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«Künftig werden wir das Gespräch mit den Gemüseproduzenten eher suchen!»

Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat in den letzten sechs Jahren die Zulassung für 101 «alte» Wirkstoffe zurückgezogen. Olivier Félix erklärt im Interview weshalb.

Das BLW hat die Bewilligung der Wirkstoffe Diazinon, Methomyl und Dimethoate bei vielen Gemüsekulturen gestrichen. Das gab in der Gemüsebranche viel zu reden. Weshalb waren diese Anpassungen notwendig?

Olivier Félix: In den letzten Jahren wurde bei allen alten Wirkstoffen eine Neubeurteilung der toxikologischen Wirkung vorgenommen. Aufgrund der Untersuchungen mit neusten wissenschaftlichen Methoden waren bei einigen Produkten Anpassungen der Rückstand-Toleranzwerte gegen unten nötig. Die Einhaltung der nun tieferen Grenzwerte war bei einigen Wirkstoffen – zum Beispiel bei den oben genannten –, mit den bisher geltenden Anwendungsvorschriften aber teilweise gar nicht mehr möglich. In Kulturen, in denen die nötige Absenkung der Dosierungen das Pflanzenschutzmittel wirkungslos machte, haben wir die Bewilligung deshalb nicht erneuert.

In einem Brief ans BLW beklagte sich der Verband schweizerischer Gemüseproduzenten (VSGP)  darüber, dass die Anpassungen ohne Rücksprache mit der Branche erfolgt seien.

Beim Gemüse waren wir der Meinung, dass genug Alternativen von Wirkstoffen zur Verfügung stehen. Künftig werden wir aber mit den Gemüseproduzenten das Gespräch eher suchen, damit es weniger Missverständnisse gibt. Mit dem Obstverband suchten wir beispielsweise das Gespräch, weil Probleme absehbar waren. Aber eigentlich sind die Spielregeln klar. Es geht darum, die Vorschriften so zu formulieren, dass die Produzenten die vorgegebenen Grenzwerte einhalten können und so keine Probleme mit der Vermarktung ihrer Produkte haben.

Gibt es eigentlich rechtliche Möglichkeiten, nicht mehr bewilligte Pflanzenschutzmittel nachträglich wieder zuzulassen?

Zurzeit gibt es einen Fall, wo wir mit den Gemüseproduzenten über eine Wiedererwägung diskutieren (Anmerkung der Redaktion: Dimethoate in Sauerrüben). Es geht dabei tatsächlich um eine Lücke, die als Folge der Anpassung der Bewilligung entstanden ist. Die Verordnung sieht vor, dass wir in ausserordentlichen Situationen spezielle Zulassungen erteilen können. Die neuen Grenzwerte müssen aber immer eingehalten werden. Es geht sicher nicht darum, die Grenzwerte nach oben zu korrigieren. Mögliche Lösungen sind Anpassungen bei den Wartefristen, den Dosierungen oder der Anzahl Indikationen.

Oft wird beklagt, dass die Industrie nicht bereit ist, den Behörden die notwendigen Papiere zu liefern. Stimmt das?

Tatsächlich liegt es an den Herstellern, Unterlagen und Daten zur Verfügung zu stellen, die uns zeigen, dass die neuen Grenzwerte auch bei alten Wirkstoffen eingehalten werden können. Wir haben viele alte Pflanzenschutzmittel zurückgezogen, weil die Industrie uns keine neuen Informationen lieferte. Wir haben in den letzten sechs Jahren 101 solche alten Wirkstoffe gestrichen. Das ist ein Viertel aller Wirkstoffe. Es ist klar, dass es da vereinzelt zu Lückenindikationen kommen kann. Ich rate den Produzenten aber – beispielsweise im Rahmen des Forums Forschung –, solche Lücken rechtzeitig aufzugreifen, damit man reagieren kann.

Genau in diesem Forum äusserten die Produzenten ihre Bedenken, dass es bei  Kulturen mit geringen Anbauflächen oft keine Wirkstoffe mehr gibt. Was haben die Anbauer für Möglichkeiten?

Wir haben bei solchen Kulturen die Möglichkeit, Ausnahmebewilligungen zu erstellen. Wir anerkennen beispielsweise Pflanzenschutzmittel für Anwendungen, die in Deutschland oder Frankreich bereits bewilligt sind, ohne dass uns selber die Daten vollständig vorliegen. Solche Produkte sind auf ihre Umweltverträglichkeit schon geprüft worden. Oft geht es um Erweiterungen von Zulassungen, beispielsweise von Produkten, die im Ackerbau zugelassen sind.

Werden in der EU bereits bewilligte Pflanzenschutzmittel leichter bewilligt?

Nein. Doch die Anforderungen in der Schweiz und in der EU sind sehr ähnlich. Ein Dossier, das in Deutschland oder Frankreich eingereicht worden ist, sollte eigentlich genügen, um eine Bewilligung in der Schweiz zu erhalten. Seit sechs Jahren ist es nicht mehr notwendig, ein Produkt mit Versuchen spezifisch für die Schweiz zu prüfen. Aber oft müssen wir feststellen, dass die Unterlagen der Firmen nicht vollständig sind. Und bei den wirtschaftlich nicht so wichtigen Kulturen gibt es selbst europaweit Fälle, in denen die Industrie kein Dossier einreicht.

Trotz Harmonisierung mit der EU gibt es aber Unterschiede. So ist beim gleichen Pflanzenschutzmittel in Deutschland in einer Kultur die Anwendung drei Mal, in der Schweiz aber nur zwei Mal erlaubt. Weshalb diese Unterschiede?

Die Bewilligungen erfolgen auch in der EU national. Gründe für unterschiedliche Anwendungsvorschriften können in regional unterschiedlichen Grundwasserschutz-Anforderungen liegen oder aber in der Antiresistenz-Strategie. In der Schweiz machen wir sehr viele Anstrengungen, damit keine Resistenzen entstehen.

 

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