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BigData auf dem Gemüsefeld: Kontrolle über Daten behalten

Mobile Aufzeichnungs- und Planungssoftware sammeln fast unendlich viele Informationen und Daten. Obwohl für viele Gemüsegärtner der Nutzen überwiegt, fühlen sich einige unwohl dabei. Sie fragen sich: Was passiert mit den Daten?

Wenn Hagel das Salatfeld zerstört oder Starkregen die frisch gepflanzten Setzlinge flutet, bringt das jeden Gemüsegärtner emotional an seine Grenzen. Möglicherweise als Teil der Verarbeitung posten immer mehr Betroffene die Bilder der Zerstörung in den sozialen Medien. Geteiltes Leid ist schliesslich halbes Leid. Dass sie als Informationen gewinnbringend weiterverwendet werden können, ist zurzeit zwar vermutlich noch kein Thema. Es könnte aber zu einem werden. Denn: Wissen ist Macht und Daten sind die Währung der Zukunft. Der Social Media-Gigant Facebook verfügt dank der regen Tätigkeit von seinen 2,5 Milliarden Nutzern über riesige Mengen von Daten, die sich mit geeigneten Algorithmen gewinnbringend vermarkten lassen. Mehrfach gepostete Bilder von schneebedeckten Salatfeldern in Spanien bilden beispielsweise eine Datenbasis für mögliche Ernteprognosen, die das Marktgeschehen nicht nur in Europa beeinflussen können. Letztlich liegt es bei Facebook, Instagram oder Whatsapp noch in der direkten Verantwortung der Gemüsegärtner, welche Informationen sie auf den sozialen Medien über ihren Betrieb und ihre Person kundtun wollen.

Bei anderen Daten sieht es etwas anders aus: Schon heute kann jeder im Kanton Aargau im Internet GIS-basierte Karten abrufen und sehen, wo die Bienenstände stehen, wo die Gewässerräume liegen – aber auch, wo das invasive Unkraut Erdmandelgras gefunden wurde. Stellt man da die betroffenen Bewirtschafter nicht an einen virtuellen Pranger? Invasives Unkraut müsse bekämpft werden. Deshalb sei die Veröffentlichung dieser Daten vertretbar, sagt Matthias Müller, Leiter Landwirtschaft Aargau. «Aber natürlich ist bei der aktuell stattfindenden Digitalisierung in der Landwirtschaft der Datenschutz ein wichtiges Thema, das geregelt werden muss».

Maschinen liefern massenhaft Daten

Kauft ein Gemüseproduzent einen Traktor oder eine andere Maschine, ist es bereits üblich, dass der Hersteller die Geräte online weiter «begleitet» und fleissig Daten sammelt, die dann zur Produkte-Optimierung eingesetzt werden oder zur Erkennung von Defekten. Die Käufer schliessen Service-Verträge oft ab, weil sie Vorteile bringen. Doch niemand weiss genau, welche Informationen tatsächlich gesammelt werden und weiterverwendet werden. Ob da nicht plötzlich via Erntemaschine Informationen über Schläge oder Erntezahlen auf einem fremden Server landen?

Die grossen Mähdrescherhersteller wissen bereits heute, wo auf der Welt, wie viel und was geerntet wird. Ein Schelm der Böses dabei denkt: Doch Börsenhändler dürften sich sehr wohl für solche Daten interessieren. Das Prinzip lässt sich theoretisch auch bei Gemüse anwenden. Der globale BigData-Ozean wird zusätzlich bewusst oder unbewusst mit Zahlen von Aufzeichnungs- oder Buchhaltungssoftware der einzelnen Betriebe geflutet. «Ich würde nie scharfe Buchhaltungszahlen extern auf einer cloudbasierten Plattform, wie beispielsweise myJohnDeere.com abspeichern», sagt Bernhard Streit von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL. Er empfiehlt den Landwirten, sehr genau hinzusehen, an wen sie ihre Daten weitergeben. Zumindest dort, wo das noch möglich sei.

Webserver in der Schweiz

Der Gemüsebaubetrieb lässt sich über das Mobiltelefon managen, das ist effizient und praktisch. Doch viele Gemüseproduzenten befällt ein mulmiges Gefühl, wenn sie ihre Betriebsdaten in Cloudlösungen abspeichern, das heisst auf einem Server ausserhalb des Betriebes, möglicherweise sogar in unsicheren Ländern irgendwo auf der Welt. Softwareentwickler und Landwirt Konrad Studer bietet deshalb mit seiner auf die speziellen Bedürfnisse des Gemüsebaus angepassten Aufzeichnungs- und Bewirtschaftungssoftware «Leguma» seit Jahren eine Lösung auf einem Server bei einer spezialisierten Firma des Vertrauens in Zollikofen an. Die Mehrzahl seiner Kunden nutzt dieses Angebot. Besonders misstrauische Kunden können «Leguma» sogar nur lokal auf dem eigenen Computer nutzen, allerdings lassen sich die Daten dann nicht über das Mobiltelefon abrufen. «Diese Lösung nutzt aber nur ein Betrieb», sagt Studer. Er glaubt sowieso, dass es sich bei der Grundskepsis eher um ein Generationenproblem handelt: «Die jüngeren Gemüsegärtner haben deutlich weniger Berührungsängste mit der Cloud.»

