In Schlattingen TG soll erstmals in der Schweiz ein Gewächshaus direkt mit heissem Wasser aus dem Boden geheizt werden. Ob überhaupt genug Wasser vorhanden ist, zeigt aber erst die Sondierbohrung. Und diese ist teuer.
Unter der Schweiz hätte es theoretisch genug Energie, um das ganze Land mit Strom und Wärme zu versorgen. Trotzdem wird diese Erdwärme in der Schweiz noch kaum genutzt. Die Technologie bei der Tiefen-Geothermie steckt noch in den Kinderschuhen und ist teuer. Kein Grund für Gemüseproduzent Hansjörg Grob in Schlattingen es nicht doch zu versuchen. Bald wird neben seinen Gewächshäusern ein 25 Meter hoher Bohrturm stehen. In den nächsten Monaten soll eine Erkundungsbohrung in eine Tiefe von 1500 Metern zeigen, ob es dort heisses Wasser gibt. Ist dies der Fall, will er es direkt für die Beheizung der sieben Hektaren Gewächshäuser nutzen. Vorteile sieht Grob im Erfolgsfall nicht nur bei den Energiekosten sondern auch für die Vermarktung: «Wir könnten auf dem Markt mit CO2-neutral produziertem Gemüse auftreten.»
Ein Traum soll wahr werden
Hansjörg Grob spielt bereits seit acht Jahren mit dem Gedanken, die Geothermie für seine Gewächshäuser zu nutzen. «Sie würde eine nahezu CO2-freie Beheizung ermöglichen», sagt Grob. Versorgungs- und Preissicherheit seien weitere schlagende Argumente. Eine Geothermie-Potenzialstudie der Kantone Thurgau und Schaffhausen wies Schlattingen als interessantes Gebiet für eine geothermische Nutzung aus. «Der Kanton Thurgau spielt bei der Förderung der erneuerbaren Energien in der Champions League», sagte der Thurgauer Volkswirtschaftsdirektor Kaspar Schläpfer anlässlich des Spatenstiches im Oktober in Schlattingen. Er sei zuversichtlich, dass die Geothermie in Zukunft einen Teil der Energieprobleme lösen könne. Da kommt Hansjörg Grob mit seinem Geothermie-Projekt gerade recht, um einen erster Schritt in diese Zukunft zu wagen. Es wäre ein Meilenstein in der Energielandschaft der Ostschweiz. Deshalb engagiert sich der Kanton finanziell am Projekt mit einer Risikogarantie. Dank der allgemein wohlwollenden Stimmung kamen die Planung und Erstellung der Machbarkeitsstudie schnell voran. «Am 18. Februar dieses Jahres traf ich mich erstmals mit den Behörden zu einem Gespräch», sagt Grob. Bis zum Spatenstich dauerte es nur knapp acht Monate. Es sei zudem seine erste Baustelle ohne Einsprachen von Amtsstuben oder Verbänden, so Grob.
Geteiltes Risiko
Trotz positiv ausgefallenen Expertisen über die Beschaffenheit des Untergrundes ist das Risiko einer Fehlbohrung beträchtlich. Und nur schon die erste Sondierbohrung kostet 3,5 Mio. Franken. Ein Misserfolg würde die Existenz des Betriebes ernsthaft gefährden. «Ein Risiko, das ich natürlich nicht alleine eingehen wollte!», sagt Grob. Im Fall einer Fehlbohrung übernimmt deshalb der Kanton zwei Millionen Franken der Kosten, finanziert aus dem kantonalen Energiefonds. 900 000 Franken bezahlt die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra), die den Bohrkern wissenschaftlich verwendet. Es bleiben 600 000 Franken, die Grob bei einem Misserfolg selbst bezahlen müsste. «Die Alternative Bank in Olten unterstützt mich mit einem Kredit», sagt Grob. Verläuft die Sondierungsbohrung erfolgreich, sind weitere drei Millionen Franken fällig für die zweite Bohrung und das Errichten der ganzen Wärmenutzungsanlage. Total 6,5 Mio. Franken. In diesem Fall würde Grob den grössten Teil der Kosten selbst und mit Hilfe von Investoren finanzieren. Dem Kanton müsste er einen Rappen pro Kilowattstunde Wärme als Nutzungsentschädigung bezahlen. «In 15 Jahren hätten wird die Anlage amortisiert», sagt Grob. «Mit dieser Investition wollen wir die Zukunft des Betriebes sichern!»
