Deutscher Gemüse-Fachmann sieht kaum Chancen für Schweizer Exporte.
Schweizer Rüebli in der EU? Die Gemüseproduzenten sind bekanntlich wenig optimistisch, was die Exporttauglichkeit ihrer Produkte anbetrifft. Hans-Christoph Behr, Gemüse-Experte von der Zentralen Markt und Preisberichtstelle ZMP in Bonn (D), konnte die Zweifel nicht aus dem Weg räumen. Er sprach am Mittwoch an der gemeinsam von der Agridea, ACW und LZ Liebegg organisierten Tagung „Trends im Gemüsebau“ in Villigen AG über mögliche Exportchancen von Schweizer Gemüse in der EU.
Anhand der Beispiele der noch relativ jungen EU-Mitglieder Polen und Österreich zeigte er zwar auf, dass die Marktöffnung in diesen Ländern keine „revolutionären“ Änderungen in der EU-Gemüsebranche und in den beiden Ländern selbst gebracht hätten. „Die Schweiz ist natürlich in punkto Marktabschottung aber schon ein Unikum“, stellte Behr die Vergleichstauglichkeit der Länder mit der Schweiz gleich selbst in Frage. Bezüglich des oft als Argument gegen den Freihandel verwendeten höheren Schweizer Lohnniveaus meinte Behr, dass die Rolle der Lohnhöhe in den Diskussionen um Standortvorteile überschätzt würde. Häufig seien tiefere Löhne mit einer niedrigeren Produktivität gepaart: „Die Lohnkostenbelastung pro Stück kann in einem Niedriglohnland sogar höher sein“, sagte Behr. Und entscheidend seien schliesslich die Produktionskosten.
Premium ist kein Allheilmittel
Behr verglich in seinem Referat die Gemüsepreise in Deutschland und der Schweiz und zeigte einmal mehr das bekannte Gefälle auf. „Mit Massenprodukten werden Sie mit Ihrem Gemüse sicher keinen Erfolg in Deutschland haben“, richtete Behr deshalb deutliche Worte an die Tagungsteilnehmer. Aber mit was dann? Mit den oft genannten Premium-Produkten? Behr winkte ab, da Deutschland diesbezüglich ein Entwicklungsland sei. „Es gibt kaum Händler, die überhaupt über zwei Referenzprodukte verfügen“ sagte er. Und gerade das obere Preissegment sei oft nur dünn besetzt. 53 Prozent des Frischgemüses würde in Deutschland bei Discountern abgesetzt. In Grossbritannien sei der Markt für Hochpreis-Produkte eventuell besser. Allerdings leide dort im Moment wegen der Finanzkrise gerade der Absatz von Premium-Marken besonders stark.
Auf Inlandmarkt konzentrieren
Immerhin einen Hoffnungsschimmer weckte Behr doch noch: Im Biobereich könne die Schweizer Produktion mit der Deutschen preislich noch am ehesten mithalten. Grundsätzlich sei es aber fraglich, ob die „Swissness“ im Bereich von Gemüse in Europa überhaupt ein taugliches Verkaufsinstrument sei. „Viele in Deutschland denken dabei eher an Schokolade und an Käse, aber kaum an Gemüse.“ Schweizer Gemüse-Produzenten würden sich besser auf den Inlandmarkt konzentrieren, schloss Behr seine Ausführungen ab.
Viele Produzenten im Saal fühlten sich durch diese Worte bestärkt in ihrer Meinung, dass Agrarfreihandel und Schweizer Gemüse halt wirklich nicht zusammenpassen. Man müsse jetzt zusammenstehen und sich mit allen Kräften gegen den Freihandel wehren, nahm Pascal Toffel vom Verband Schweizerischer Gemüseproduzenten (VSGP) den Steilpass seines Vorredners auf. Die Studie der Uni St. Gallen habe gezeigt, dass der Produktionsrückgang von Inlandgemüse bei einem Freihandelsabkommen dramatisch sei. Man könne zwar für die verlorenen Mengen nach Absatzmöglichkeiten auf Nischenmärkten in der EU suchen, sagte Toffel weiter. Doch das sei nur Theorie!
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