Viel grössere Ängste hat die Branche vor Behörden und Institutionen, wenn diese zu wirklich sensiblen Daten kommen, beispielsweise durch die automatische Verknüpfung von Daten untereinander auf zurzeit in der Landwirtschaftsbranche heiss diskutierten künftigen Plattformen. Diese Art von gläserner Produktion und «sprechenden» Äckern bereitet vielen Gemüsegärtnern Mühe. Grundsätzlich wird eine Vereinfachung der administrativen Abläufe zwar begrüsst. Die automatische Übermittlung von ÖLN-Daten sei ja auch kein Problem, sagt Lorenz Büchel von Feldhof Gemüse AG in Oberriet. «Wir haben aber sicher kein Interesse daran, betriebswirtschaftliche Daten und weitergehende Zahlen zur Produktion weiterzugeben.» Mit dieser Meinung steht er in der Branche sicher nicht alleine da.

Daten nur noch einmal eingeben

Bereits online ist seit diesem Frühling die Smart-Farming Plattform Barto mit dem aktuellen Hauptaktionär Identitas sowie Agridea. In den nächsten Wochen werden die zahlungskräftige Fenaco als weitere Hauptaktionärin sowie die Rinder Zuchtorganisationen, Swissgenetics und die Schweizer Milchproduzenten (SMP) dazustossen. Die Vision: Der Landwirt gibt seine Daten auf einer zentralen Plattform nur noch einmal ein und kann deren Weitergabe mit Drittsystemen via Module wie beispielsweise einem Anbieter der Suisse-Bilanz aber auch bei Labeln, Branchenorganisationen oder Kantonalen Stellen erlauben. Die Plattform will die Administration vereinfachen und der Landwirt soll seinen Betrieb damit nachhaltiger und effizienter bewirtschaften können. Geschäftsführer Jürg Guggisberg betont, dass der Plattformverwender bestimmen kann, wer seine Daten benutzen darf. Die Kontrolle und treuhänderische Verwaltung der Kerndaten obliege der Plattform und den Modulanbietern. Barto will ab nächstem Jahr die bereits bestehende und führende deutsche Smart-Farming Plattform 365FarmNet als «Chassis» benutzen. Dort wird das Düngungsplanmodul beispielsweise von der Düngerfirma Yara zur Verfügung gestellt. «Der Bauer muss dieser das Recht geben, über die eingegebenen Daten verfügen zu können», erklärt Bartos-Geschäftsführer Jürg Guggisberg. Das habe aber funktionelle Gründe, weil das Berechnungstool sonst gar nicht funktioniere. In einer nächsten Phase sei es aber durchaus denkbar, dass Yara die Daten nutzt,  um den Bauern über die Plattform interessante Angebote zu machen. Zurzeit läuft noch eine Übergangslösung, die ab nächstem Jahr in die 365FarmNet-Umgebung integriert wird, angepasst auf Schweizer Verhältnisse.

Konkurrenzprodukt zu Barto

Dass die mächtige Fenaco als Aktionärin bei Barto einsteigt, ist nicht nur vielen Bauern nicht ganz geheuer. IP-Suisse-Geschäftsführer  Fritz Rothen sagte gegenüber der Bauernzeitung, dass ein Mitmachen in einem Konstrukt mit Fenaco-Dominanz nicht in Frage komme. Auch deshalb starteten die Organisationen Bio Suisse, IP-Suisse, TSM Treuhand und die Firma Agrosolution in diesem Frühling mit dem Projekt Agrar-Daten-Austausch (ADA) ein Konkurrenzprodukt, das ein ähnliches Prinzip verfolgt. Auch hier soll der Landwirt selbst entscheiden können, wem er die Daten freigibt. Allerdings befindet sich ADA im Gegensatz zu Barto noch in der Testphase.

Barto-Geschäftsführer Jürg Guggisberg kann die Skepsis gewisser Landwirte gegenüber Fenaco zwar nachvollziehen, weil diese in einigen Bereichen eine grosse Marktstellung besitze und die Wahlmöglichkeiten dadurch teilweise eingeschränkt seien. Das sei aber die Realität in der Schweizer Landwirtschaft, unabhängig von Barto. Letztlich brauche es für ein derartiges Zukunftsprojekt beträchtliche finanzielle Mittel, über die eine Fenaco eher verfüge als kleine Organisationen. Fenaco wolle mit dem Engagement die Landwirte bei der wirtschaftlichen Entwicklung unterstützen, sagt er. «Zudem hat auch die Fenaco kein Recht, die Barto-Daten ohne Zustimmung des Bauern zu nutzen.»

Die Grundskepsis bei der Basis bleibt, zu undurchsichtig sind die digitalen Datenflüsse mittlerweile geworden. Bestehende Regeln und Gesetze hinken der Realität bei der Digitalisierung permanent hinterher und erzeugen viel Unsicherheit. Griffige Antworten scheint niemand zu haben. Doch so lange die Vorteile überwiegen, lässt sich damit leben.

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