenar benannt ist. Dieser hatte sich Anfang des letzten Jahrhunderts mit der Aufzucht von Königinnen und mit systematischer Zuchtauslese von Seiten des Muttervolkes befasst. Sein Zuchtziel waren starke, sanftmutige und ertragreiche Völker.

Honig als Heilmittel

Neben dem Hauptprodukt Honig produzieren die Bienen zahlreiche „Nebenprodukte“. In der Schweiz sammeln die Bienen jährlich rund 1,000 Kilogramm Blütenstaub. Diese Pollen bestehen aus Eiweiss und Fett und dienen als Spezial-Lebensmittel, denen eine therapeutische Wirkung nachgesagt wird. Die Produktion von inländischem Bienenwachs beträgt rund 60 Tonnen. Gelée Royale ist der Futtersaft, mit dem Bienen ihre Königinnen aufziehen. Er wird in spezialisierten Imkereien als Lebensmittel produziert. Bleibt noch die Propolis, welche Bienen von den Knospen der Laubbäume sammeln, um damit ihre Waben zu verfestigen. Sie wird als Arzneimittel verwendet und gilt als stärkstes natürliches Antibiotikum. Der Honig selber gilt als hochwertiges Lebensmittel mit zahlreichen heilenden Wirkungen. Das scheinen die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten zu wissen. Absatzprobleme sind Hans Stöckli nach all den Jahren als Imker unbekannt.

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