Zum Inhalt springen →

Die Karotten auf dem Weg nach unten?

An einer interkantonalen Fachtagung diskutierten Experten und Produzenten über die Herausforderungen im Schweizer Karottenanbau. Tiefe Preise, neue Konkurrenz aus dem kriselnden Getreideanbau oder die vermehrt auftretende dritte Möhrenfliegen-Generation waren unter anderem die Themen. Im Anschluss kamen die Karotten-Produzenten in den Genuss von diversen Maschinenvorführungen.

Die Karotte ist so etwas wie das Sorgenkind der Gemüsebranche: Die Preise sanken in den letzten Jahren nahezu ins Bodenlose. Die Neuvergabe von Lieferrechten sorgt für hitzige Diskussionen unter den Produzenten. Und in den Regalen taucht die Karotte immer häufiger in lieblosen 2-Kilogramm-Säcken im Billigsegment auf. «Wir müssen aufpassen, dass die Karotte nicht zur orangen Kartoffel abgewertet wird», sagte Hansruedi Rauchenstein vom Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg in seinen Einführungssätzen zur Tagung «Herausforderungen im Karottenbau» im aargauischen Waltenschwil. Die Fachstellen Gemüse der Kantone Aargau, Bern und Zürich luden die Produzenten Anfang August zur interkantonalen Fachtagung mitten ins «Rüebliland» auf den Betrieb von Roland Steimen ein. Woher der Beiname des Kantons kommt ist übrigens nicht restlos geklärt und gründet auf historischen Legenden. Aktuell werden im Kanton 144 Hektaren angebaut, was ihm nur den fünften Rang hinter Bern (307 ha), St. Gallen (220 ha), Thurgau (207 ha) und Zürich (167 ha) einbringt. Bei den Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten zählt das «Rüebli» seit Jahren zusammen mit der Tomate zu den beliebtesten Gemüsen überhaupt. Der allergrösste Teil der Karotten stammt dabei aus einheimischer Produktion, was die Bedeutung der Kultur für die hiesige Gemüsebranche zusätzlich unterstreicht.

Bisher anständige Preise

Pascal Toffel vom Verband Schweizerischer Gemüseproduzenten (VSGP) hatte gute Nachrichten für die zahlreichen anwesenden Produzenten: «Zurzeit sind die Preise für frische Karotten gut!» Er sei zudem zuversichtlich, dass die Lagerkampagne nicht allzu schlecht ausfallen werde. In seinem Referat bestätigte er, dass tatsächlich immer mehr Karotten in den Billigkanal geliefert würden. Er warnte aber davor, den Schwarzen Peter voreilig dem Detailhandel zuzuschieben: «40 Prozent des Gemüsekonsums erfolgt über andere Kanäle wie Spitäler, Gastronomie oder Engrosmärkte.» Und dort seien die bezahlten Preise oft sogar noch tiefer. Ausserdem könnte bald neue Konkurrenz aus den anderen Landwirtschaftsbereichen entstehen wie dem Getreideanbau, der sich in einem schwierigen Umfeld befinde. Er muss es wissen, denn er ist desig­nierter Direktor der Getreide-Branchen­organisation Swissgranum und wird dieses Amt im Herbst antreten. Der Gemüsebau biete vergleichsweise immer noch gute Verdienstmöglichkeiten. Und das könnte den einen oder anderen Getreideproduzenten dazu verleiten, vor der Gerste noch ein paar Karotten anzubauen. Zurzeit  steige die Gemüseanbaufläche auch deshalb eher an, sagte Toffel. Der Verband werde sich aber vor allem für die Profi-Gemüseproduzenten und nicht für diese Ackerbaubetriebe einsetzen. Natürlich sprach Pascal Toffel auch über das Dauer-Thema «Marktöffnung». Gerade die Karotte profitiert zurzeit von einem ganzjährigen Grenzschutz. Fällt dieser weg, sieht Toffel schwierige Zeiten auf die Branche zukommen. «Mit Swissness alleine wird die Karotte nicht zu retten sein!», sprach er Klartext.

Die ideale Karotte

Melanie Martens von Steffen-Ris zeigte auf, was ihr Arbeitgeber unter dem idealen Rüebli versteht. Karotten sollten wenn möglich nur von erster Grösse sein sowie eine gerade zylindrische Form und vor allem eine gut abgestumpfte Wurzelspitze haben. Sie wies auf die wichtige Funktion der Produzenten hin. «Die Produktion legt den Grundstein  für die Qualität und letztendlich den Markterfolg», sagte die Qualitätsmanagerin Lagergemüse von Steffen-Ris. Sie stellte im letzten Jahr übrigens vermehrt Reibschäden bei den Karotten fest. Die grosse Herausforderung sieht sie vor allem in der Bestimmung des richtigen Erntezeitpunktes. Und hier würde ihre Firma Hilfe anbieten. Vor allem mit Stichproben vor der Ernte könne das optimale Reifestadium bestimmt werden, sagte sie.

