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„Bauern bezahlen eine Milliarde zu viel!“ (BauernZeitung 16.3.2007)

An der Tagung „Spannungsfeld Marktspanne“ der Avenir Suisse wurde über die Nahrungsmittelpreise in der Schweiz diskutiert. Nicht nur hohe Lebensmittelpreise sind Schuld an der allgemeinen Überteuerung in der Schweiz.

Mit dem im letzten Jahr veröffentlichten Buch „der befreite Bauer“ hat Avenir Suisse – die Denkfabrik für die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Entwicklung der Schweiz – voll ins Schwarze getroffen. Die Autoren kritisieren darin die Schutz- und Stützungsinstrumente der Schweizer Agrarpolitik. Rudolf Strahm, PreisüberwacherDiese bremsten den Strukturwandel und damit innovative Bauern. Dass die Avenir Suisse mit ihrem Werk nicht nur Freunde gewonnen hat, liegt auf der Hand. Besonders die der Landwirtschaft vorgelagerten Stufen übten scharfe Kritik an den Autoren, von nachweisbar fehlerhaften Berechnungen war sogar die Rede. Am Dienstag bot sich die Gelegenheit zur Klärung. Quasi als Ergänzung zum „befreiten Bauer“ organisierte Avenir Suisse im Technopark in Zürich eine Tagung mit dem Titel „Spannungsfeld Marktspanne“. Praktisch alle wichtigen Exponenten und Beteiligten der Landwirtschafts- und Lebensmittelbranche waren vertreten mit einer grossen Ausnahme: der vorgelagerte Branche. „Die Absage der Fenaco ist sicher nicht nur terminlich begründet“, sagte Avenir-Suisse-Direktor Thomas Held in seiner Begrüssungsansprache und gab gleich noch einen drauf: „Das weist wohl auf einen besonders dunklen Punkt in der Wertschöpfungskette hin.“

In seinem Einführungsreferat kritisierte ETH-Professor Richard Senti den anhaltenden Protektionismus in der Schweizer Landwirtschaft. „Geändert haben sich nur die Mittel, der Umfang hat in den letzten Jahren sogar zugenommen“, sagte er. Wenn der Schutz aufrechterhalten bleibe, werde sich die Wettbewerbsfähigkeit der Branche nicht verbessern. Für die schwierige Situation der Bauern machte er die staatliche Agrarpolitik verantwortlich.

Bauern nicht hauptschuldig an Hochpreis-Insel
Inhaltlich ging es in der Tagung aber vor allem um die grossen Preisunterschiede zwischen der Schweiz und dem Ausland. Als besonders anschauliches Beispiel werden bekanntlich immer wieder die hohen Lebensmittelpreise herbeigezogen. Dabei gebe es durchaus Bereiche die mehr Anteil an der generellen Überteuerung in der Schweiz hätten, sagte Michael Grass von BAK Basel Economics. „Mehr als ein Drittel der Überteuerung geht auf die zu hohen Kosten für Miete und Energie zurück“, sagte der Diplom-Volkswirt. In die gleiche Richtung ging Eduard Hofer, Vizedirektor im Bundesamt für Landwirtschaft, als Vertreter der so arg kritisierten Agrarpolitik: „Die Landwirtschaftsreformen alleine ändern nichts an der Hochpreis-Insel Schweiz.“. Er warnte zudem vor zu grossen Erwartungen eines Freihandelsabkommens mit der EU. Wenn die Zölle wegfielen, seien die hohen Kosten nämlich immer noch da. Um diese ging es im Referat von Preisüberwacher Rudolf Strahm (Bild) : „Die Schweizer Bauern bezahlen heute eine Milliarde Franken zu viel.“ Als grosses Sorgenkind bezeichnete Strahm die Futtermittelbranche, denn Bauern müssten zu europäischen Preisen einkaufen können. Das fand auch Ulrich Niklaus, Landwirt und Vorstandsmitglied des Schweizerischen Bauernverbandes: „Viel zu oft kaufe ich zu Kollegenpreisen ein, ohne die Preise wirklich zu vergleichen“, nahm er sich gleich selber an der Nase. Sibyl Andwander Phan-Huy von Coop sprach beim Agrarschutz von Mauern, die ein Gefängnis für die Produzenten bildeten, die neue Märkte erobern wollten. Die heutige Politik habe zur kleinstrukturierten Landwirtschaft geführt, und das hat viele Nachteile“, sagte Anwander Phan-Huy. Das heutige Umfeld biete für ein Unternehmen wie Coop wenig Anreize für grosse Investitionen.

Veredlungsverkehr als Möglichkeit
Albert Rösti, Direktor der Schweizer Milchproduzenten, wies auf den in den letzten Jahren bereits vollzogenen Strukturwandel in seiner Branche hin. Nach der endgültigen Aufhebung der Milch-Kontingentierung in zwei Jahren werde das Kostensenkungspotential noch weiter ausgeschöpft werden, sagte er. „Der Wandel braucht aber trotzdem die nötige Zeit“, warnte Rösti vor zu schnellen Änderungen. Nicht genug schnell kann es den Milchverarbeitern gehen. „Wenn es ein bisschen mehr Gegenwind gibt, braucht es ein bisschen mehr Schub“, forderte Walter Huber, CEO von Emmi, eine offensive Haltung bei der Öffnung der Märkte. Immer mehr Produzenten der jüngeren Generation trauten sich sogar noch tiefere Milchpreise zu, sagte er hoffnungsvoll. Ähnlich sah dies Daniel Schmocker von der Nestlé Suisse SA. Er sieht vor allem im Veredlungsverkehr – der Verarbeitung von Schweizer Milch im Ausland oder von ausländischer Milch in der Schweiz – eine gute Möglichkeit. „Denn wir brauchen dringend mehr Auslastung für unsere Betriebe“, sagte er.

Die Tagung in Zürich zeigte auf: Die Stimmen für eine Lockerung der Agrarschutzes und mehr Marktöffnung werden immer lauter. Ueli Niklaus beschrieb es so: „Wir müssen uns öffnen. Wenn wir es nicht machen, dann kommt es trotzdem!“

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