Das vorgeschlagene Raumentwicklungsgesetz soll helfen, den Kulturlandverlust und die Zersiedelung der Landschaft zu bremsen. Der Vorschlag sorgt aber für viel Kopfschütteln. Die Gemüsebranche und die anderen landwirtschaftlichen Verbände kritisieren vor allem die Streichung der Landwirtschaftszone zugunsten einer Kulturlandzone.
Im letzten Jahr überstieg die Fläche der geschützten Gemüseproduktion in der Schweiz erstmals die Marke von 1000 Hektaren. Es ist eine Antwort auf den zunehmenden Preis- und Wettbewerbsdruck in der Branche. Was sich hier so einfach in nackten Zahlen präsentiert, ist in der Praxis oft mit zahlreichen administrativen Hürden verbunden. Wer Unterkünfte für Angestellte, Gewächshäuser, Verarbeitungsräume oder Lagerhallen bauen will, muss oft aufwändige Baubewilligungsverfahren durchlaufen. Doch nicht überall ist der Weg gleich steinig: In Gemüse-Regionen wie dem Seeland sind die Gemeinden unkomplizierter als beispielsweise in der Ostschweiz. Seit vielen Jahren kämpfen die landwirtschaftlichen Verbände für mehr Freiheiten beim Bau von Gebäuden in der Landwirtschaftszone, die der landwirtschaftlichen Produktion dienen. Das Problem: Der Boden wird in der Schweiz immer knapper und die so genannte Zersiedelung der Landschaft nimmt scheinbar ungebremst seinen Lauf. Ein Quadratmeter Land wird pro Sekunde in der Schweiz verbaut. Gefragt ist hier eine kluge Raumplanung. Ob das revidierte Raumplanungsgesetz – neu Raumentwicklungsgesetz (REG) genannt – diesen Anspruch erfüllt, ist fraglich. Nicolas Fellay, Direktor beim Verband Schweizerischer Gemüseproduzenten (VSGP) zweifelt daran: «Der Gesetzesvorschlag in der aktuellen Form würde die Position der Landwirtschaft massiv verschlechtern!» Auch in Kreisen ausserhalb von der Landwirtschaft hört man aber wenig positive Rückmeldungen auf das REG.
Keine Landwirtschaftszone mehr?
Am 17. April lief die Vernehmlassungsfrist für das REG ab. Aus Sicht der Landwirtschaft sticht darin besonders ins Auge, dass die klassische «Landwirtschaftszone» aus dem Gesetz verschwinden soll. Neu würde der Bund nur noch zwischen Bauzonen und Nicht-Bauzonen unterscheiden, letztere fasst er unter dem Begriff «Kulturlandzonen» zusammen. Diese dienen «der Sicherung der Ernährungsbasis des Landes, der Erholung sowie dem Natur- und Landschaftsschutz», wie es in der Vernehmlassungsunterlage heisst. Welchen Platz in der «Hackordnung» soll nun in dieser Zone die Landwirtschaft künftig einnehmen? Der Schweizerische Bauernverband äusserte seine Befürchtung, dass mit dem neuen Gesetz weiter Kulturland zu Lasten der produzierenden Landwirtschaft geopfert werde, da bei anderen Nutzungen, beispielsweise für Erholung oder Schutzmassnahmen, starke Interessen dahinter stünden. Der VSGP wird in seinem Vernehmlassungsschreiben an das Bundesamt für Raume
ntwicklung (ARE) deutlich und fordert die Beibehaltung der Landwirtschaftszone, die sich von einer «Erholungs- oder Umweltschutzzone» klar unterscheiden müsse. Der VSGP ist mit dieser Forderung in guter Gesellschaft von praktisch allen landwirtschaftlichen Verbänden inklusive des Schweizerischen Bauernverbandes. Obwohl Stephan Scheidegger vom ARE in einem Interview mit der Bauernzeitung sagte, dass die Landwirtschaft im neuen Gesetz die gleich wichtige Bedeutung beibehalten solle wie heute. Offenbar traut man diesen Worten nicht so ganz über den Weg. Selbst Umweltschutz-Organisationen können der Kulturlandzone nichts Positives abgewinnen: «Es wäre besser, wenn die bisherige Regelung mit der Landwirtschaftszone bleiben würde», sagt Marcus Ulber von Pro Natura. Der aktuelle Vorschlag sei viel zu schwammig formuliert und berge viele Gefahren. «Wenn die Erholung als Zweck in die Kulturlandzone gehören soll, dann sind dort auch Golfplätze denkbar», so Ulber. Und das könne ja nicht das Ziel sein.