Cees Verbree von Monsanto stellte in seinem Referat die Züchtungsziele seiner Firma vor. Er startete mit einigen Ausführungen zum weltweiten Gemüseanbau. 54 Millionen Hektaren sind es weltweit, davon befinden sich 44 Prozent in China; die Schweiz kommt auf einen Anteil von 0.03 Prozent. Die Karotte besetzt weltweit nur gerade drei Prozent der Flächen, führend sind hier mit 14 Prozent die Tomaten gefolgt von Zwiebeln und Wassermelonen mit je 10 Prozent. Die Schweiz besetzt innerhalb der Karottenanbauflächen nur gerade 0.12 Prozent. Aus Sicht von weltweit tätigen Zuchtfirmen ist das natürlich nur ein Mini-Markt. Die Züchtungsziele gingen laut Cees Verbree heute vor allem in Richtung Nettoertrag, Uniformität und Bruchfestigkeit. «Schuld daran» ist die starke Mechanisierung, die in den letzten Jahren bei den Karotten eingesetzt hat. Interessanterweise sind Eigenschaften wie Krankheitsresistenz oder Geschmack eher in tieferen Prioritätsstufen untergebracht. Trotzdem sei Resistenz gegen Bodenpathogene oder beispielsweise Mehltau und Alternari dauci wichtige Zuchtziele, sagte Cees Verbree. Entsprechende Sorten seien bereits im Angebot. Verbree bezeichnete die Kombination von Bruchfestigkeit und Feuchtigkeit als eine der grossen Herausforderungen der künftigen Karottensaatgutzucht.

Dritte Generation Möhrenfliege

Martin Keller vom Beratungsring Gemüse in Ins forscht seit vielen Jahren an der Möhrenfliege. Der Schädling sorgt immer wieder für Schäden in Karotten, was zu empfindlichen wirtschaftlichen Einbussen führen kann. Martin Keller weiss, wo sich die Möhrenfliege besonders gerne aufhält. Die Insekten finden sich zur Paar­-ung in windgeschützten Büschen, Häusern oder leichten Erhebungen im Karottenfeld. Und Möhrenfliegen sind alles andere als Eintagsfliegen: Mit einer Lebenszeit von 3 bis 14 Tagen leben sie relativ lange. Entsprechend viel Zeit bleibt für die Eiablage an der Karotte. Der Befall der Hauptwurzel erfolgt drei bis vier Wochen nach der Eiablage. In den letzten Jahren hatte man die Bekämpfung der Möhrenfliege relativ gut im Griff. «Die Bekämpfung mit einem Granulat bewährte sich bei zwei Generationen», sagte Martin Keller an der Tagung. Das Problem sei aber, dass zunehmend drei Generationen im gleichen Jahr auftreten würden. Die Granulatbehandlung führe in diesem Fall nicht mehr zum Ziel. Die einzige wirksame Antwort auf den Befall seien dann Spritzbehandlungen. Bei der Prävention wies Martin Keller auf die Bedeutung der Feldhygiene hin. «Wenn Karottenres­te mit der dritten Generation von Möhrenfliegen auf dem Feld liegen bleiben ist der Befall im Frühling besonders gross», sagte der Möhrenfliegen-Experte. Verschieden sind je nach Generation auch die Bekämpfungsschwellen. Martin Keller empfahl ab einer Fliege pro Falle eine Spritzung. Wirksam seien dabei vor allem Pyrethroide. Mengen von 600 bis 800 Litern pro Hektare, ausgetragen zu den Flugzeiten der Fliege am frühen Abend, hätten sich in der Vergangenheit bewährt, sagte er weiter.

Doch gerade zum Thema Applikationstechnik von Pflanzenschutzmittteln lieferte der letzte Tagungs-Referent Jacob Rüegg von der ACW Extension Gemüse interessante Denkanstösse. Vor allem bei der richtigen Dosierung stellten sich ihm überraschend viele offene Fragen. Die Industrie mache zwar jeweils gute Versuche. «Doch leider werden jeweils die Blattvolumen nicht berücksichtigt». Das mache die richtige Dosierung schwierig, sagte der Experte. Es mache ein Unterschied, ob das Karottenkraut eine Höhe von 13 cm oder 50 cm  aufweise. Im zweiten Fall sei die Blattfläche schliesslich viel grösser. Trotzdem sei die Dosierung in beiden Fällen die Gleiche, sagte Rüegg. Die Wirkstoffmenge pro Flächeneinheit nehme also mit dem Wachstum der Pflanze deutlich ab. Mit diesen nur scheinbar trivialen Erkenntnissen schloss er den Reigen der Referenten ab.

Präsentationen von Maschinen, die Besichtigung eines Sortenversuches sowie Demonstrationen von Spezialmaschinen auf dem Feld rundeten den interessanten Nachmittag ab.

Veröffentlicht in Blog

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Sie wollen mich persönlich kennenlernen?

eppenberger-media gmbh
David Eppenberger
Winkelstrasse 23
CH-5734 Reinach AG
Fon ++41 (0)62 771 02 91
Mobile ++41 (0)78 779 17 19
info@eppenberger-media.ch
MwSt-Nr. CHE-114.677.787