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«Berner Rosen» oder «Berg-Auberginen»: Selten dafür umso besser! (LID-Mediendienst)

Die Samengärtnerei Zollinger in Les Evouettes produziert Saatgut von seltenen Gemüsesorten. Zur Kundschaft zählen vor allem Privatgärtner und kleinere Gemüseproduzenten, die auf den Wochenmärkten verkaufen. Sie können sich dank den speziellen Sorten von der Masse im Supermarkt abheben. Klein, gross, rot, schwarz oder eben gelb wie in diesem Beispiel: Die Samengärtnerei Zollinger produziert Samen von speziellen Tomatensorten.

Was macht eine gute Tomate aus? Würziger Geschmack, hoher Fruchtanteil oder reich an Vitaminen, so würden wohl spontane Antworten lauten. Doch die Tomate von heute muss eigentlich zuerst einmal ganz andere Anforderungen erfüllen: Sie muss den Transport in grossen Camions reibungslos überstehen, nach dem Kauf noch ein paar Tage haltbar sein und zudem noch schön aussehen. Und ja, günstig muss sie natürlich sein. Ein beachtliches Anforderungsprofil also, an dem sich die grossen Schweizer Gemüseproduzenten betriebswirtschaftlich orientieren müssen. Der Geschmack spielt dabei oft nur noch eine Nebenrolle. Die breite Masse goutiert das. Das liegt an der Bequemlichkeit von heute, oder vielleicht daran, dass viele Konsumenten die Tomaten von «früher» gar nicht mehr kennen, weil diese der Standardisierung zum Opfer gefallen sind.

Geschmack geht vor

Seit ein paar Jahren bietet Coop zusammen mit der Stiftung Pro Specie Rara seltene Gemüsesorten wie die Tomate «Coeur de Boeuf» oder das Küttiger Rüebli an. Manch einer dürfte dabei auf den Geschmack gekommen sein. In der Bio-Samengärtnerei Zollinger in Les Evouettes im Wallis wachsen noch viel mehr unbekannte Gemüsesorten, die beinahe in Vergessenheit geraten sind. Robert und Christine Zollinger produzieren im Wallis Saatgut von besonderen Gemüsesorten.Zucchetti «Golden Butter», Tomaten «Berner Rosen» oder «Berg-Auberginen» beispielsweise. So schön die Kulturen auf dem Feld oder im Gewächshaus aussehen, Christine und Robert Zollinger interessieren sich in erster Linie für die Samen. Seit 25 Jahren produzieren die beiden Saatgut von seltenen Gemüse-, Kräuter- und Blumensorten. Doch rares Vorkommen alleine reicht als Kriterium nicht aus: «Nur weil eine Sorte alt oder selten ist, heisst das noch lange nicht, dass sie auch gut schmeckt», sagt Robert Zollinger. Deshalb erscheinen im Katalog der Samengärtnerei Zollinger nur Gemüsesorten, die hohe geschmackliche Kriterien erfüllen. Die Samen beziehen vor allem Gemüse-Produzenten, die mit eigenem Gemüse auf die Märkte fahren sowie Hobbygärtner. Die sonst in der Gemüse-Branche üblichen Kriterien «Preis» und «Transportfähigkeit» spielen eine untergeordnete Rolle. Fast alles richtet sich nach dem Geschmack. «Aber natürlich müssen auch der Ertrag und die Anbaueigenschaften stimmen,» sagt Robert Zollinger.

Von der Masse abheben

Die Tomaten in den Gewächshäusern der Samengärtnerei Zollinger landen nicht im Ladenregal sondern vollreif geerntet in der Spezialmaschine, die die Samen aus der Frucht herausfiltriert. Das dabei anfallende Püree ist nur ein netter Nebeneffekt. Der Gang durch die Tomaten-Stauden zeigt, weshalb die Tomaten von Zollingers die Ansprüche von Coop oder Migros nicht erfüllen. Die Früchte der goldgelben «Froschkönigs Goldkugel» beispielsweise haben stark variierende Kaliber. Keine Spur von standardisierten Grössen, wie es der Grosshandel verlangt. «Unser Gemüse muss nicht in einheitliche Verpackungen passen, deshalb ist eine grössere Vielfalt möglich», erklärt Robert Zollinger. Die dunkle Tomatensorte «Schwarze Krim» gleich nebenan verträgt weder Transport noch Lagerung und die dünne Haut reisst schnell. Sie wird nie in einem üblichen Regal des Grossverteilers auftauchen. Filderkraut aus dem süddeutschen Raum ist eine beliebte Kabissorte aus dem süddeutschen Raum.Wer aber einmal einen solchen Tomaten-Salat gegessen hat, der lässt sich von Oberflächlichkeiten nicht ablenken, sondern macht sich Gedanken darüber, wie er möglichst bald wieder zu einem solchen Salat kommen könnte. Der Weg führt ihn entweder auf einen Wochenmarkt oder in den eigenen Garten. Vor allem die kleinen Gemüseproduzenten, die direkt auf den Märkten verkaufen, schätzten die speziellen Samen. Denn es ist für sie eine Gelegenheit, sich durch eine Spezialität von der Masse abzuheben. Offenbar mit Erfolg. Das Qualitäts-Bewusstsein der Leute ändere sich spürbar, sagt Robert Zollinger. Die Kundschaft wachse seit Jahren kontinuierlich. Besonders auch im Bereich der Privatgärten.

