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Biogasanlagen und Gemüsebau: Je nachdem eine lohnende Partnerschaft

Zwei Gemüsebaubetriebe heizen ihre Gewächshäuser bald mit der Abwärme aus  Biogasanlagen. Mit dieser Wärme nutzen sie ein Energie-Potential, das zurzeit oft noch ungenutzt bleibt.

Biogasanlage Hopöschen in Ruswil LUBiogasanlagen und Gewächshäuser: Das würde eigentlich ganz gut zusammenpassen. Denn die Anlagen produzieren nicht nur Strom sondern auch viel Wärme. Doch ein grosser Teil davon – über 50 Prozent – verpufft ungenutzt ins Freie. Eine Studie des Bundesamtes für Energie untersuchte Möglichkeiten der besseren Abwärme­nutzung in den landwirtschaftlichen Biogasanlagen. Die Beheizung von ganzjährig betriebenen Gewächshäusern beurteilten die Verfasser dabei als «sehr wirtschaftlich». Auch aus anderen Gründen sind Gemüsebaubetriebe bei den Betreibern von Biogasanlagen beliebt: Die auf dem Betrieb anfallenden Gemüseabfälle und Ernterückstände weisen eine hohe Energiedichte auf – deutlich höher als Gülle und Mist beispielsweise –, und sind deshalb sowohl bei den landwirtschaftlichen wie bei den gewerblich-industriellen Biogasanlagen willkommen. Es gibt aber für Gemüseproduzenten noch mehr gute Gründe, die organischen Abfälle in die Vergärung zu geben. Das Gärgut ist ein guter Dünger und Bodenverbesserer. Mit der Rücknahme dieser Substrate schliesst sich der Nährstoffkreislauf wieder. Das Potential wäre beträchtlich: Mit den in der Landwirtschaft anfallenden organischen Abfällen könnten nach Berechnungen von Experten 700 landwirtschaftliche Biogasanlagen in der Schweiz gefüttert werden. Soweit also die Theorie. In der Praxis sieht es anders aus.

Co-Substrate entscheiden

Entscheidend für den Erfolg einer landwirtschaftlichen Biogasanlage ist die regionale Verfügbarkeit von gewerblichen Co-Substraten wie beispielsweise Grüngut, Speiseresten oder eben Gemüserüstabfällen. Ohne diese energiereichen organischen Zusatzstoffe ist eine Hofdünger-Biogasanlage kaum wirtschaftlich zu betreiben, Gemüseabfälle sind in Biogasanlagen willkommendenn Gülle besteht zu einem grossen Teil aus Wasser. Um als Betreiber von einer landwirtschaftlichen Biogasanlage im Rahmen der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) vom finanziell interessanten Landwirtschaftsbonus profitieren zu können, müssen strenge Auflagen erfüllt sein. Den Status «landwirtschaftlich» erhält eine Biogasanlage nur, wenn der Anteil der verwendeten nichtlandwirtschaftlichen Biomasse höchstens 20 Prozent beträgt. Die Rohstoffe aus der Landwirtschaft müssen zudem aus der Region kommen. Dafür erhalten diese Biogasanlagen 15 Rappen mehr pro Kilowattstunde Strom als ihre gewerblich-industriell geführten  Konkurrenten. Diese müssen dafür weniger strenge Vorschriften erfüllen. Deshalb fahren deren Lastwagen mittlerweile auf der Suche nach genug Biomasse ganz legal durchs halbe Land um die grossen Fermenter zu füllen. Den zunehmenden Konkurrenzkampf um die knappen organischen Abfälle spüren auch landwirtschaftliche Anlagen. Manche verlieren von einem Tag auf den anderen langjährige Lieferanten von Co-Substraten an industrielle Grossanlagen, weil diese die Ware kostenlos annehmen. Darunter leiden kleinere Biogasbetreiber, die auf die Einnahmen der Entsorgungsgebühren angewiesen sind. Trotzdem herrscht in der Biogas-Szene eine Art Aufbruchstimmung: «Die Einführung der KEV hat zu einem Schub bei landwirtschaftlichen Biogasanlagen geführt», sagt Stefan Mutzner. Er ist Geschäftsführer von Ökostrom Schweiz, dem Verband der landwirtschaftlichen Biogasanlagenbetreiber. Er schätzt die Zahl der landwirtschaftlichen Biogasanlagen in der Schweiz aktuell auf rund 50. Etwa gleich viele befänden sich in der Planungsphase.

