Andreas Allenspach arbeitet seit zwei Jahren für das holländische Handelsunternehmen van Rijn. Davor war er Leiter Category Management Früchte und Gemüse bei Migros. Die Zukunft der Schweizer Gemüseproduktion beurteilt er positiv. Bei Technologie und Know-how müsse sich diese vor niemandem verstecken. Und die Kundschaft habe viel Vertrauen in die Schweizer Produktion.
Interview: David Eppenberger
Herr Allenspach, wie gross war die Umstellung vom Leiter Category Management bei Migros zum holländischen Früchte- und Gemüsehandelsunternehmen van Rijn?
Andreas Allenspach: Eigentlich nicht allzu gross. Zum einen weil ich gut mit der Früchte- und Gemüsebranche vertraut bin, schliesslich waren schon mein Grossvater und mein Vater Gemüse- und Früchtehändler. Ich trage Gemüse sozusagen in meinen Genen. Zum anderen weil ich von meiner Zeit bei Migros wusste, was die Vertriebsseite von einem Lieferanten wie van Rijn erwartet. Mein neuer Arbeitgeber erzielt zwei Drittel des Umsatzes im Detailhandel. Natürlich war es ein Vorteil zu wissen, wie dieser funktioniert.
Im Detailhandel ist viel los, der Konkurrenzkampf im Frischebereich ist gross. Die Wege von der Produktion zu den Abnehmern werden als Folge immer kürzer. Wie positioniert sich da ein Handelsbetrieb wie van Rijn?
Tatsächlich sprechen alle Retail-Organisationen davon, vermehrt Ware direkt aus dem Ursprung zu beziehen. Van Rijn hat sich im vergangenen Jahr neu definiert und auf diesen Trend reagiert. Wir sehen uns in Zukunft mehr als Fullserviceprovider von Logistik für den Detailhandel. Dieser braucht einerseits einen Logistiker, der das Produkt von A nach B bringt und andererseits ein Bindeglied zu den Produzentenorganisationen. Diese sind in Holland extrem stark. Wir wollen in Zukunft noch enger mit diesen zusammenarbeiten. Wir befinden uns zurzeit in intensiven Gesprächen.
Wie steht es um die eigene Gemüseproduktion?
Als Folge der neuen strategischen Ausrichtung haben wir uns weitgehend von der eigenen Produktion verabschiedet. Zuvor hatten wir selbst Betriebe beispielsweise mit Paprika und zusätzlich gepachtete oder geleaste Glashäuser. In Holland produziert van Rijn jetzt aber kein eigenes Gemüse mehr.
Weshalb?
Wir mussten uns fragen, wo wir als Handelsbetrieb Mehrwerte schaffen können. Wir kamen zum Schluss, dass dies mit der eigenen Produktion kaum mehr möglich war. Die Konkurrenz in der Produktion ist in Holland unglaublich gross, unsere ehemaligen Betriebe konnten technologisch nicht mehr bei den ganz Grossen mitspielen.
Bis vor ein paar Jahren hatte van Rijn den Leitspruch «think global, act local». Was ist von diesem übrig geblieben?
Das Gewächshaus in Ägypten beispielsweise. Aber in der Tat war es nicht einfach mit den Partnerschaften vor Ort, beispielsweise in Mexiko oder in Südafrika. Es hat sich gezeigt, dass es schwierig ist, wenn man nicht mit eigenen Leuten vor Ort ist, die das Gedankengut der Firma hereintragen. Beim Engagement in Mexiko kam erschwerend dazu, dass der Zielmarkt USA heftig umkämpft ist und die Konkurrenz riesig ist. Das Zeitfenster in den USA wird auch für holländische Paprika immer kleiner.
In China produziert van Rijn noch Äpfel. Die Schweiz führt gegenwärtig Verhandlungen mit China über ein Freihandelsabkommen. Müssen sich Schweizer Gemüseproduzenten vor chinesischem Gemüse fürchten?
Heute und morgen sicher nicht. Obwohl China in einzelnen Bereichen wie beispielsweise beim Knoblauch oder bei Industriespargeln sehr stark ist. Doch ich glaube trotzdem nicht, dass wir künftig bei uns frische chinesische Bohnen oder Zwiebeln in den Verkaufsregalen finden werden. Der Konsument will das nicht.
Weshalb eigentlich nicht?
