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Ulrico Feitknecht will mehr Unternehmer sein (SVIAL-Journal)

Der Tessiner Grossbauer baut auf regionale Produkte. Und er träumt vom grossen Markt in Norditalien.

Ulrico FeitknechtEin Kälbchen kommt früher als geplant auf die Welt und der Meteorologe kündigt für den Abend endlich den lang ersehnten Regen an. Freudige Ereignisse eigentlich, doch sie sorgen erst einmal für Hektik auf der „Azienda agricola Ramello“ in Contone TI. Die Saatkartoffeln müssen an diesem Tag unbedingt noch vor den ersten Regentropfen in den Boden. Im letzten Moment erinnert sich Ulrico Feitknecht noch an den Journalisten, der sich für den Nachmittag angemeldet hat und schickt seine Frau Rosa los auf den Bahnhof nach Cadenazzo. „Nur für Journalisten und meine Frau habe ich immer Zeit“, sagt der viel beschäftigte Tessiner Grossbauer mit Berner Wurzeln.
Ulrico Feitknecht ist erst kürzlich von einer Reise nach Argentinien zurückgekommen. „Dort hat die Landwirtschaft noch die Bedeutung, die sie verdient“, schwärmt der ehemalige Mitarbeiter einer Saatgutfirma, der in der ganzen Welt herumgekommen ist. In der Schweiz sei das ganz anders: zu viele Hindernisse würden das Unternehmertum der Schweizer Bauern hemmen. Trotzdem ist Bauer sein Traumberuf. Den Traum verwirklichte er sich vor über 20 Jahren mit der Übernahme des 100-Hektar-Hofes in der Magadino-Ebene im Tessin. Die Landwirtschaft haben die Feitknechts im Blut. Alle vier Kinder haben sich für eine Ausbildung in der Landwirtschaftsbranche entschieden. Nachfolgeprobleme sollte es keine geben.

Markt in Norditalien

„Oh, ich habe mein Handy im Büro liegen gelassen“, schreckt Ulrico Feitknecht plötzlich auf. Es könnte ja sein, das just in diesen Minuten der Grosshändler anruft, der in Norditalien nach Absatzmöglichkeiten für Tessiner Weichkäse sucht. Die Märkte in Norditalien seien interessant, da in der Lombardei gute Preise für gute Lebensmittel bezahlt würden. Er wünscht sich von der Politik eine offensivere Haltung im Export für Schweizer Landwirtschaftsprodukte. Sich in den Schoss des Staates zu legen ist nichts für ihn. Viel lieber übernimmt er selbst die Initiative. Wohl deshalb hat er es in das umstrittene Buch „Der befreite Bauer“ von Avenir Suisse geschafft, das ihn zusammen mit neun anderen als besonders innovativen Landwirten portraitiert.

„Soll ich die Kuh noch teachen?“ fragt seine Frau beim Hereinkommen in die Bauernstube. Meinen tut sie damit die Registrierung der Kuh beim Melkroboter. Die 76 Kühe werden auf Ramello nämlich von einem Roboter gemolken. Was modern tönt stellt sich in der Praxisanwendung aber als nicht immer problemlos heraus: „Früher waren wir am Abend mit Melken einmal fertig, heute piepst mitten in der Nacht das Handy neben dem Bett, wenn wieder einmal ein Steinchen in der Röhre steckt,“ sagt Feitknecht mit müdem Blick. Die Milch liefert er an den Tessiner Milchverarbeiter Lati. Dort ist er nebenbei noch Mitglied im Verwaltungsrat.

Marktgerechte Produktion

Auf dem Acker produziert der Betrieb das, was der Markt verlangt. Dazu gehören – in Zusammenarbeit mit dem Tessiner Reispionier Terreni alla Maggi – acht bis zehn Hektaren Reis, die als regionale Spezialität beliebt sind. Die Kartoffeln hingegen werden grösstenteils durch den Gotthardtunnel nach Spreitenbach zu Zweifel Pommes Chips gefahren. Das Tessiner Klima und eine speziellen Kartoffelsorte – der Name bleibt Betriebsgeheimnis – sorgen für den Wettbewerbsvorteil: Er kann zu Zeiten liefern, wenn frische Kartoffeln aus der Nordschweiz noch Mangelware sind.

Seit über 50 Jahren produziert das Gut Saatmais für multinationale Firmen, hauptsächlich für den Schweizer Markt. Doch nichts ist für die Ewigkeit: Feitknecht spürt die Konkurrenz aus Ungarn. Deshalb sucht er beim Mais nach neuen Wegen und ist mit der Maisproduktion für Polenta fündig geworden. Damit geht er quasi „Back to the Roots“. In der Regionalität liegt für Feitknecht die Zukunft. Polenta drängt sich als Produkt mit grosser Tessiner Vergangenheit geradezu auf. Das Potential von regionalen Produkten würde im Kanton Tessin noch viel zu wenig ausgenutzt. Helfen soll ein Vernetzungsprojekt, das er gemeinsam mit 26 anderen Bauern zusammen mit Grossverteilern und dem WWF in die Welt gesetzt hat. Das Ziel: den Produkten eine Identität geben.

Zufrieden wühlen die Schweine von Ulrico Feitknecht mit ihren Schnauzen durch die Erde vor ihren tierfreundlichen Stallungen. Ökologie und Tierfreundlichkeit sind für den umtriebigen Agronomen Ehrensache. Trotzdem bezeichnet er sich nicht als Biobauer im herkömmlichen Sinn. Er spricht von der Banalisierung von Bioprodukten: „Der regionale Aspekt ist verloren gegangen.“ Auf diesen baut er bei seinem agrotouristischen Standbein. Die Gäste in der Ferienwohnung nehmen aktiv am Bauernhofleben teil, Swimming Pool ist inklusiv. Die Scheune auf dem Gut hat er zu einem Raum für Events ausgebaut. Dazu zählen auch Seminare:„10 Manager richtig füttern bringt mehr als 80 Kühe zu melken“, sagt er mit den Augen zwinkernd.

www.ramello.ch 

Veröffentlicht in Blog

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