Gewächshaus als möglicher Abnehmer der Abwärme

Nicht jeder Standort ist also ohne weiteres für eine landwirtschaftliche Biogasanlage geeignet. Dazu kommt noch die Suche nach einer sinnvollen Verwendung der Abwärme. Wer diese nutzt, profitiert vom zusätzlichen Wärmebonus, immerhin noch einmal zwei Rappen pro Kilowattstunde. Gewächs­häuser würden sich gut für die Abwärmenutzung eignen. Doch allzu viele von diesen gibt es bekanntlich in der Schweiz nicht. Dass ein Glashaus gleich neben einer Biogasanlage steht – und das müsste es aus technischen Gründen – kommt schon fast dem Gewinn eines Sechsers im Lotto gleich. Bleibt die umgekehrte Möglichkeit, nachträglich ein Gewächshaus in der Nähe zu erstellen. Raumplanerische Hürden schrecken aber viele vor einem Neubau ab. Auf den Zufall hoffen oder ein Gewächshaus neu bauen ist also angesagt. Der Gemüsebaubetrieb Blaser in Ruswil und der Biogemüseproduzent David Maurer in Diessbach bei Büren machen es vor.

Abwärme für das Gewächshaus

Seit letztem Sommer brummen unweit der Gewächshäuser des Gemüsebaubetriebs der Gebrüder Blaser in Ruswil LU die Generatoren der Biogasanlage «Hopöschen». Der Idealfall aus Sicht der Abwärmenutzung. Man befinde Hans und Paul Blaser sich im ersten Betriebsjahr und sammle noch Erfahrungen, sagt Paul Blaser, Hauptaktionär und Betriebsleiter der Anlage. Sein  Viehbetrieb liegt in unmittelbarer Nähe zum Gemüsebetrieb von seinen Cousins und liefert Mist und Gülle in die Anlage. «Den ersten Winter nutzten wir die Abwärme noch vorwiegend für die Beheizung unserer Wohngebäude», erklärt Paul Blaser. Doch das soll sich bald ändern: «Der grösste Teil der Wärme soll ab dem Herbst im Gewächshaus des Gemüsebaubetriebs verwendet werden». Dessen Bewirtschafter Hans Blaser ist zusammen mit seinen Brüdern Mitaktionär der Biogasanlage. Die Gemüseproduzenten finanzieren dabei alle Bauten, die für die Nutzung der Wärme nötig sind. Hans Blaser rechnet mit Kosten von rund 200 000 Franken. Die Rohre sollen nächstens verlegt und ein Wärmespeicher mit einer Kapazität von 80 m3 gebaut werden. Rund 500 000 kWh Wärme sollen künftig von nebenan kommen, was einer Menge von immerhin 50 000 m3 Gas entspreche. «Wir haben berechnet, dass wir den bisherigen Erdgasverbrauch in den Gewächshäusern um einen Drittel senken können», sagt Hans Blaser. Die Kosten für die Wärme aus der Biogasanlage liegen rund einen Drittel unter dem üblichen Gaspreis. Ins «System» rein liefert der Gemüsebaubetrieb rund 200 Tonnen Rüstabfälle pro Jahr, die zusammen mit Mist, Gülle und ausserlandwirtschaftlichen Co-Substraten wie Glycerin, Kaffeesatz oder zurzeit gerade verdorbene Erdnüsse vergärt werden. Für die Hauptversorgung der Anlage mit Mist und Gülle sorgen die vier anderen als Aktionäre beteiligten Landwirte sowie rund 30 weitere bäuerliche Zulieferer. Täglich verbraucht die Biogasanlage im Schnitt zehn bis zwölf Tonnen Mist und 30 m3 Gülle. Die Dickgülle wird nach der Vergärung in festen Mist und Dünngülle – auch bekannt als Press­wasser – separiert.

Kampf ums Gärgut

Viel verspricht sich Gemüseproduzent Hans Blaser von der Nutzung des vergorenen, feinen Separatmistes auf seinem Betrieb. Bisher habe man die Rüst- und Grünabfälle kompostiert. «Allerdings nicht sehr professionell», sagt er selbstkritisch. Das soll sich nun mit dem vergorenen Mist ändern. Neben der Abgeltung für den Bezug der Wärme finanziert sich die Biogasanlage vor allem über den Verkauf von Strom. Im Rahmen der KEV erhält die Anlage pro kWh 38,8 Rappen ausbezahlt. Inklusiv Landwirtschaftsbonus und Wärmebonus von 2,5 Rappen pro kWh. Die auf 100 Kilowatt Leistung ausgelegte Anlage soll bei einer Laufzeit von 8000 Stunden im Jahr rund 800 000 kWh Strom produzieren. In der Anlage in Ruswil bezahlen die Lieferanten von Mist und Gülle eine «Entsorgungsgebühr», wenn sie das vergorene Material nicht zurücknehmen. «Mit den Nährstoffbilanzen muss alles in Ordnung sein», sagt Paul Blaser. Und das ist durchaus nicht unproblematisch im mit Nährstoffen überversorgten Kanton Luzern. Überschüssige vergärte Masse, die die Nährstoffbilanz sprengt, muss der Betreiber der Anlage zurzeit kostenaufwändig in andere nährstoffärmere Kantone liefern. Dabei muss Paul Blaser froh sein, wenn er überhaupt etwas für das eigentlich kostbare Gärgut erhält: «In anderen Kantonen wartet niemand auf unseren Dünger».

