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«Der kleine Schweizer Markt muss sich dem Diktat der Saatgutkonzerne fügen.»

haeberliDer Saatgut-Experte Hans Häberli rät den Gemüseproduzenten im Interview zu einer Vorratshaltung um sich vor Lieferengpässen abzusichern. Er kritisiert zudem die marktdominierende Rolle der globalen Saatgutfirmen.

Die Gemüseproduzenten sind in Zukunft noch mehr auf krankheitsresistente Sorten angewiesen. Gibt es hier Neuigkeiten?
Hans Häberli: Die Entwicklung geht tatsächlich in Richtung krankheitsresistentere Gemüsesorten. Ein grosses Thema sind beispielsweise Kohlsorten mit Resistenzen gegen Kohlhernie, wo es nun bereits entsprechende Sorten gibt. Zudem wird nach Xanthomonas-Resistenzen gesucht. Es dauert aber viel länger, Krankheitsresistenzen in Sorten hineinzuzüchten als diese optisch zu verändern. Ich habe gehört, dass es noch 15 Jahre dauern wird, bis gegen Mehlkrankheit resistente Zwiebelsorten auf den Markt kommen.

Bei welchen Kulturen gibt es Lösungen, die bereits funktionieren?
Bei Randen sind gegen Rhizomania resistente Sorten auf dem Markt. Vilmorin entwickelte diese als erster Züchter und konnte damit gleich massive Marktanteile dazugewinnen während andere Firmen immer noch daran arbeiten. Das zeigt: Wer hier einen Vorsprung hat, kann den Markt abräumen.

Tatsächlich kontrollieren heute – nicht nur beim Gemüse – wenige Saatgutfirmen den weltweiten Markt. Ist das eigentlich wirklich ein Problem?
Im Grundsatz ist diese Situation schon problematisch. Das beginnt bei der bedrohten genetischen Vielfalt und hört bei monopolistischen Marktakteuren auf, die patentierte Sorten anbieten. Es ist ein bisschen wie bei der Schweizer Landwirtschaftspolitik: Wenn Sie die richtigen fünf Leute am Tisch haben, ist diese gemacht. Dann reden wir von Macht und nicht mehr von Markt, und das kann es ja nicht sein. Auch wenn alle von Markt und Wettbewerb sprechen, davon sind wir weit entfernt. Das zeigen ja nur schon die Beispiele von marktbeherrschenden Firmen in der Schweizer Landwirtschaft.

Könnte Ihre Firma als Lösungsansatz nicht mehr auf kleinere, einheimische Zuchtfirmen wie beispielsweise Sativa oder Zollinger setzen?
Wir arbeiten teilweise mit solchen Unternehmen zusammen. Doch natürlich spielen diese in einer anderen Liga. Sie werden allenfalls Chancen bei der Selektion von robusten, guten Sorten haben. Doch in der Resistenzzüchtung können sie es nicht mit den grossen in der Welt aufnehmen. Diese verfügen über ganz andere technologische und finanzielle Möglichkeiten und haben immer den Weltmarkt als Absatzgebiet zum Ziel.

Die Schweiz ist nur ein kleiner Teil dieses globalen Marktes und entsprechend unbedeutend. Was bedeutet das für den Schweizer Saatguthandel?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ich hätte im letzten Jahr 50 Kilogramm Saatgut von einer bestimmten Kultur benötigt. Uns wurden freundlicherweise ein paar wenige Kilos geliefert. In diesem Jahr erhielt ich vom Lieferanten die ganze gewünschte Menge mit der Begründung, dass es in einem Nachbarland gerade eine Tonne brauche, da könne man schon ein bisschen für die Schweiz abzweigen. Wir sind hier auf viel Goodwill angewiesen.

Könnte das Saatgut tatsächlich knapp werden?
Saatgut-Engpässe haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Besonders heikel ist die Situation bei zweijährigen Hybriden wie Spinat, Zwiebeln oder Randen.

Können Sie nicht verfügbares Saatgut nicht aus einem anderen Land importieren?
Früher funktionierte beispielsweise noch der direkte Handel mit den amerikanischen Züchtern. Das geht nun irgendwie nicht mehr. Heute gehören diese Firmen alle zu den Grosskonzernen. Es wird an deren Hauptsitz entschieden, welche Filiale Saatgut liefert und ob ein Land überhaupt mit Saatgut beliefert wird. Diesem Diktat muss sich ein kleiner Markt wie die Schweiz einfach fügen.

Könnte es sein, dass eine Kultur nicht ausgesät werden kann, weil das Saatgut fehlt?
Weit sind wir nicht mehr davon entfernt. Die Marktkonzentration auf Züchterseite wirkt sich ja auch grundsätzlich auf die Sortenvielfalt aus. Es gibt beispielsweise im Moment eine rote Karottensorte von Monsanto. Wenn die Firma entscheidet, diese vom Markt zu nehmen, gibt es keine rote Karotte mehr. Bei den Pfälzerkarotten gibt es die Sorte Mellow Yellow von Bejo. Die Firma hat aber Mühe, die benötigten Mengen zu produzieren, weshalb es in diesem Jahr kaum Saatgut geben wird. Jetzt kann der Produzent noch auf die Sorten Yellowstone ausweichen. Doch sollte es auch davon keines geben, wird es in diesem Jahr keine Hybridsorten bei den Pfälzerkarotten geben. Und Nicht-Hybridsorten spielen im Karottenanbau eine untergeordnete Rolle.
Wie kann sich der Gemüseproduzent gegen solche Engpässe absichern?
Mit einer Vorratshaltung. Gerade im Frühling wenn es wieder wärmer wird, kann es ja vorkommen, dass das Saatgut noch nicht eingetroffen ist. Die grossen Produzenten halten auch deshalb bei bestimmten Kulturen bereits einen Jahresbedarf. Nicht jedes Saatgut eignet sich für die Lagerung, Sorte und Qualität sind entscheidend. Besser als Pillen lassen sich Präzisionssamen lagern. Wenn allerdings die Sortenentwicklung weitergeht und die Ware deshalb liegenbleibt, entstehen Verluste. Deshalb ist die Vorratshaltung immer auch ein zweischneidiges Schwert.

Wie sollte das Saatgut gelagert werden?
Wenn möglich in einem separaten, klimatisierten Raum. Wenn das nicht geht, sollten die Verhältnisse gleichmässig trocken und kühl sein. Zudem sollte das Saatgut richtig angeschrieben werden, damit es nicht zu Verwechslungen kommt.

Wird das Saatgut wegen der neuen Währungssituation nun günstiger?
Tatsächlich fragen uns einzelne Gemüsegärtner an, ob ein Eurorabatt möglich sei. Wir können ihnen aber nur in wenigen Fällen entgegenkommen, weil wir die aktuelle Ware noch zum früheren Europreis eingekauft haben. Wie es im nächsten Jahr aussehen wird, hängt von der Entwicklung des Währungskurses ab. Das wird dann eine neue Situation sein.

Veröffentlicht in Blog

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