13 Liter pro Sekunde nötig
Voraussichtlich im Februar wird sich in Schlattingen zeigen, ob der Traum von der sauberen Energie aus dem Boden für Hansjörg Grob wahr wird. Bis dann werden die Bohrköpfe in die kristallinen Gesteinschichten vordringen, wo die heissen Quellen vermutet werden. 60°C warm müssen sie mindestens sein. «Um den Wärmebedarf des Gemüsebaubetriebes zu decken, müssen pro Sekunde 13 Liter Wasser fliessen», erklärt Geologe Erich Müller, der das Projekt gegenüber der Öffentlichkeit vertritt. Bei weniger als acht Litern pro Sekunde ist die Nutzung nicht wirtschaftlich. In diesem Fall würde das Loch mit einer «normalen» Wärmesonde ausgestattet. «Zehn Prozent des Energiebedarfes könnten so immerhin noch gedeckt werden», sagt Grob. Das wäre natürlich nur ein Trostpflaster.
5 000 Tonnen CO2 einsparen
Der Gemüsebaubetrieb und seine Gewächshäuser verbrauchen heute jährlich rund 20 Millionen Kilowattstunden Energie. Den grössten Teil deckt Grob mit Gas und Heizöl ab. Der CO2-Ausstoss beträgt jährlich 5 000 Tonnen. Mit der Geothermie würde dieser zu einem grossen Teil wegfallen. Um den Wasserkreislauf aufrechtzuerhalten braucht es Pumpen, die zusätzlich Energie verbrauchen. Doch lange nicht soviel, wie Kritiker behaupten. «Fälschlicherweise gehen viele Leute davon aus, dass Wasser 1500 Meter tief gepumpt werden muss», erklärt Roland Wyss, der die Machbarkeitsstudie für die Anlage erstellt hat. Dabei werde vergessen, dass der gespannte Grundwasserspiegel der wasserführenden Schichten in Schlattingen knapp unter der Erdoberfläche liege und deshalb viel weniger Pump-Leistung nötig sei, sagt der Geologe. Alles sei in den Wirtschaftlichkeitsberechnungen berücksichtigt. «Die Wirtschaftlichkeit ist gegeben, wenn die kritische Menge an Wasser gefunden wird.» Ob dies der Fall ist, wird die Bohrung zeigen.
Schon einmal versucht
Der Fehraltorfer Gemüseproduzent Hans Gerber weiss, was es heisst, wenn die Bohrer im Trockenen landen. Bereits in den 80iger-Jahren suchte er wie Grob im Untergrund nach warmen Quellen. «Die Vorzeichen waren gut!», sagt Gerber heute. Und die Enttäuschung umso grösser, als einfach kein Wasser gekommen sei. In knapp 1 000 Metern Tiefe hätten sie aufgehört mit bohren, die Geologen hätten ursprünglich sogar bereits in 650 Meter Tiefe warmes Wasser vermutet. «Kosten von 500 000 Franken sind an uns hängen geblieben.»
Nachahmung in anderen Regionen?
Viele Gemüseproduzenten verfolgen die Bohrungen in Schlattingen sehr aufmerksam. Mindest ein weiteres ähnliches Projekt befindet sich in der Evaluationsphase. Wo sich der Untergrund für die geothermale Nutzung eignet, ist aber schwer auszumachen. «Weil es in der Schweiz bisher wenig Tiefen-Bohrungen gibt, ist die Beschaffenheit des Bodens eine grosse Unbekannte», sagt Geologe Wyss der einst für ausländische Ölfirmen in der Tiefe gebohrt hat. «Interessierte Gemüseproduzenten melden sich am besten bei einem erfahrenen Geologen, der eine sorgfältige Evaluation durchführt,» sagt Wyss. Doch eines ist klar: Gewissheit bringt letztendlich nur eine Bohrung. Und die ist zurzeit noch teuer. Das Risiko einer Fehlbohrung ist für einen Betrieb deshalb ohne öffentliche Unterstützung kaum tragbar.
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