Schutz der Fruchtfolgeflächen
Der Gesetzesentwurf sieht einen grösseren Schutz der Fruchtfolgeflächen vor. Das ist grundsätzlich positiv,
denn diese werden heute durch Regelungen auf der Verordnungsstufe nur schlecht geschützt. Künftig sollen die Kantone die Fruchtfolgeflächen genau ausweisen müssen und kartografisch festhalten. Daneben sollen Regeln für eine bessere Ausnützung der Bauzonen für weniger Druck auf die Fruchtfolgeflächen und auf die Landwirtschaftsböden generell sorgen. All das gehe sicher in die richtige Richtung, sagte Ulrich Ryser vom Schweizerischen Bauernverband im Mediendienst des Landwirtschaftlichen Informationsdienstes. Die Frage sei, ob die Regeln genügend griffig seien. Ähn-
liche Befürchtungen äusserte er, was die Bewilligung von Umbauten für paralandwirtschaftliche Angebote angeht. Der Entwurf sehe hier sogar mehr Freiraum für die Landwirte vor. Störend sei aber, dass beim Gesetzesentwurf die Kantone in diesem Bereich Kompetenzen erhalten sollen. Erfahrungsgemäss würden die Kantone die Regeln des Bundes noch restriktiver formulieren und den Bauern zusätzliche Hindernisse in den Weg stellen. Der VSGP fordert, dass nicht nur Fruchtfolgeflächen klassiert werden sollen. Es sei viel mehr nötig, dass alle verfügbaren Kulturflächen für die Ernährungssicherheit genutzt werden, so Nicolas Fellay.
Katze im Sack?
Das neue Gesetz birgt aus Sicht des Gemüsebaus einige Unsicherheiten. Es bestehe die Gefahr, dass man die Katze im Sack kaufe: «Viele wichtige Punkte im Bereich der Raumplanung sind in Verordnungen geregelt», sagt VSGP-Direktor Nicolas Fellay. Und wie diese künftig aussehen werden, weiss man natürlich noch nicht. Beispielsweise die heute geltende Bestimmung der inneren Aufstockung. Diese erlaubt nur auf maximal 35 Prozent der Gemüseanbaufläche eines Betriebs bodenunabhängige Produktionsmethoden. «Unsere Produzenten müssen sich entwickeln können, um im Wettbewerb bestehen zu können.» Deshalb fordert der VSGP, dass diese einschränkende Regelung gestrichen wird. In die gleiche Stossrichtung – wenn auch etwas weniger vehement –, drückt auch der SBV. «Wir setzen uns dafür ein, dass künftig keine solchen Einschränkungen mehr bestehen», sagt Ulrich Ryser vom SBV auf Anfrage. Sowieso stört man sich beim VSGP aber daran, dass Hors-sol-Anlagen immer noch als «Produktion auf versiegeltem Boden» bezeichnet werden. Obwohl viele von diesen Gewächshäuser auf unversiegelten Böden stehen und im Winter mit Salaten bepflanzt werden.
Unterkünfte auf Betrieben
Was seit Jahren in der Gemüsebranche immer wieder für Diskussionen sorgt, ist die Erstellung von Unterkünften für die Angestellten auf dem Betrieb. Das war bisher in der Regel nicht möglich. Bis jetzt waren die Gemüseproduzenten diesbezüglich jeweils auf den Goodwill der Gemeinde-Behörden angewiesen. Ändert das nun mit dem neuen Gesetz? Das REG sieht vor, dass Baubewilligungen in Zukunft befristet erteilt werden können. Darin könnte ein Lösungsansatz liegen. Der VSGP fordert allerdings, dass explizit im Gesetzestext festgeschrieben wird, dass Unterkünfte für das Personal für eine befristete Dauer bewilligt werden können.
Der Teufel liegt im Detail
Nicolas Fellay sieht in der aktuellen Version des revidierten Gesetzes mehr Verschärfungen als Freiheiten auf die Gemüsebranche zukommen. Insbesondere der Artikel 52 ist ihm ein Dorn im Auge. «Die Schaffung neuer Bauvolumen ist auf das Nötigste zu beschränken», heisst es dort relativ unspektakulär. Fellay sieht das Problem im Wort «Nötigste»: Das sei im Vergleich zu früher eine deutliche Verschärfung. Im gleichen Artikel heisst es, dass «die Errichtung von Bauten und Anlagen in jedem Fall nur gestützt auf eine umfassende Abwägung aller berührten Interessen bewilligt werden». Missbräuchliche Einsprachen der Opposition seien damit Tor und Tür geöffnet, sagt der VSGP-Direktor. Er kritisiert aber auch die Definition der so genannten «offene Landschaften» in Artikel 7. Sie sei zu unpräzis und stelle in der aktuellen Formulierung sogar eine Schlechterstellung der Landwirtschaft dar: «Der Bau von Gebäuden und Anlagen würde dadurch in der heutigen Landwirtschaftszone noch erschwert!» Und das liege sicher nicht im Interesse der Gemüseproduzenten. Denn diese sollen sich ja weiterentwickeln können, um im Markt bestehen zu können.
Unsichere Zukunft des REG
Das REG gleicht einer grossen Baustelle. «Ich kenne praktisch keine Organisation, die mit dem Vorschlag glücklich ist», bringt es Marcus Ulber von Pro Natura auf den Punkt. Der Schweizerische Bauernverband schlägt gar vor, statt der vorgesehenen Totalrevision eine Teilrevision des bestehenden Raumplanungsgesetzes durchzuführen. Der Ball liegt jetzt beim ARE und dem Bundesrat, der dem Parlament voraussichtlich im Februar 2010 die Botschaft mit dem neuen überarbeiteten Gesetz vorlegen wird. Es soll dem Volk als indirekter Gegenvorschlag gegen die Landschaftsinitiative vorgelegt werden. Allerdings häufen sich die Stimmen, die fordern, dass das REG schon vorher auf Eis gelegt wird.
Publiziert in der Zeitschrift „Der Gemüsebau 3/2009“
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