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Gemüse garantiert ohne Rückstände

Die konsequente Anwendung neuer Technologien steht beim französischen Label «zéro résidu de pesticides» im Zentrum. Von der Entwicklung pflanzenschutzmittelreduzierender Anbaumethoden profitiert die ganze Gemüsebranche.

Der Weg zum Gemüsebaubetrieb von David Dubois in La Planche führt vorbei an viel Plastik. Wie ein grosser See reflektieren die Minitunnel hier 20 Kilometer südlich von Nantes jetzt im April das Licht der Frühlingssonne. Hier wächst das Gemüse der Zukunft. Das glaubt zumindest das Kollektiv «Nouveaux Champs» von französischen Gemüse- und Obstproduzenten, das im letzten Jahr das Label «Zéro Résidu des Pesticides» (ZRP) ins Leben gerufen hat. Es garantiert dem Konsumenten, dass in den Produkten keine Pflanzenschutzmittelrückstände über der technisch möglichen Nachweisgrenze von 0.01 Milligramm pro Kilogramm vorhanden sind. Je nach Kultur werden bis zu 800 aktive Wirkstoffe untersucht. Immerhin 33 Unternehmen mit mehr als 3000 Produzenten machen im Kollektiv mit, es repräsentiert zehn Prozent der gesamten französischen Gemüse- und Obstproduktion. In diesem Jahr sollen 30 000 Tonnen Gemüse und Obst mit dem ZRP-Label verkauft werden.

ZRP soll sozusagen zur dritten Kraft neben konventionellem und biologischem Anbau werden. Das Prinzip: Das geerntete Gemüse oder das Obst wird vor der Auslieferung von einem zertifizierten Labor auf Null-Rückstände geprüft, und der Überwachungsplan mit den durchgeführten Analysen beigelegt. Am Label teilnehmende Gemüsegärtner müssen ein Audit über sich ergehen lassen, das überprüft, ob er die Voraussetzungen erfüllt sowie ein Pflichtenheft für die ZRP-Produktion unterzeichnen. Die Einhaltung wird kontrolliert. Der ZRP-Anbau ist durchaus speziell, wie das Beispiel von David Dubois zeigt. Der Gemüseproduzent bewirtschaftet 60 Hektaren Gemüseanbauflächen, davon 45 Hektaren im Freiland. Er vermarktet seine Ware über die Genossenschaft Oceane, in der über 70 Gemüsegärtner aus der Region Nantes zusammengeschlossen sind.

Grüne, rote und schwarze Listen

David Dubois verkauft 13 Prozent seines Gemüse mit dem ZRP-Label.

Tomaten machten letztes Jahr im ZRP-Sortiment den Anfang. Dass man diese in modernen Gewächshäusern ohne chemischen Pflanzenschutz anbauen kann, überrascht die Fachleute weniger. Grösser sind die Herausforderungen aber im Freiland. David Dubois beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Nullrückstände in Gemüse. Er weiss deshalb ziemlich genau, wie sich Pflanzenschutzmittel verhalten, welche Rückstände wo und wann auftreten können. Das Kollektiv führt dazu eigene Listen: Eine grüne mit Mitteln, die nur unproblematische biologisch aktive Stoffe enthalten wie beispielsweise Trichodermapilze oder Orangenöl. Auf der schwarzen Liste stehen Wirkstoffe, die strikt nicht angewendet werden dürfen, wie beispielsweise das Fungizid Signum. Die rote Liste führt amtlich zugelassenene Spritzmittel auf, die nur unter bestimmten Umständen verwendet werden durfen, dazu gehört bei einigen Kulturen auch der im Biolandbau zugelassene Wirkstoff Spinosad. «Unsere Untersuchungen zeigten, dass Spinosad oft Spuren von Rückständen hinterlässt», erklärt Dubois. Rote-Liste-Mittel dürfen also angewendet werden, allerdings nur unter ganz speziellen Bedingungen, abhängig von den vorgeschriebenen Wartefristen und der Kultur. «Es gibt beispielsweise Herbizide, die im Nüsslisalat nicht nachgewiesen werden können, in Folgekulturen aber sehr wohl», sagt Dubois. Deshalb müssten ZRP-Produzenten die Mechanismen der Pflanzenschutzmittel sehr genau kennen. Innerhalb des Kollektivs bestehen verschiedene Arbeitsgruppen, welche die Listen laufend weiterentwickeln. Es gebe aber auch Gemüse, deren Anbau unter ZRP-Bedingungen praktisch unmöglich sei, wie beispielsweise Rucola.

Mehr Technologie

David Dubois mischt auch im Freiland laufend Sand in den Boden ein.