Biogasanlage auf dem Gemüsebaubetrieb

Besser haben es die Bauern, die ab diesem Herbst die Biogasanlage auf dem Gemüsebaubetrieb Maurer in Diessbach bei Büren mit Mist und Gülle versorgen. In der Region ist die Nährstoffsituation ausgeglichen. «Wir holen die Ware auf den Höfen kostenlos ab und führen sie nach der Vergärung auch wieder zurück», erklärt David Maurer. Noch steht die Biogasanlage zwar nicht. Doch nach 4-jähriger Planungszeit werden die Bagger Gemüseproduzent David Maurernun endgültig auffahren. Die Zeit drängt: Im Herbst soll die Biogasanlage den Betrieb aufnehmen. Dank der KEV sind – wie der Name es sagt – die Kosten von 3,2 Millionen Franken für die Anlage gedeckt. «Mindestens so wichtig wie der Strom ist für mich aber die Nutzung der Wärme in den Gewächshäusern», sagt David Maurer. Der Biogemüsebetrieb kann künftig rund einen Drittel der für seine 2,5 Hektaren Unterglasfläche benötigten Wärme von der eigenen Biogasanlage beziehen. Er spart dadurch nach eigenen Angaben immerhin rund 100 000 Liter Heizöl pro Jahr ein. Die Baugenehmigung erhielt er bereits vor zwei Jahren. Eine Biogasanlage in der Landwirtschaftszone wird gemäss Raumplanungsgesetz nur dann zugelassen, wenn höchstens 50 Prozent der Co-Substrate aus nichtlandwirtschaftlichen Quellen stammt. Davon ist man in Diessbach weit entfernt: «Wir verwerten rund 60 Prozent eigenes Material wie Rüstabfälle oder Grünschnitt, den Rest liefern uns Landwirte aus der Region in Form von Gülle und Mist», sagt David Maurer. Weil er im Gewächshaus die Abwärme nutzt, profitiert die Biogasanlage auch hier vom Wärmebonus.

Mehr Ausdauer brauchte er, um die Bewilligung für den Bau des 1,5-Hektaren grossen Gewächshauses zu erhalten. «Das war ein Riesentheater. Sogar eine Umzonung war schliesslich nötig», sagt Maurer kopfschüttelnd. Schwieriger als erwartet gestaltete sich zudem die Suche nach Geldgebern, obwohl der Bund im Rahmen der KEV während 20 Jahren einen kostendeckenden Stromabnahmepreis garantiert. Mit der Alpiq EcoPower AG aus Olten und der Group E Greenwatt SA aus Granges-Paccot (FR) stiegen schliesslich zwei Unternehmen aus der Energiebranche als Aktionäre und Investoren ein. Beide sind Tochterunternehmen von Strom­anbietern und haben sich auf die Produktion von erneuerbaren Energien spezialisiert. David Maurer selbst ist Minderheitsaktionär und Betriebsleiter der Biogasanlage: «Die Wärme kaufe ich der Aktiengesellschaft zu einem attraktiven Preis ab», erklärt David Maurer. Projekte wie in Diessbach dienen den Strom-Mutterkonzernen nicht nur als Image-Träger: Es geht wohl auch um die Beschaffung von CO2-Zertifikaten, die in Zukunft bei der Stromproduktion wichtiger werden könnten. Der Gemüsebaubetrieb Maurer passe gut ins Konzept, sagt Jacques Dutoit, Projektverantwortlicher bei Greenwatt SA: «Die Gemüseabfälle sind als Inputstoff sehr willkommen.» Und natürlich sei es ein grosser Vorteil, dass die Abwärme zum Beheizen der Treibhäuser genutzt werden könne. Seine Firma sei in etwa zehn weitere ähnliche Projekte involviert. Allerdings sei Diessbach das einzige, bei dem die Abwärme für ein Gewächshaus genutzt werde, so Dutoit.