Tatsächlich stammen bereits viele Alltags-Produkte aus China. Doch der Konsument in Europa unterscheidet zwischen Gemüse und einem Rucksack. Die Europäer sind tief verwurzelt mit ihrer eigenen Landwirtschaft und wollen diese unterstützen. Das zeigt ja auch der Trend nach regionalen Produkten, der sich über ganz Europa ausbreitet, sogar in den osteuropäischen Ländern. Die Schweiz ist ja mit «Aus der Region. Für die Region» von Migros so etwas wie die Erfinderin dieser Bewegung.
Und dieser Trend nach mehr regionalen Produkten ist ein Problem für klassische Exportländer wie Holland?
An vielen Orten wird tatsächlich zuerst die lokale Produktion vermarktet. Gewisse Märkte fallen weg, besonders stark spüren wir das beim für Holland wichtigsten Handelspartner Deutschland. Der Flächenrückgang der holländischen Glashäuser ist eine Folge davon.
Der Schweizer Markt ist aber immer noch
attraktiv für Holland?
Der Schweizer Markt ist interessant für uns, weil hier noch korrekte Preise bezahlt werden. Allerdings hat sich der Konkurrenzkampf in den letzten beiden Jahren massiv verschärft. Spanien und Marokko beispielsweise sind immer früher auf dem Markt und können zu anderen Preisen produzieren als in Holland.
In der Schweiz diskutiert man über eine Grenz-öffnung zur EU. Verfolgt man in Holland diese Diskussionen?
Nein, das ist kein Thema bei uns. Für den holländischen Exporteur würde eine Marktöffnung vermutlich gar nicht viel bringen, weil die Mengen für ihn wohl nicht zunehmen würden, die Preise aber tiefer wären.
Trotzdem sind diese Verhandlungen für die Schweizer Gemüseproduzenten ein Schreckensgespenst. Wo stehen diese im europäischen Vergleich?
Die Schweizer Gemüseproduzenten haben viel investiert. Die Schweizer Gemüseproduktion hat sich in den letzten fünf Jahren sehr zum Guten weiterentwickelt. Bei der Infrastruktur, der Technologie und dem Know-how müssen sie sich sicher nicht verstecken. Der Nachteil liegt ganz klar bei der Kostenstruktur. Energie, Boden und Arbeitskräfte sind in der Schweiz sicher teurer. In Holland kostet ein Erntearbeiter in einem Glashaus zwischen 14 und 15 Euro in der Stunde.
Schweizer Gemüseproduzenten gehen davon aus, dass die Löhne im Ausland sogar noch viel tiefer liegen.
In Holland sicher nicht.
Welche Gemüsesorten hätten aus Schweizer Sicht eher eine Chance in einem liberalisierten Marktumfeld?
Auf ein industrielles Produkt wie Tomaten würde ich hier weniger setzen. Es müssten Produkte mit hoher Wertschöpfung sein und einem regionalen Bezug. Bei Paprika beispielsweise würde es wohl noch mehr Schweizer Ware vertragen. Spezialitäten sind eine andere Möglichkeit. Und natürlich liegt die Schweizer Produktion bei Salaten im Vorteil, die sich extrem über die Frische definieren. Gestern geschnitten, heute im Laden, das schafft man aus Holland oder Spanien schlicht nicht.
Wie sieht es mit dem Marketing aus?
Gerade hier haben die Schweizer Gemüseproduzenten meines Erachtens extreme Fortschritte gemacht. Früher wurde oft einfach produziert und einmal geschaut, was passiert. Viele beschreiten heute neue Wege mit innovativen Produkten und erzählen eine Geschichte dazu. Heute kommt es zudem viel öfter zu einem Austausch zwischen der Produktion und den Abnehmern. Die Produzenten gehen hin und schlagen Produkte vor. Die grossen Produzenten sind heute nicht nur eine Plattform für Logistik sondern auch eine für Innovation.
Die Schweizer Gemüseproduktion ist also gar nicht so schlecht unterwegs?
Ich denke tatsächlich, dass diese regionalen Programme eine grosse Chance für Schweizer Gemüse sind. Bei Umfragen, die wir für Migros durchführten, lag die Herkunft bei den Nennungen stets in den Top Drei. Zudem geniesst Schweizer Gemüse ein hohes Mass an Glaubwürdigkeit, die sie auf keinen Fall aufs Spiel setzen darf. Die Kundschaft hat viel Vertrauen in die Produktesicherheit.
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