Eigene Zuchtlinien ermöglichen Unabhängigkeit

Obwohl die Zollingers mit ihren fünf Angestellten beachtliche 30 Hektaren Fläche bewirtschaften – biologisch versteht sich –  ist für sie klar: «Wir sind keine Bauern, keine Gemüsegärtner, sondern Samenzüchter!» Deshalb ordnet sich alles der Samenproduktion und -selektion unter. Rund 7 Hektaren sind dafür vorgesehen, die restlichen Flächen werden im Rahmen der Fruchtfolge-Rotation genutzt. Das Getreide, der Körnermais und die Kunstwiese sind eigentlich nur Nebenprodukte. Die Plastiktunnels stehen – auf etwas weniger als einer Hektare – in sicheren «Isolationsdistanzen» über den ganzen Betrieb in Les Evouettes verteilt, um Kreuzungen zu verhindern. Dabei verfolgen Robert und Christine Zollinger eigene Zuchtlinien, in dem sie jeweils nur die Samen der besten Gurken, Sellerie oder Randen verwendet. «Die Sorten müssen gepflegt werden, sonst gehen sie vor die Hunde», sagt er. In all den Jahren haben sie sich dabei ein beachtliches Know how angeeignet und einen grossen Bekanntheitsgrad erarbeitet. Das hilft ihnen bei der «Rekrutierung» von verloren gegangenen Sorten. Immer wieder erhalten sie Briefe von Privaten mit alten Samenproben. Auch aus dem Ausland. Die Sorten seien nicht immer brauchbar. Doch die meisten werden einmal ausgesät und begutachtet, wenn auch unter Quarantäne, wie Christine Zollinger betont. Denn in den Samen lauern manchmal Krankheiten, wie beispielsweise die Brennfleckenkrankheit bei Stangenbohnen, die vor Jahrzehnten weit verbreitet waren.

Samen für Spitzbergen

Mit ihrer speziellen Samengärtnerei besetzt die Samengärtner Zollinger eine Nische. Trotzdem verstehen sich Robert und Christine Zollinger durchaus als Widerstandskämpfer gegen das «Sortendiktat» der multinationalen Saatgutkonzerne. Es gehe darum, zu verhindern, dass die guten Sorten allmählich aus den Regalen verschwinden. Ihre Sorten sind alles so genannte offen abblühende Sorten, also keine Hybriden. Deshalb kann sie auch jedermann selbst nachziehen. «Wir wollen unabhängig sein!» sagt Robert Zollinger während er auf dem Feld zu einem Kabis schreitet, mit Köpfen so gross wie ein Baby. Es ist Filderkraut aus dem süddeutschen Raum. Eine Kabis-Sorte, die weder blähe noch penetrant rieche, bemerkt er. Gleich nebenan stehen 50 Sorten Lauch in Reih und Glied. Dabei handelt es sich um einen Versuch im Rahmen des «Nationalen Aktionsplans (NAP)» zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Die meisten Samen stammen aus der Genbank der Forschungsanstalt Agroscope ACW in Changins. Der Betrieb Zollinger legt seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Kommission zur Erhaltung der Kulturpflanzen (SKEK) und der ACW Sichtungsgärten an. In diesem Jahr steht der Lauch im Mittelpunkt. Aufgrund von festgelegten Kriterien entscheidet sich hier, welche Lauchsorten weiterhin in der Genbank aufbewahrt werden. «Am Schluss werden von den 50 wohl noch zwanzig übrig bleiben», sagt Robert Zollinger. Die als erhaltenswürdig eingestuften Sorten werden dann in einem weiteren Projekt im Sinne der Erhaltungssicherung regelmässig auf dem Betrieb Zollinger angebaut und für die Genbank erneuert. Und ein paar Samen davon gehen übrigens auch zur weltweit bedeutendsten Genbank nach Spitzbergen in Norwegen.

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