Jetzt ist die Zeit für saftige und geschmackvolle Tomaten endlich gekommen. Biogemüsegärtner Urs Gfeller pflanzt in Sédeilles VD über 30 Sorten an – sowie 240 weitere Gemüse.
Eifrig fliegen die Arbeitshummeln durch das Loch an der Kiste rein in ihr Nest und wieder raus. Das Hummelvolk kauft Biogemüsegärtner Urs Gfeller aus Sédeilles VD jeweils im Frühling bei einer spezialisierten Firma ein. Die Hummeln haben hier im Tomatenhaus einen klaren Auftrag: Die Befruchtung von möglichst vielen Blüten. Irgendwie scheinen die Hummeln aber gerade ein bisschen nervös zu sein. Sie bleiben kaum länger als eine Sekunde auf einer Tomatenblüte sitzen. Ob sie sich vom fremden Besucher in ihrem Gewächshaus irritieren lassen? Dieser steht gerade staunend vor einem seltsamen Gefährt, das da an einem Faden befestigt über der Welt der Tomaten schwebt, und ihn irgendwie an einen Satelliten erinnert. «Dieses Teil beinhaltet eine Mischung von verschiedenen Nützlingen wie beispielsweise Schlupfwespen, die Blattläuse und andere Schädlinge fressen», erklärt Gfeller. Im Biologischen Gemüseanbau ist der Einsatz von synthetischen Insektiziden bekanntlich verboten, deshalb sorgen hier diese Nützlinge für das Gleichgewicht. Eine gewisse pflanzliche Vielfalt schadet dabei bestimmt nicht: Am Rand des Gewächshauses wachsen Dill und Koriander. Gfeller schmunzelt: «Die sind vor allem dort, weil wir auf dem relativ kleinen Betrieb möglichst jeden Quadratmeter ausnützen müssen.»
Saison beginnt erst im Juli
Beim Besuch in Sédeilles Ende Mai sind die Tomaten an den Stauden noch grün. Im Supermarkt gibt es rote Schweizer Tomaten bereits im April. Was macht Urs Gfeller also falsch? Nichts natürlich. Im Unterschied zu den Industrietomaten, die bereits im Januar als Setzlinge gepflanzt und dann beheizt werden, pflanzt er seine Tomaten erst im April ein. Dabei schreiben die Richtlinien des Biolandbaus den Anbau in Erde zwingend vor. Die meisten konventionellen Tomaten in der Schweiz wachsen hingegen unabhängig vom Boden in Plastikrinnen auf Kokossubstrat. Geheizt wird bei Gfeller nur im Notfall, wenn beispielsweise Spätfrost droht. Sogar die Setzlinge produziert er grösstenteils selbst. Das muss er auch, denn die Sorten, die er anbaut, gibt es nicht einfach so ab Stange. «Unsere Tomatensaison beginnt deshalb erst Ende Juni und dauert bis im Oktober», sagt Gfeller. Nur in den wärmsten Monaten des Jahres entwickeln die Tomaten ihren

unverwechselbaren Geschmack, nachdem sich die wahren Tomatenliebhaber zuvor monatelang sehnen. Am häufigsten ist es bei ihm die runde Rote der Sorte Cristal. «Sie ist unsere Formel-1-Tomate.» Mit einem Ertrag von 15 Kilogramm pro Quadratmeter bringt sie die nötige Grundmenge ins Tomatensortiment, die es auf dem Markt braucht. Konventionelle Tomatenbetriebe erzielen auf der gleichen Fläche übrigens mit Hochertragssorten vier bis fünf Mal mehr Ertrag. Bei Gfeller sind es bei Berner Rosen, Coeur de Boeuf oder San Marzano gerade einmal um die 10 Kilogramm. Zusammen mit Cristal machen diese Sorten in Sédeilles über die Hälfte der Ernte aus. Quasi das Salz in der Suppe bilden aber die schwarzen, weissen oder gestreiften Tomatensorten in allen möglichen Formen, darunter auch eher seltene Sorten von ProSpecieRara. Doch Letztere bringen gerade einmal eine Ernte von 3 bis 5 Kilogramm pro Quadratmeter. «Deshalb sind diese Exoten relativ teuer», sagt Gfeller. Viele Kunden kaufen darum ein paar Kilo Cristal-Tomaten und ergänzen diese mit ein paar Früchten einer «wirklichen» Tomaten-Spezialität. Und die Auswahl dafür ist mehr als respektabel: Über 30 verschiedene Tomatensorten wachsen hier in den Foliengewächshäusern von Sédeilles.

