Die Nachfrage nach Getränken aus Blüten und Beeren ist gross. Das freut Christof Schenk aus Niederwil SG. Er gehört zu den führenden Anbietern.
«Der Holunder stand in der Blüte und es duftete so heimatlich, dass der heimwehgeplagte Knud an einen Ort zog, wo es keine Holundersträucher gab.» Wer in diesen Wochen an einem blühenden Holunderstrauch vorbeikommt, wird nich gleich an einen Wohnungswechsel denken, wie Knud in Hans Christian Andersens Märchen «Unter dem Weidenbaum». Und doch: Der Duft der weissen Blüten ist so intensiv, dass er kaum unbemerkt an einem vorbeizieht.
In den Bauerngärten gehörte der Holunderbaum einst zum Inventar. Heute wird Holunder mehr geduldet als gefördert. Als einheimische Art unter wuchernden Neophyten › Pflanzen, die ihren Ursprung nicht in der Schweiz haben › verteidigt er seine Stellung recht erfolgreich. Das verdankt der Holunder auch den Wildvögeln, für die er eine wichtige Nahrungsquelle bildet. Mit dem Kot landen die Samen wieder auf dem Boden, wo sie schnell zu neuen Büschen heranwachsen.
Der Holunderbusch ist aber mehr als nur ein Lückenbüsser. Fast jeder Teil lässt sich in einer Form verwenden: Tee aus der Rinde wirkt gegen Erkältung, Sirup aus den Blüten ist ein wunderbarer Durstlöscher. Der Saft aus den Beeren gilt als Vitamin-C-Bombe und hilft gegen Erkältungen, Nieren- und Blasenleiden. Und wer unbedingt möchte, kann Holunder sogar als natürliches Färbungsmittel einsetzen. Aber Achtung: Einmal auf der Hose, ist der Holunder-Farbstoff Sambucyanin kaum mehr wegzubringen.
Dass man mit Holunder auch Geld verdienen kann, beweist Christof Schenk aus dem sankt-gallischen Niederwil. Seine Firma Holderhof Produkte AG zählt in der Schweiz zu den wichtigsten Anbietern von Holunderprodukten. Gestartet hatte er vor ein paar Jahren mit dem selber entwickelten Holunderblütenwein «Elderwood». Heute besteht sein Sortiment aus Sirupen, trendigen Süssgetränken, Konfitüren und diversen Fruchtweinen.
Als die Landi-Gruppe zusätzlich eine Siruplinie lancierte, war Christof Schenk schnell zur Stelle. Wieder kam zuerst seine Lieblingskultur Holunder zum Einsatz. Entwickelt hatte er das Rezept nach Feierabend in der eigenen Küche: «Ich fragte meine Grossmutter um Rat.» Die Ratschläge waren offenbar gut. Die Nachfrage stieg weiter an, neue Produkte wurden lanciert. Zum Beispiel das trendige Erfrischungsgetränk «Sambus» ein Gemisch aus Mineralwasser, Holunderblütenextrakt und Holunderbeersaft.
Anfang Juni ging es in der Ostschweiz los mit der Ernte. Der Ablauf ist exakt geplant: Die Bauern liefern zeitgleich an drei Sammelstellen die Tagesernte ab. Innerhalb von wenigen Stunden werden die Blüten anschliessend zu Extrakt weiterverarbeitet, eingefroren oder getrocknet. Auf einer Hektare Holunderbäume pflücken die Erntehelfer rund 1500 Kilogramm Blüten. «Es ist wichtig, dass die Blüten frisch zu Extrakt verarbeitet werden», sagt Christof Schenk. Holunder braucht ausreichend Wasser › aber keine Staunässe › und Stickstoff. Viel falsch machen kann dabei auch der Hobbygärtner nicht: «Das robuste Gehölz verträgt selbst einen radikalen Verjüngungsschnitt», so Schenk. Die meisten Holunderbüsche wachsen aber ohne spezielle Pflege an Waldrändern und im Garten. Im Herbst dann beginnt die zweite Erntephase, dann mit den blauen Beeren. Diese sind roh übrigens leicht giftig. Deshalb muss der Saft erwärmt werden.
Holunder hat durchaus Kultpotenzial › nicht allein dank den Hustenpastillen von Ricola. Deshalb setzen die Bauern wieder vermehrt auf Holunder. «Die Ansprüche an die Produktion sind relativ gering, der Verdienst im Verhältnis hoch.» Er hat mehrere Produzenten vertraglich an sich gebunden. Den passenden Partner für die Produktion seines Holunderblütenweins fand er in der Weinkellerei Gasser in Ellikon. Abnehmer für seine Spezialitäten sind Restaurants der Region, Kunden im eigenen Hofladen oder die Landi-Läden.
Qualität ist alles im Sirup-Business. Schenk geht dabei keine Risiken ein. Die Produkte in zertifizierter Bioqualität lässt er freiwillig auf Rückstände von Pestiziden untersuchen. Da er konventionelle und biologische Rohstoffe verarbeitet, macht das Sinn. «Obwohl alle Verarbeitungsschritte getrennt erfolgen, will ich keinerlei Angriffsfläche für Kritiker bieten», sagt Schenk.
Seine Arbeitszeit verbringt Christof Schenk oft im Büro, in fremden Sitzungszimmern und im Auto. Oft ist er tagelang unterwegs auf der Suche nach Abnehmern von seinen Produkten und Partnern für neue Ideen. In diesem Jahr ist endlich ein Grossverteiler auf den Zug aufgesprungen. Doch Schenk will mehr. In Deutschland und Österreich hat er bereits Kunden. Nun will er den chinesischen Markt erobern. Dafür hat er einen Verkäufer eingestellt › ein deutschsprechender Chinese › der vor Ort den Markt bearbeitet. Erste Bestellungen sind bereits eingegangen. Schenk träumt von zweistelligen Millionenumsätzen und hat grosse Ziele: «Ich möchte in der Schweiz die Nummer eins im Handel mit Holunderprodukten werden.» Sagts und braust mit dem Audi quattro zum nächsten Termin.
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