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Der Esel – ein Symbol für Demut (LID-Mediendienst, 18. Dezember 2003)

Mediendienst Landwirtschaftlicher Informationsdienst, 18. Dezember 2003

Der Esel – ein Symbol für Demut

Der Esel schleppt seit über 6’000 Jahren die Lasten der Menschen. In der Schweiz wird das Tier vor allem als Freizeittier gehalten. Die artgerechte Haltung ist anspruchsvoll und wird vielerorts leider vernachlässigt.

Es gibt kaum ein Tier, das mehr mit Weihnachten in Verbindung gebracht wird als der Esel. Zu Beginn des Monats schleppt er die mit Nüssen und Früchten gefüllten Säcke der Samichläuse zu den Kindern. Vor den Weihnachtstagen wird er dann gerne inEsel lebenden Weihnachtskrippen eingesetzt. Der Esel soll zusammen mit einem Ochsen an der Krippe des .Jesuskindes gestanden sein, obwohl dies in der Bibel so gar nicht geschrieben steht. Die romantischen Bilder stehen im Widerspruch zur Realität, die sich vielen der rund 4’000 Eseln in der Schweiz bietet. Gekauft als Freizeitgefährten oder als Dekoration für den Bauernhof fristen die Esel oft ein gar nicht artgerechtes Dasein in kleinen Ställen und auf feuchten Böden.

Eines der ältesten domestizierten Tiere

Ursprünglich stammt der Esel aus trockenen Gebieten in Afrika. Der vom Aussterben bedrohte afrikanische Wildesel lebt heute noch in kleinen Verbänden mit bis zu zehn Tieren und ernährt sich dort vom kargen Nahrungsangebot, das der Boden hergibt. Esel sind ausgezeichnete Futterverwerter, denen wenig nährstoffarmes Heu oder Streu ausreichen. Der Esel zählt zu den ältesten domestizierten Tierarten überhaupt und wird in vielen ärmeren Ländern heute immer noch zum Tragen und Ziehen von Lasten eingesetzt. In der Schweiz transportieren die Esel allenfalls noch das Gepäck von Touristen bei Trekkingtouren. „Bei uns stirbt ein Esel eher an Langeweile als an Erschöpfung“, sagt Erna Schmid vom Eselhof „Merlin“ in Hüttikon ZH. Im Rahmen ihres vor sieben Jahren ins Leben gerufenen Vereins „Esel in Not“ betreibt sie eine Pflegestation für Esel, die von ihren Besitzern nicht mehr gehalten werden können.
Der Esel passt eigentlich nicht in die Schweizer Landschaft. Was er braucht, sind magere Wiesen, trockene Unterlagen, einen windgeschützten Ort zum Schlafen und einen Kameraden, damit es ihm nicht langweilig wird. Ein Schaf- oder eine Rinderherde dienen nur beschränkt als „Ersatz-Gespan“, weil Esel andere Bedürfnisse haben als die bei uns üblichen Bauernhoftiere wie Kühe, Schafe oder Pferde.

Ideale Bedingungen im Wallis und Graubünden

Eine ideale Umgebung finden Esel auf dem Betrieb von Simon Bohnet vor, der in Mörel VS unterhalb des Aletschgletschers Esel züchtet und gewerbsmässig Trekkingtouren organisiert. „Mit ihrem kontinentalen, trockenen Klima und der steppenartigen Landschaft bilden viele Regionen in den Kantonen Wallis und Graubünden ideale Standorte für die Eselhaltung“, erklärt Simon Bohnet. Sein Stall ist nach den speziellen Bedürfnissen von Eseln mit separatem Fressplatz und hartem Untergrund konstruiert
worden. Im Mittelland würden Esel aus Unwissenheit immer wieder ganztägig auf nährstoffreichen Fettwiesen geweidet, sagt er. „Als Folge leiden die Tiere an Übergewicht und Stoffwechselkrankheiten.“ Bohnet rät den Haltern im Unterland, die Esel nicht länger als zwei Stunden pro Tag auf die Weide zu lassen. Auch sollten sie daran denken, dass die Hufe des Esels an einen harten Untergrund angepasst sind. Auf den weichen Weiden wachsen ungepflegte Hufe schnell schnabelförmig nach vorne und führen oft zu irreparablen und schmerzvollen Schäden. Spätestens dann läutet bei Erna Schmid das Telefon. Jährlich nimmt sie 30 Esel von überforderten Leuten auf.