Keine Feuchtigkeit
Trotz Nützlingen und Hummeln bleibt im Tomatenhaus immer genug Arbeit für Urs Gfeller und sein Team. Bis die Biotomaten kurz vor dem Transport zum Wochenmarkt schliesslich geerntet werden, müssen sie pikiert, geschnitten oder die gewachsenen Triebe an den Hanfschnüren befestigt werden. Zudem müsse man auf der Hut sein vor Krankheiten, wie beispielsweise der Kraut- und Braunfäule, mit der vermutlich jeder Hobbygärtner schon einmal Bekanntschaft geschlossen hat. Um einen Befall zu verhindern, sei es wichtig, dass die Blätter immer trocken blieben und es im Gewächshaus nicht zu feucht werde. Besonders die Pro-Specie-Rara-Sorten seien sehr krankheitsanfällig, sagt der Biogemüsegärtner. In der Schweiz ist deshalb beim Anbau von Tomaten ein Dach unerlässlich, um sie vor Regen zu schützen. Bis letztes Jahr baute Gfeller trotzdem auch noch im Freiland ungeschützt Tomaten zweiter Klasse an, für die Verwertung in Saucen. «Diese Tomaten finden jeweils einen reissenden Absatz.» Doch in feuchten Sommern lag der Ertrag jeweils praktisch bei Null. Deshalb hat er nun seit diesem Jahr auch bei den Feld-Tomaten einen Regenschutz montiert.
Froschkönigs Goldkugel
Im Gewächshaus sorgt seit letztem Jahr ein Bewässerungscomputer für optimale Bedingungen: «Ein Sensor im Boden misst die Feuchtigkeit und das System sorgt dafür, dass der Wassergehalt optimal ist», erklärt Gfeller. Den Wasserverbrauch konnte er dank dem Computer um 40 Prozent reduzieren. Der Arbeitsaufwand sei ebenfalls gesunken. Doch eigentlich sind das nur positive Nebeneffekte: Der grosse Vorteil an der Technologie liege darin, dass es im Gewächshaus wegen überschüssigem Wasser nun nicht mehr zu feucht werde und dadurch die Krankheitsanfälligkeit deutlich sinke.
Auf die Frage nach seiner Lieblingstomate antwortet der Biogärtner schnell: Froschkönigs Goldkugel. Viel stibitzen für sich selbst kann er davon allerdings nicht: Die goldgelbe grosse Tomate bringt es gerade einmal auf einen Ertrag von zwei bis drei Kilogramm pro Quadratmeter.
Urs Gfeller bewirtschaftet in Sédeilles VD mit zwei ausgebildeten Gemüsegärtnern und zwei weiteren im Gemüseanbau erfahrenen festangestellten Mitarbeitenden zehn Hektaren Fläche ganzheitlich nach den Richtlinien von Bio Suisse. Während der Hauptsaison im Sommer kommen 15 Erntearbeiter aus der Region dazu. Gfeller produziert über 270 Sorten Gemüse sowie Sprossen und Shiitake-Pilze. Das Gemüse verkauft er auf dem Wochenmarkt in Fribourg, an Gastrobetriebe, im Hofladen, über das Internet sowie in der Abo-Kiste «Notre Panier Bio».
Mehr Informationen: www.gfellerbio.ch
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