Neun Männer und vier Frauen starteten im letzten Sommer die Ausbildung zum Gemüsegärtner respektive zur Gemüsegärtnerin. Wir besuchten die Klasse an einem Nachmittag im Dezember.
Man sieht es in Inseraten und hört es auf den Betrieben: Qualifiziertes Personal ist in der Gemüsebranche rar! Der Mangel an Fachkräften könnte mittelfristig sogar existenzbedrohende Ausmasse annehmen. Bleibt die Hoffnung auf den Nachwuchs. Doch die Zahlen sind wenig ermutigend: Die Anzahl der gemeldeten Lehrbetriebe liegt mit über hundert in einem krassen Missverhältnis zur Anzahl Lehrlinge. Gerade einmal 13 sind es, die sich aktuell in der Deutschschweiz im ersten Lehrjahr zur Gemüsegärtnerin respektive zum Gemüsegärtner ausbilden lassen. Darunter zwei Schüler, die die verkürzte zweijährige berufliche Grundbildung mit Berufsattest (EBA) ablegen. «Der Gemüsebau» schaute der Klasse im Rahmen des überbetrieblichen Kurses (ÜK) zu den Themen «Hygiene und Sätechnik» am Inforama in Ins über die Schultern.
Praxisorientierte Ausbildung
«Schon einmal etwas von Swissgap gehört?» Einzelne Hände gehen zögernd in die Höhe. Etwas erstaunt über das bescheidene Echo schreitet Lehrer Martin Keller zur Tafel, wo er ein Schema eines Gemüsebaubetriebs aufgezeichnet hat. Er bezeichnet darin die einzelnen Hygiene-Zonen. In Zone 1 fallen Hof, Rampe und Transport. In Zone 2 Aufbereitung und Verpackung und in Zone 3 schliesslich die Lagerräume und der Vermarktungsbereich. Sinn der ÜK ist das praxisorientierte Aufgreifen von Themen, die auf den Ausbildungsbetrieben nicht unbedingt gelernt werden können. Nach der kurzen Theorie folgt deshalb die Praxis: Drei Gruppen werden gebildet, die ausschwärmen und den ehemaligen Schulgutsbetrieb und heute von Pascal Occhini gepachteten Gemüsebaubetrieb gleich neben der Schule in Ins nach Hygiene-Vorschriften gemäss «Swissgap» untersuchen.
Die meisten der Lernenden – es sind neun Männer und vier Frauen – tragen Arbeitskleidung, einzelne aber auch Jeans oder Markenklamotten mit Kappe. Die Hände in den Hosentaschen schlendern sie nun über das Gelände zu den zugeteilten Orten. Ein Schüler zeigt im Lagerraum auf die Lampe an der Decke: «Da müsste wohl ein Schutz drauf sein, falls eine der Röhren verscherbelt.» Hat es auf dem Traktor ein Erste-Hilfe-Set? Und wo sind eigentlich die Schilder mit den Warnhinweisen? Es wird diskutiert. Doch das Gefälle in der Klasse scheint gross zu sein: Spürt man im einen Burschen bereits den zukünftigen Betriebsleiter, kann man sich den anderen kaum beim Schneiden von Nüsslisalat vorstellen. Einer zeigt sich demonstrativ uninteressiert und zeigt sich immer wieder von seiner destruktiven Seite. Solche «Querschläger» gehören heute fast in jeden Schulalltag. «Damit muss man umgehen können», sagt Martin Keller.
René Steiner lehrt seit acht Jahren am Inforama und kennt das Problem. «Von der Kleinklasse bis kurz vor der Matura hat man fast alles in einer Klasse». Die Ausbildung zum Gemüsegärtner oder zur Gemüsegärtnerin ist zudem nicht eben ein Renner unter den Jugendlichen. Nicht selten wird es zum Auffangbecken für auffällige oder lernschwache Schüler. Das sei ja nicht per se schlecht, sagt René Steiner. «Jeder verdient eine Chance.» Trotzdem habe man schon diskutiert, ob man die Eintrittsschwelle für Attest-Schüler nicht irgendwie erhöhen soll, beispielsweise mit einer Eintrittsprüfung.
Diskussionen über Hygiene
Nach ein paar Minuten trifft sich die Klasse wieder und bespricht die einzelnen Hygiene-zonen und die gemachten Beobachtungen gemeinsam mit dem Lehrer. Im Rüstraum schwimmen im Waschbecken noch Reste von Kresse herum. «Geht das?», fragt Keller. Ein Lehrling greift ins Wasser: «Eine schmierige Sache.» Doch es handle sich ja nur um ein Vorwaschbecken. Swissgap schreibe vor, dass nur der letzte Waschgang mit absolut sauberem Wasser erfolgen müsse, so Keller. Nun zeigt er auf die Tafel neben dem Tageskühler. «Wer musste diese Hygieneanforderungen auf dem Lehrbetrieb unterschreiben?» Nicht alle erheben die Hand. «Eigentlich wäre das Pflicht: Fragen Sie einmal Ihren Lehrmeister!»
Nach einer kurzen Pause übernimmt René Steiner die Klasse. Auf die Hygiene folgt das Modul Sä- und Pflanztechnik. Im Gewächshaus wird die Handsaat geübt. «Keine Männer-arbeit!», sagt einer der Jünglinge und schaut verschmitzt zu einer seiner vier Klassenkolleginnen. Einige Lehrlinge haben Handy und Digitalkamera dabei und halten damit den behandelten Stoff auch visuell fest. «Darf ich mir noch schnell die Sprossen in der anderen Hälfte des Gewächshauses ansehen?» «Klar doch!» Steiner ist sichtlich erfreut vom persönlichen Interesse des Schülers.
Etwas komplizierter als bei der Handsaat geht es im letzten Teil des ÜK beim Abdrehen der Sembdner Sämaschinen zu und her, was nun geübt wird. Saatmenge, Reihenabstand und Traktorspur müssen bestimmt werden, dazu das richtige Loch am Säband. «Dieser Traktor mit den schmalen Reifen ist definitiv nicht für die Aussaat geeignet,» sagt einer der Lehrlinge. Irgendwie hat man das Gefühl, dass er bereits schon genau weiss, auf was es im Gemüseanbau ankommt.
Zum PDF des Artikels in der Fachzeitschrift «Der Gemüsebau» (1.3 MB)
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