Preise drücken auf Qualität

Gemüseproduzenten, die sich direkt an Biogasanlagen beteiligen, sind noch rar. Einer der wenigen ist Stefan Britschgi, der zusammen mit zwei anderen Landwirten in Widnau die «rhy biogas ag» betreibt. Im Unterschied zu den erwähnten Anlagen speist diese Anlage nicht Strom sondern Biogas ins Netz ein. Ein grosser Teil der Substrate besteht aus Grün- und Gemüseabfällen. Im «St. Galler Bauer» beklagte Britschgi, dass er zurzeit vor allem den Co-Substraten nachrennen müsse. Ein weiterer Hinweis darauf, dass das Angebot an organischem Material knapp ist. Doch des einen Leid ist des anderen Freud: Nicht wenige Gemüseproduzenten liefern näm­lich ihre Rüstabfälle als Co-Substrate in gewerblich-industrielle Anlagen. Wenn sie dafür weniger oder gar nichts mehr bezahlen müssen, ist das für sie positiv. Einige beziehen allerdings von den gleichen Anlagen wieder vergorenes Material oder Press­wasser. Inwiefern sich der Preiskampf um die Co-Substrate schlussendlich negativ auf deren Qualität auswirkt, wird die Zukunft zeigen.

www.biomasseenergie.chwww.oekostromschweiz.ch

Gemüseabfälle: Co-Substrat oder nicht?

Gemüsereste gelten als landwirtschaftliche Biomasse, wenn es auf dem eigenen Landwirtschaftsbetrieb verarbeitet wird. Als (gewerbliche) Co-Substrate gelten Gemüsereste, wenn die Verarbeitung nicht auf dem Landwirtschaftsbetrieb stattfindet, sondern in einem Gemüseverarbeitungsbetrieb. Im zweiten Fall «belas­ten» die Gemüseabfälle in landwirtschaftlichen Biogasanlagen das zugelassene Kontingent der erlaubten ausserlandwirtschaftlichen Co-Subs­trate, von maximal 20 Prozent. (Quelle: Richtlinie kostendeckende Einspeisevergütung (KEV))

KEV

Seit dem 1. Januar 2009 profitieren Produzenten von erneuerbaren Energien (Wasserkraft, Biomasse, Wind, Geothermie und Photovoltaik) von der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Dabei garantiert der Bund über 20 Jahre einen fixen kostendeckenden Stromabnahmepreis. Die entsprechenden Tarifvergütungen bewegen sich je nach Anlagetyp (gewerblich oder landwirtschaftlich) und Grösse bei Biogasanlagen zwischen 17 und 41 Rp./kWh. Wegen der grossen Nachfrage war das zur Verfügung stehende Kontingent des Bundes innert kürzester Zeit ausgefüllt. Seither wird eine Warteliste geführt. Einige nicht KEV-berechtigte landwirtschaftliche Biogasanlagen verkaufen ihren Strom auf dem freien Markt. Die Vermarktung läuft über die Genossenschaft Ökostrom Schweiz.

PDF zum Artikel in der Fachzeitschrift „Der Gemüsebau“ (Mai 2010)

Veröffentlicht in Blog

2 Kommentare

  1. Kleemann Kleemann

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    aufgrund einer Anfrage von einem Bürgermeister von einer Stadt in der Türkei suchen für einen Gemüseanbaubetrieb, der bereit ist seine Tätigkeiten auszuweiten und auch zu verlagern in die Türkei.

    Grundflächen für große Gewächshausanlagen werden zur Verfügunggestellt.

    Strom-, Wasser-, Wärmeversorgung ist gewährleistet. Sollten Sie uns einen Gemüseanbaubetrieb benennen können, der bereit ist sich in der Türkei zu expantieren, bitten wir um Kontaktaufnahme.

    Fördermittel von Seiten des türkischen Staates werden gewährleistet. Das Grundstück befindet sich nicht in der Osttürkei sondern im Westbereich der Türkei. Die Infrastrukturanforderungen sind gut.

    Gerne erwarten wir Ihre Kontaktaufnahme, sollten Sie uns bei der Vermittlung behilflich sein.

    HKL GmbH ist bereits seit einigen Jahren in der Türkei mit einer Niederlassung vertreten und verfügt über exzellente Kontakte.

    Mit freundlichen Grüssen

    Dipl.-Ing. H. Kleemann

  2. Burgener Rudolf Burgener Rudolf

    Diese Biogasanlage in Ruswil von Heinrich und Paul Blaser war eine der ersten Biogasanlagen, der Schweiz die aus Jauche und Mist Gas gewonnen wurde. Inzwischen gibt es in der Schweiz unzählige. Blasers sind da Pioniere gewesen.

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