Hilfe für Esel

epp. Als Erna Schmid vor einigen Jahren einen Esel kaufte, wurde ihr klar, dass es nur wenige Leute gab, die über die Bedürfnisse der Tiere wirklich Bescheid wussten. Auf der Suche nach mehr Informationen stellte die neugierige Frau dann fest, dass es viele Esel gab, die unter sehr schlechten Bedingungen leben mussten. Zusammen mit der Stiftung „Humanatura“ und der Schweizerischen Interessengemeinschaft Eselfreunde (SIGEF) gründete sie deshalb 1997 den Verein „Esel in Not“. Der Verein bietet in allen Fällen Hilfe an, wo Esel aufgrund von Krankheit, Tod des Halters oder bei Tierschutzfällen schnell umplatziert werden müssen. In Bütschwil SG und Concise VD betreibt der Verein zwei Aufnahmestationen. In Zwillikon ZH und Hüttikon ZH stehen zwei Pflegestationen für die schweren Fälle. Der Verein verkauft die Esel an geeignete Plätze, die Käufer verpflichten sich dabei schriftlich, die Tiere artgerecht zu halten. Der Verein finanziert sich über Gönner und Spenden.

Nur anspruchslos bei der Nahrungsaufnahme

Landläufig gelten die Esel als gutmütige, pflegeleichte Zeitgenossen, deren Haltung kaum etwas kostet. Erna Schmid winkt aber ab: „Der Unterhalt für einen Esel ist nicht billiger als für ein Pferd“. Hufe müssen gepflegt und der Stall täglich ausgemistet werden. „Der verhältnismässig tiefe Anschaffungspreis täuscht darüber hinweg, dass mit Kosten von täglich mindestens rund zehn Franken gerechnet werden muss“, erklärt Schmid. Das ergibt rund 3’600 Franken im Jahr. Spontankäufe kommen auch bei den Eseln immer noch vor, etwa als Reittier für die minderjährige Tochter. Damit ein Esel sich reiten lässt, muss er aber wie ein Pferd ausgebildet und trainiert werden. Dafür fehlt manchem Hobbyhalter dann doch die Zeit. Die Tiere geraten nach der ersten Begeisterung in Vergessenheit, trotten jahrelang einsam in einer Rinderherde mit oder landen im schlimmsten Fall sogar beim Metzger. Dem Verein „Esel in Not“ gelingt es allerdings immer wieder, solche Esel bei geeigneten Eselliebhabern zu platzieren.

Kreuzungsprodukt Esel

Auf dem Eselhof in Hüttikon tummeln sich über 20 Esel unterschiedlichster Grösse und Farbe. Darunter befinden sich auch Maultiere, das Kreuzungsprodukt von Eselhengst und Pferdestute, oder ein eher seltenes Exemplar eines Grossesels. In eigentliche Rassen lassen sich nur noch wenige Tiere einordnen. Mit der zunehmenden Mechanisierung in der Landwirtschaft verloren Esel und Maultiere ihren Stellenwert. Damit verschwand auch das Interesse an der Zucht von rassenreinen Tieren. Die Vorfahren der heute in der Schweiz lebenden Esel wurden ursprünglich aus vielen Ländern eingeführt und mehr oder weniger willkürlich durcheinander gekreuzt. Entstanden ist ein Gemisch von französischen, spanischen, grossen, kleinen, braunen, schwarzen und gescheckten Eseln. Die Esel werden deshalb in der Schweiz einfachheitshalber nicht nach Rassen, sondern nach der Grösse in Zwerg-, Normal- und Grossesel eingeteilt. Ein eigentlicher Zuchtverband existiert nicht, einzig die Schweizerische Interessengemeinschaft Eselfreunde (SIGEF) vertritt die Interessen der Esel. Sie setzt sich die Führung eines Herdebuches zwar zum Ziel, macht aber zurzeit vor allem Information und Beratung. Die Zucht liegt heute in erster Linie in den Händen von Hobbyhaltern. Bei diesen sollten die Tiere mit Vorteil auch gekauft werden, da der Werdegang des Tieres besser verfolgt werden kann. Einen schlechten Ruf geniessen gewerbsmässige Händler. Einige sind darunter, die ganze Ladungen von schlecht gehaltenen und ernährten Tieren aus südosteuropäischen Ländern importieren, und zu tiefen Preisen anbieten.

Trekking und Wächter

In den Kantonen Tessin und Wallis gibt es so etwas wie eine Eselstradition. Dort wurden Esel früher zusammen mit Maultieren als Lasttiere im Gebirge eingesetzt und das Fleisch wie in Italien wohl auch in Salami verwendet. Heute enthält die Salami in der Regel nur kleine Anteile Eselsfleisch, die nicht deklariert werden müssen. Im Rahmen des Wolf-Projektes Schweiz ist zudem die Erprobung des Einsatzes von Eseln zum Schutz von Schafherden vor Wölfen und anderen Wildtieren geplant. Letzteres zeigt, dass der Esel nicht so dumm ist, wie es im Volksmund immer wieder zum Ausdruck gebracht wird. In seiner über 6’000 Jahre währenden Geschichte musste das gutmütige Tier viel Leid ertragen. Häufig bezieht der Esel nach getaner Arbeit und Schlepperei in armen Ländern auch heute noch nur Prügel. Mit stoischer Ruhe erträgt das Tier alle Qualen. Deshalb steht der Esel auch als Symbol für die Demut.

www.eselfreunde.chwww.esel-aletsch.ch

Veröffentlicht in Blog

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