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Eine Nische in der Nische: Fische aus dem Bioteich (LID-Mediendienst, 5. 9. 2002)

Der Fischkonsum steigt in der Schweiz. Doch nur ein geringer Teil des konsumierten Fisches stammt aus einheimischen Fischzuchten. Mit Hilfe der Bioknospe wollen einige der Fischzüchter ihre Chancen erhöhen.
Manch einer wundert sich bei Griff in die Fischtruhe über das Bio-Label, das auf der Forellenpackung klebt. Viele Konsumentinnen und Konsumenten gehen nämlich immer noch davon aus, dass die Fische in erster Linie aus natürlichen Seen, Flüssen oder aus dem Meer gezogen werden. Doch weltweit wachsen die Fische immer häufiger in so genannten Aquakulturen auf. Und diese werden nach den Prinzipien eines Bauernhofs geführt: Die Mutterfische liefern Eier, welche mit dem Sperma der Männchen – im Fachjargon Milch genannt – befruchtet werden. Die geschlüpften Jungtiere leben dann in Teichen, wo sie regelmässig Futter erhalten. Nach ein paar Monaten erreichen sie die Schlachtreife. Die Fische aus den rund 50 grösseren Schweizer Fischzuchten stehen in Konkurrenz zu den Importfischen, die den überwiegenden Teil des Schweizer Konsums decken. Nur gerade drei bis fünf Prozent der jährlich verspeisten rund 55,000 Tonnen Fische stammen aus einheimischen Seen oder aus den Zuchten.

Grössere Bestände, höheres Krankheitsrisiko

Die Haltung von Speisefischen ist nicht unproblematisch, wie Untersuchungen von Kantonschemikern zeigten, die Anfang Jahr publiziert wurden. Laut den Ergebnissen enthält jeder sechste Fisch aus Schweizer Zuchten zu hohe Rückstände von Arzneimitteln. Die Haltung in zu dichten Beständen begünstigt das Auftreten von Krankheiten und Parasiten. Diese müssen dann mit Medikamenten und Chemikalien behandelt werden. Besonders umstritten ist der krebserregende Stoff Malachitgrün, den Fischzüchter gegen Pilze und Parasiten einsetzen.
Eine andere Möglichkeit, Krankheiten und Parasiten zu vermindern, ist die Fischproduktion nach Biorichtlinien. Einer der mittlerweile acht Schweizer Biofischproduzenten ist August Nadler in Rohr AG. Wenn er seine Kisten mit den Regenbogenforellen in der Coop-Verteilzentrale in Basel abliefert, dann haben diese ein mehr oder wenig glückliches Fischleben hinter sich. Nadler zählt zusammen mit der Fischzucht am Blausee zu den Pionieren der biologischen Fischhaltung in der Schweiz. „Dank der längeren Lebenszeit von mindestens 18 Monaten und dem tieferen Fettgehalt im Futter ist das Fleisch meiner Forellen fester und schmackhafter als das Fleisch von Tieren aus den konventionellen Zuchten“, zeigt sich August Nadler überzeugt. Viel ändern musste er an seiner Anlage nicht, nachdem er sich zur Umstellung entschlossen hatte. Die Richtlinien der Bio Suisse schreiben tiefere Bestandesdichten vor als in den herkömmlichen Zuchtanlagen. Seine Fische lebten schon immer in verhältnismässig grosszügigen Becken mit eher tiefen Beständen. Mit der biologischen Produktion sah Nadler eine willkommene Gelegenheit gekommen, sich von der Konkurrenz abzugrenzen.

