Mit Erzeugerorganisationen delegieren Gemüseproduzenten die Vermarktung an Profis. Wie eine solche Organisation funktioniert, zeigt das Beispiel der Erzeugergrossmarkt Thüringen-Sachsen-Spreewald eG in Deutschland.
In der überbetrieblichen Zusammenarbeit liegt Potential zur Senkung der Betriebskosten und damit zur Steigerung der Produktivität. Trotzdem sind Schweizer Gemüseproduzenten noch immer zurückhaltend, wenn es beispielsweise um eine gemeinsame Vermarktung geht. Anders in der Europäischen Union, wo die staatlich geförderten so genannten Erzeugerorganisationen (EO) eine feste Grösse sind. Eine von europaweit über 1500 EOs für Obst und Gemüse ist die Erzeugergrossmarkt Thüringen-Sachsen-Spreewald eG (EGM), die sich auf den Ostdeutschen Markt fokussiert. Die EGM mit Sitz in Laasdorf bei Jena erzielt einen Jahresumsatz von rund 40 Millionen Euro. Die 44 Mitgliederbetriebe bewirtschaften rund 1500 Hektaren im Freiland und 40 Hektaren unter Glas. Zur EGM gehören zudem zwei Töchter in Italien und Ungarn, die die Organisation bei Liefer-Engpässen und insbesondere ausserhalb der deutschen Anbausaison mit Obst und Gemüse versorgen.
Regionalität im Fokus
Den Grundstein für die heutige Organisation legten im Jahr 1991 nach der Wende vier Produzenten unter der Federführung von Gartenbau-Ingenieur Wolfram Rink. Sie gründeten eine Genossenschaft mit dem Ziel, das produzierte Gemüse selbst zu verkaufen. Und das war gar nicht so einfach, denn nach dem Zusammenbruch der DDR war das Gemüseangebot in der Region zum einen schwach. Zum anderen waren es die Produzenten nicht gewohnt, ihre Ware selbst zu vermarkten. Zwanzig bewegte Jahre sind seither vergangen. Fusionen mit den Gemüsemärkten in Erfurt, Dresden und Spreewald folgten. «Die Strukturprobleme in der Branche waren dadurch aber noch nicht gelöst», sagt Vorstandsmitglied Peter Winkler heute. Viele Gemüsebetriebe gaben in den Folgejahren auf. Von einst 120 Gemüseproduzenten in der Genossenschaft seien noch 44 in der EGM übrig geblieben. Diese sind nun dafür grösser. 1999 kooperierte die EGM mit dem Gemüsering Stuttgart. Man habe versucht, ein gemeinsames Vermarktungs-Konzept in Ostdeutschland zu verfolgen. Allerdings erfolglos; die Zusammenarbeit wurde 2007 beendet: «Die Interessen waren zu unterschiedlich!» Seither geht die EGM ihren eigenen Weg und setzt dabei noch mehr auf die einheimische Produktion. «Trotz Regionalität geht der Kampf um die Kunden aber über den Preis», sagt Winkler. Deshalb werde die Konzentration und die Spezialisierung in der Branche weitergehen.
Betriebsfonds mit EU-Geldern kofinanziert
Wenn ein Gemüsebetrieb Mitglied der EGM wird, muss er einmalig Anteile im Wert von 500 Euro pro 5000 Euro erzieltem Umsatz zeichnen. Die Zahl der Anteile ist aber auf maximal 200 begrenzt (100 000 Euro) pro Betrieb. Die EGM finanziert das Tagesgeschäft hauptsächlich über eine Vermarktungsgebühr, die jedes Mitglied ebenfalls abhängig vom erzielten Umsatz entrichten muss. Dazu kommt ein Beitrag von 4,1 Prozent des in den letzten beiden Jahren durchschnittlich erzielten Umsatzes, den jeder Betrieb in den Betriebsfonds einzahlen muss. Dieser wird gemäss EU-Recht mit EU-Geldern im gleichen Umfang wie dem von den Mitgliedern einbezahlten Betrag kofinanziert. Aus eben diesem Betriebsfonds finanziert die EGM beispielsweise Rückstandsuntersuchungen, Anbauberatungen, Nützlinge, Versicherungen für die Kulturen oder grössere Investitionen wie beispielsweise Sortiermaschinen oder Heiztechnologie in Gewächshäusern.
