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Die «Kosmetikbauern» verbreiten den Duft der Schweiz

Neun Oberaargauer Bauern stellen aus Kräutern und Tannennadeln ätherische Öle her. Mit den eigenen Kosmetikprodukten der Natur-Pflegelinie Suissessence haben sie in kurzer Zeit die Drogerien in der ganzen Schweiz erobert.

Fritz Hess von suissessenceVorsichtig öffnet Fritz Hess die Glasflasche mit dem gelblichen Zitronenmelissenöl und atmet die entweichenden Dämpfe ein. Er schliesst kurz die Augen, wer weiss was er jetzt sieht: Schweizer Landschaften, eine Blumenwiese oder gar einen Wald? Nie hätte der Bauer aus Wangen an der Aare gedacht, dass er dereinst ein Näschen für feine Düfte entwickeln würde. Da lag ihm der derbe Stallgeruch doch bedeutend näher. Bis an jenem bereits legendären Abend im zur Sauna umfunktionierten Bienenhaus in seinem Garten. Fritz Hess kippt den Aufguss auf die heissen Steine, der Dampf mit dem finnischen Fichtengeschmack macht sich breit. Er und seine Kameraden fragen sich urplötzlich: «Können wir diesen Duft eigentlich nicht selbst herstellen?» Die Gespräche dauern bis weit in die Nacht hinein. Die Idee lässt sie schliesslich nicht mehr los. Schon so manches hatte der neugierige Fritz Hess in früheren Jahren angerissen. Doch dieses Projekt mit den Düften aus Schweizer Kräutern war auch für ihn absolutes Neuland. Er macht sich in Büchern schlau und kann mehrere Bauernkollegen in der Region überzeugen mitzumachen. Jeder bringt ein paar Aren Land ein. Keiner von ihnen hat je Kräuter angebaut, geschweige denn ein Öl daraus hergestellt.

Im letzten Moment

Fritz Hess kauft sich eine kleine Destillationsmaschine und führt erste Versuche mit Fichtennadeln aus dem nahen Wald durch. Es gelingt, die Essenzen riechen ansprechend. Der Duft der Schweiz ist geboren. Für sie ist aber klar: Sie wollen den Fehler ihrer Väter nicht wiederholen, die Jahrzehnte lang nur rohe Milch in der Dorfkäserei ablieferten und die Veredelung anderen überliessen. Die Wertschöpfung sollte in ihrem Fall ganz bei den Bauern bleiben. Doch die Produktion der Schweizer Essenzen ist teuer. Viel teurer als die Massenware aus Sibirien, wie Fritz Hess und seine Leute feststellen müssen. Das Projekt ist auf der Kippe. Gerade noch rechtzeitig erfährt die Aromafachfrau und Biologin Brigitte Schulthess von der Idee der Bauern aus dem Oberaargau. Sie weiss: ätherische Öle aus der Schweiz, das gab es bisher nicht. Und das macht sie neugierig. Im Auftrag der mittlerweile neun Bauern entwickelt sie erste Muster von Kosmetikprodukten. Als Fettbasis dient einheimisches Rapsöl, auch das ein Novum bei Hautpflegemitteln. Das war im Jahr 2006.

Pflegelinie hat Erfolg

Nicht einmal drei Jahre später zeigt der Blick in den Promotionsraum im ehemaligen Schopf auf dem Hof von Fritz Hess, dass die Geschichte gut ausgegangen ist. Dort stehen nun die kleinen Glasfläschchen mit den wertvollen ätherischen Ölen aus Melisse, Lavendel, Schafgarbe, Pfefferminze, Douglasien oder Fichtennadeln. Daneben beleuchten die Spots die modern gestalteten Tuben, gefüllt mit Fuss- oder Handcrème, Duschgel, Pflegelotion und Körperölen. Da steht sie also die Natur-Pflegelinie Suissessences der Oberaargauer Bauern, die sich mittlerweile zur gleichnamigen Genossenschaft zusammengeschlossen haben. An der Wand hängt die Urkunde des Agropreises, den die Suissessence-Bauern nur ein Jahr nach der Lancierung der ersten Produkte erhielten. «Wir versorgen die Kosmetikbranche mit Schweizer Landwirtschaft vom Feinsten!» sagt Fritz Hess mit der Überzeugung, die er auch an vielen Promotionsanlässen in Drogerien im ganzen Land an den Tag bringt. Der jeweilige Tapetenwechsel zwischen Kuhstall und Drogerie liegt ihm. Die gute Stimmung wirkt sich positiv auf die Verkäufe aus. Im ersten Jahr erzielte Suissessence einen Umsatz von 200’000 Franken. Grosse Löhne können sich die Bauern zwar noch nicht auszahlen. Nur schon die Werbung oder die Erstellung von Drucksachen kostet viel Geld. Auch die Tuben müssen anständig aussehen, das Abfüllunternehmen und der Versand bezahlt sein. Doch die Verkäufe der Pflegeprodukte aus der Schweizer Landwirtschaft entwickeln sich gut. «Wenn es so weitergeht, kann aus dem Nebenerwerb einmal ein richtiges Standbein für die beteiligten Betriebe entstehen», ist der 55-jährige Fritz Hess überzeugt.