Biolachs aus Irland

de. Der Schweizer Grossverteiler Coop führt seit diesem Jahr neben Bioforellen aus dem Inland auch Biolachs in seinem Sortiment. Die Fische stammen aus Clare Island an der Westküste Irlands. Dort schwimmen die Lachse in riesigen Käfigen in der Meeresbucht, wo sie in vergleichsmässig wenig dichten Beständen innerhalb von zwei Jahren ihr Schlachtgewicht erreichen. David Baird hat die Biofarm vor acht Jahren in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Biolandbauverband „Naturland“ ins Leben gerufen.
Im Vergleich zu den industriellen Anlagen in den Fjorden Norwegens, dem weltweit grössten Lachsanbieter, haben die Lachse auf Clare Island mehr Bewegungsfreiheit: „Wir haben hier praktisch keine Krankheiten, was mit den tiefen Bestandesdichten und der guten Wasserqualität zusammenhängt“, erklärt der ehemalige Meeresbiologe Baird. Das Futter stammt mehrheitlich aus Fischabfällen aus dem menschlichen Konsum. Um die oft beklagte Überdüngung des Meeresgrundes mit überschüssigem Futter zu verhindern, prüfen Taucher die effiziente Verwertung des Futters. Rund 1‘500 Tonnen Bio-Lachs werden vor der Küste Irlands jährlich produziert. „Mit den Massen verglichen, die aus den Hauptproduktionsländern geliefert werden, belegen wir damit eine absolute Nischenposition“, erklärt der Verkaufsleiter der Irish Seafood Producers Group (ISGP), Marcel Buker. Doch diese füllt die Organisation vorzüglich aus, die übrigens auch konventionellen Lachs vermarktet. In die Schweiz liefert die ISPG rund vier Prozent ihrer Produktionsmenge. Die Tendenz ist insbesondere im Biobereich steigend. In diesem Jahr rechnet David Baird mit einer Erntemenge von 2‘000 Tonnen.

Die Biorichtlinien schreiben ferner vor, dass Medikamente nicht präventiv oder zum Zweck der Wachstumsförderung eingesetzt werden dürfen. Mindestens zwei Drittel ihres Lebens müssen die Fische auf dem Biobetrieb verbracht haben, damit sie mit dem Knospen-Label verkauft werden können. Noch bis ins Jahr 2005 ist ausserdem der Zukauf von Jungfischen aus konventioneller Produktion möglich, danach müssen auch diese aus Biobetrieben stammen. Die Fische profitieren bei der biologischen Bewirtschaftung von vorgeschriebenen Rückzugsmöglichkeiten und Unterständen in den Teichen, die das artgerechte Verhalten der Fische begünstigen.

Ist Bio-Fischzucht eine Qualzucht?

Die Fachleuten sind sich über den Sinn der ökologischen Produktionsmethode im Fischereibereich uneinig. Manche sind sogar der Meinung, dass die biologische Fischzucht aufgrund der längeren Lebenszeit der Tiere letztlich eine Mehrbelastung für das Ökosystem darstelle. Oft wird zudem der Gehalt und die Qualität des Futters kritisiert. Rolf König, Präsident des Verbandes Schweizer Fischzüchter, schreibt auf dessen Website: „Wenn der Forelle das Fischmehl verweigert wird, wie dies Bio Suisse propagiert, wird sie nicht mehr natürlich ernährt, was einer Qualzucht gleichkommt.“ Dem widerspricht Cadio Pericin von der Bio Inspecta, welche die Betriebe kontrolliert: „Das eingesetzte zertifizierte Futter besteht zu einem sehr grossen Anteil aus Fischmehl, das bei der Verarbeitung von Fischen für den menschlichen Konsum anfällt.“

Nische in der Nische

Der Fischkonsum steigt in der Schweiz stetig an und liegt zurzeit bei rund acht Kilogramm pro Kopf und Jahr. Nur ein kleiner Teil stammt aus Schweizer Zuchten. Mit einem Boom in der einheimischen Fischproduktion ist trotzdem nicht zu rechnen. Die Fangerträge aus den Seen nehmen seit Jahren ab und die Produktion in Zuchtanlagen ist sehr anspruchsvoll und benötigt sehr spezielle äussere Gegebenheiten. So ist beispielsweise nur an ganz wenigen Orten sauberes Wasser in grossen Mengen vorhanden, was für die erfolgreiche Fischzucht grundlegend ist. „Zudem verlangt das Gastgewerbe immer weniger frischen Fisch aus der Schweiz und weicht auf ausländische Fische aus“, beklagt Hermann Spiess vom Kundelfingerhof in Diessenhofen. Der langjährige Fischzüchter aus dem Thurgau sieht aber in der biologischen Fischproduktion durchaus eine positive Sache. Er selber hat sich auch schon überlegt, ob er seine Zucht umstellen soll: „Da wir heute schon mit relativ tiefen Beständen arbeiten, wäre das wohl nur ein geringes Problem.“ Inzwischen baut er übrigens an der ersten Karpfenzuchtanlage der Schweiz, die in etwa zwei Jahren ihren Betrieb aufnehmen soll.

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