 Das Label ZRP setzt auf den Einsatz von krankheitstoleranten Sorten. Dubois sieht in der Anwendung von neuen Technologien viel Potenzial, wie beispielsweise dem Anbau in Minitunneln im Freiland. Rund 1500 Euro pro Hektare kosten ihn das Material und das Aufstellen der Anlage, die durchgehend mit Bewässerungsschläuchen ausgestattet ist. «Mit diesen kann ich die Wasserabgabe steuern und gezielt düngen», erklärt er. Eine optimale Bewässerung führe zu weniger Feuchtigkeit im Boden und somit zu weniger Krankheiten. Zudem schützt der Plastik die Kultur vor einer möglichen Kontamination mit Herbiziden, die Dubois manchmal zwischen den Reihen einsetzt. «Mit dem Anbauverfahren brauche ich übrigens beispielsweise beim Lauch nur noch halb so viel Wasser und Dünger wie früher». Zudem sei der Ertrag bei dieser Kultur nun auch höher.

David Dubois hat extra ein Gewächshaus gebaut für die Produktion von Feldsalat nach ZRP-Kriterien.

Von Optimismus zeugt seine Investition in das Foliengewächshaus mit Schattierungsschirm für den Anbau von ZRP-Nüsslisalat im Sommer. Eine Sonde misst permanent den Feuchtigkeitsgehalt im Boden und ermöglicht so eine optimale Bewässerung und reduziert so präventiv den Krankheitsdruck. Die Vorkultur brennt er mit einem Gasbrenner ab, die verkohlten Reste sammelt eine spezielle Maschine ein und bringt sie aufs Getreidefeld. «Kompostierung wäre ein zu grosses Risiko wegen der möglichen Verschleppung von Pflanzenschutzmitteln auf dem Betrieb», erklärt Dubois. Zusätzlich dämpft er die Flächen einmal im Jahr mit dem eigenen 150 000 Euro teuren Gerät, das dafür 3000 Liter Diesel pro Hektare verbraucht. Der Boden wird zudem in der ganzen Region seit Generationen üblicherweise jedes Jahr mit neuem Sand aufgemischt. Schliesslich ist man nicht weit vom Meer entfernt. Im Freiland braucht Dubois 50 Tonnen, im Gewächshaus 30 Tonnen pro Hektare. Damit erneuert sich der Boden laufend, was gegen bodenbürtige Krankheiten hilft. Zudem sei der feine Sand gut für die Ernte und wirke präventiv gegen Regenschäden, sagt Dubois.

Was bringt das Label?

Die Lancierung des ZRP-Labels sorgte in der Branche nicht nur für positive Reaktionen. Setzt ein Produzent Mittel von der «schwarzen» Liste ein – bei zu starkem Krankheitsbefall beispielsweise – wird das Gemüse zwar von der ZRP-Produktion gestrichen, kann aber als «normale» konventionelle Ware vermarktet werden. Damit werden die Risiken eines Totalverlustes für den Gemüseproduzenten reduziert. Aus Sicht der Kommunikation ist das eine schwieriger Fall: Eigentlich kann man nicht absolut Pestizid-freie Ware mit gesundheitlichen Argumenten propagieren und dann gleichzeitig vermeintlich minderwertige konventionelle Ware verkaufen, die diese strengen Kriterien nicht erfüllt. Für Gilles Bertrandias, Präsident des Kollektivs «Nouveaux champs», ist das kein Widerspruch: ZRP sei in Frankreich ein neues Label wie Bio oder das «Label Rouge», das für einen besonderen Geschmack stehe, sagt Bertrandias. Diese bestünden ja auch schon seit langem neben dem üblichen Gemüseangebot. So werde es auch bei ZRP sein. Das Label werde eine Nische bleiben, das sich an eine Kundschaft wende, die bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln besonders beunruhigt sei.

Ökologischer Nutzen wird hinterfragt

Kritiker aus Konsumentensicht bemängeln den ökologischen Nutzen, weil im Anbau trotzdem Pestizide angewendet werden. Und dass ganze Landschaften unter Plastik verschwinden, passt irgendwie auch nicht so richtig zum suggerierten Bild, obwohl der Plastik zu 100 Prozent wiederverwertet werde, wie Dubois versichert. Zudem gehöre Plastik auf den Gemüsefeldern in Nantes seit Jahrzehnten zum Ortsbild, und störe niemanden mehr.

Die Zukunft wird zeigen, ob sich das Label ZRP durchsetzt. Der Gemüsebau dürfte aber auf jeden Fall von den neu entwickelten pflanzenschutzmittelreduzierenden Anbaumethoden profitieren. Und das ist nötig, denn in Frankreich steht der chemische Pflanzenschutz – wie in der Schweiz – stark in der Kritik.

 

www.nouveaux-champs.fr

www.oceane.tm.fr

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