Klare Aufgabenteilung

In der Genossenschaft mit dem Stammkapital von 70’000 Franken hält jeder der neun Bauern gleich viele Anteile. Die Aufgaben sind klar zugeteilt: Fritz Hess ist Geschäftsführer und verantwortlich für die Destillierung. Ein Bauer produziert den Raps, zwei andere sind für die Beschaffung der Kräuterstecklinge zuständig, einer für die Logistik, einer für den Messebau, ein weiterer für den Online-Shop und zwei für die Beschaffung von Fichten- und Douglasiennadeln aus dem Wald. Alle Genossenschaftsmitglieder bauen Kräuter an, von Lavendel, Zitronenmelisse bis zur Rosenminze. Alle müssen zudem an Messen Frondienste leisten. Zur Gruppe dazu kommen eine angestellte Aussendienstmitarbeiterin und die Frau von Fritz Hess, die die Buchhaltung führt. Nicht zu vergessen ist Brigitte Schulthess, die neue Produkte jeweils im Auftrag entwickelt.

Show-Destillieren vor Publikum

Bei Genossenschafter Andreas Fankhauser – ein paar Kilometer vom Betrieb von Fritz Hess entfernt -, blüht zurzeit der Lavendel. Gemeinsam mit Fritz Hess riechen sie an den blauen Blüten. Sie sind sich einig: der Lavendel ist bald reif für die Ernte. In der Hauptsaison mietet die Genossenschaft eine fahrbare Destillieranlage. In der kleineren Show-Anlage zeigt Fritz Hess zudem interessierten Gruppen während des ganzen Jahres, wie das wertvolle Öl hergestellt wird. Das gehört zum Marketing-Konzept. Die frische Ware kippt er in einen grossen Kessel, die er erhitzt. Der Dampf kondensiert und fliesst danach in einen Auffangbehälter, wo das Öl von der übrigen Flüssigkeit getrennt wird. Die Erträge sind klein: «Aus einer Hektare Zitronenmelisse entstehen zwischen 2 und 2,5 Liter Öl», erklärt Fritz Hess. Abgerechnet wird nicht wie in der Landwirtschaft üblich in Tonnen oder Litern, sondern in Milliliter.

Ein Projekt für die nächste Generation

Trotz Erfolg und grossem Medieninteresse – das Schweizer Fernsehen dreht zurzeit eine Dokumentation über das Projekt –, ist der Verdienst für die beteiligten Bauern noch gering, ein absoluter Nebenerwerb halt. Man ist immer noch in der Aufbauphase. «Der Gewinn wird laufend investiert», erklärt Fritz Hess. Und die Ziele bleiben hochgesteckt: «Was Ricola bei den Bonbons, wollen wir bei den Pflegeprodukte werden». Suissessence ist für ihn ein Zukunftsprojekt in für die Landwirtschaft unsicheren Zeiten, das auch künftigen Generationen Perspektiven bietet. In kurzer Zeit haben sich die «Kosmetikbauern» aus dem Oberaargau ein beachtliches Knowhow angeeignet und Respekt verschafft. Das zeigt auch der neuste Coup. Die grosse Hotelkette Swissôtel hat Suissessence damit beauftragt, einen speziellen Duft für ihre Häuser in der ganzen Welt zu entwickeln. Die Landesgrenzen hat der Duft der Schweiz also damit bereits überschritten.

www.suissessences.ch

Veröffentlicht in Blog

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