Vorteile für Mitgliedsbetriebe
Als Mitglied der EGM profitieren die Gemüseproduzenten also von zahlreichen Dienstleistungen sowiezusätlich im Bereich der Logistik. Vor allem können sie sich aber auf ihr Kerngeschäft fokussieren: «Sie müssen sich nicht um die Vermarktung kümmern, sondern können sich auf den Anbau ihrer Kulturen konzentrieren», sagt Winkler. Grundsätzlich besteht eine Lieferpflicht der Mitgliederbetriebe mit Ausnahme des Verkaufs ab Hof an Endverbraucher bis zu einer bestimmten Prozentgrenze. Die EGM sei gegenüber ihren Mitgliedern interessiert, die Ware zum bestmöglichen Preis zu verkaufen. Die Nettopreise seien dabei für die Produzenten transparent und jederzeit sichtbar. Die Zusammenarbeit zwischen der EGM und ihren Mitgliedern ist eng und auch ein Vertrauensverhältnis: «Die Ernte wird wöchentlich – manchmal auch täglich – abgestimmt, Betriebsleitersitzungen finden monatlich statt», so Winkler. Die EGM führt nicht nur die Gespräche mit den Abnehmern sondern übernimmt auch die jährliche Anbauplanung. In der EGM-Zentrale in Laasdorf arbeiten rund 30 Personen, die meisten in der Vermarktung und im Handel, seit 2010 weitere 50 Personen in der Tomatenabpackung. «Die Cocktail-Tomaten verpacken wir in Laasdorf, sonst wird die Ware in der Regel direkt von den Betrieben zur Kundschaft geliefert», so Winkler.
Lieferbereitschaft erhöhen
Natürlich kann eine Organisation wie die EGM mit Lieferanten von Setzlingen, Dünger oder Nützlingen bessere Konditionen aushandeln. «Davon profitieren wiederum unsere Mitglieder», so Winkler. Doch auch gegenüber der Kundschaft hilft es, wenn man eine hohe Schlagkraft aufweist. Die Hauptabnehmer der EGM sind Lidl und Rewe. Mit Lidl konnte EGM für die Tomaten eine enge Partnerschaft vereinbaren. Gerade in einem Jahr wie dem aktuellen hilft das: «Lidl hat uns auch sonst in der schwierigen EHEC-Phase stark unterstützt und zu uns gehalten», sagt Winkler.
Um die Lieferbereitschaft gegenüber grossen Abnehmern zu gewährleisten, arbeitet EGM aber kontinuierlich an der Ausweitung der Produktion. Nach der Trennung vom Gemüsering Stuttgart vor vier Jahren bestand sowieso Handlungsbedarf. Mit dem Bau des 9-Hektaren-Gewächshauses in Schkölen (Siehe Artikel in Ausgabe 5) konnte die Cocktail-Tomaten-Produktion entscheidend ausgeweitet werden. Daneben wurden weitere 13 ha im Bundesland Brandenburg gebaut. Mit der Flächen-Ausdehnung nach Italien und Ungarn soll vor allem das Angebot in der anbaulosen deutschen Saison gesichert werden. Die angeschlossenen Betriebe in Ungarn erweitern die Produktpalette zudem mit Peperoni und Melonen. Zurzeit liefern die Mitglieder-Betriebe rund 65 Prozent der Ware, der Rest werde vor allem in Italien zugekauft. Doch das Ziel von Peter Winkler ist klar: «Wir wollen und müssen die Eigenproduktion weiter ausbauen!»
Kommentare