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Grossflächiger Getreideanbau ohne Hof- und Kunstdünger

         

romania-titelSchweizer Auswanderer zeigen in Rumänien, dass viehloser Anbau ohne Düngerzufuhr von aussen und ohne Pflug funktioniert. Im Zentrum stehen dabei ein spezieller Grubber für die Bodenbearbeitung und die Gestaltung der Fruchtfolge. Dass die Parzellen im Vergleich zur Schweiz riesig sind, kommt dem extensiven Anbau entgegen.

Drei Monate ohne Regen bei Temperaturen oft über 30 Grad: Für viele Bauern im Westen von Rumänien war dieser Sommer eine Katastrophe. Die Maiserträge brachen regelrecht ein. Die hier in den letzten Jahren aufgekommene kapitalintensive Produktion reagiert sensibel auf Ernte-Schwankungen. Dabei ist es üblich, Dünger und Saatgut auf Pump zu kaufen. Bei 5000 Hektaren sind das stolze Beträge. Und Betriebe dieser Grösse sind in dieser Region häufig. Ist die Ernte zu tief, wird die finanzielle Situation schnell ernst. Hohe Preise an den globalen Getreidebörsen als Folge der Knappheit sind dann nur noch ein schwacher Trost.

Verbrauchte Böden aufbauen

Auch in Firiteaz war es trocken im letzten Sommer. Doch im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen hat Christian Häni wenig Grund zum Klagen. «Wir haben die Trockenheit recht gut überstanden», sagt der vor acht Jahren mit seiner Frau Natacha ausgewanderte Schweizer. Für ihn ist klar weshalb: «Dank extensiver Bewirtschaftung und schonender Bodenbearbeitung ist unser Boden wohl fitter als andere und kann die Feuchtigkeit besser behalten.» Er und seine Frau führen den 800 Hektaren grossen viehlosen Betrieb heute zusammen mit seiner Schwester Katharina und dessen Mann Andreas Sigrist. Alle sind ausgebildete Agronomen und wollen der Welt zeigen, was sie unter einer nachhaltigen Landwirtschaft verstehen. Die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit steht bei ihnen an erster Stelle. Anstatt auf den Düngersack setzten sie von Beginn an auf Gründüngung und Fruchtfolge, auf schonende Bodenbearbeitung statt Pflug sowie auf bio statt konventionell. Dabei ging es in den ersten Jahren vor allem darum, den Boden nach Jahren des Brachliegens oder sonstiger Misswirtschaft wieder aufzubauen. «Unser Boden war in der ersten Phase wie ein Sanatorium für Bodenlebewesen», sagt Christian Häni. Bis ein verbrauchter Boden wieder so richtig lebe, brauche es Geduld. Wenn er dann soweit ist haben sich Bodenbakterien und Pilze wieder vermehrt, Regenwürmer übernehmen das Zepter und der Boden bekommt Struktur.

Extensive Getreideproduktion

Nach der mittlerweile achten Anbausaison zeigt sich: Das System funktioniert. «Bis heute haben wir noch keinen Sack Dünger auf unseren Flächen ausgebracht», sagt Häni. Trotzdem sind die Getreideerträge auf den mittelschweren bis schweren Böden konstant und betragen durchschnittlich zwischen 1,5 bis 2 Tonnen pro Hektare. Und damit lässt sich bei diesen Flächenkalibern gut leben. Zum Vergleich: Auf 60 Hektaren erntet Häni durchschnittlich mindestens 90 Tonnen Weizen. Unter Schweizer Bedingungen wären dafür im normalen ÖLN-Anbau mindestens 15 Hektaren nötig, im Biolandbau sogar über 20 Hektaren. Weil in Rumänien die Parzellen nicht nur gross sondern auch noch günstig sind, geht die Rechnung für Hänis extensive Produktion auf. Pachtzinsen muss er keine Zahlen. Denn der Vater von Christian und Katharina – er wohnt mit seiner Frau auch im Dorf –, hat dem Sohn und der Tochter sowie deren Ehepartnern die Flächen gekauft und zur Bewirtschaftung überlassen. Die Arbeitskräfte sind günstig: Die fünf fest angestellten einheimischen Mitarbeiter verdienen brutto rund 600 Euro im Monat. Das sind ideale Voraussetzungen für das langfristig angelegte Projekt.

text2Trotzdem will Häni das etwas falsche Bild korrigiere, das hier entstehen könnte: «Wir zahlen uns rumänische Löhne aus und müssen mit diesen hier auskommen». Und der Treibstoff sei beispielsweise etwa gleich teuer wie in der Schweiz. Auch die Administration kostet, beispielsweise die Kontrollen von Bio Suisse. Da die Schweizer Nachfrage nach Biogetreide nicht ausreichend mit Schweizer Ware gedeckt werden kann, kommt das Knospen-zertifizierte Biogetreide aus dem Banat nämlich gerade recht. 60 bis 70 Prozent der Ernte wird zu anständigen Preisen an zuverlässige Partner in der Schweiz verkauft. Von den unberechenbaren Berg- und Talfahrten der Preise auf den globalen Getreidebörsen bleiben sie deshalb weitgehend verschont. Für ungeschälten Dinkel erhielten sie in diesem Jahr nach Abzug der Transportkosten 33 Euro pro Dezitonne ausbezahlt.

Organisches Wachstum

Der Ertragsseite steht in Firiteaz eine bewusst schlanke Kostenstruktur gegenüber. «Wir verfolgen eine Low-Input-Strategie», sagt Christian Häni. Dazu passt der Verzicht auf den Pflug: Mit der auf dem Betrieb verfolgten reduzierten Bodenbearbeitung liessen sich massiv Maschinenkosten einsparen. Gekauft wird nur, was man sich leisten kann. Teure Kredite für glänzende Hightech-Mähdrescher sind tabu, in der Maschinenhalle stehen viele Occasionen. Wie beispielsweise der allradgetriebene russische Traktor Kirowez K-700 aus DDR-Beständen als Zugmaschine für die Scheibenegge. Ein organisches Wachstum wird angestrebt: «Der Gewinn wird laufend in den Betrieb reinvestiert.» Seit fünf Jahren schreibt dieser schwarze Zahlen, was in Rumänien nicht so oft der Fall ist. Und Häni ist überzeugt, dass es so bleiben wird: «Meine Bioprodukte kann ich langfristig günstiger anbauen als meine konventionell produzierenden Nachbarn.» Sein Schlüssel zum Erfolg: weniger Maschinen, keine teuren Kunstdünger oder Pflanzenschutzmittel, aneinanderliegende grosse Landparzellen und eigenes Saatgut.

romania_textNur oberflächlich grubbern

Im Zentrum der Bodenbearbeitung steht bei Häni das Weco-Dyn System, ein spezieller Grubber, den Friedrich Wenz sowie die deutschen Firma EcoDyn schon vor bald zwanzig Jahren entwickelten. Das einfache Gerät besteht aus einem Grundrahmen mit vier Querbalken. An speziellen Halterungen können die Schnellwechselscharen in Breiten von 36, 10 und 5 cm montiert werden. Das Gerät schält den Boden nur oberflächlich und geht nicht tiefer als 5 bis 6 cm. Christian Häni setzte von Begin weg auf das System von Wenz. «Am Anfang brauchte es ein bisschen Geduld, bis alles einwandfrei funktionierte», sagt er. Der Einsatz des Systems auf so grossen Flächen wie in Firiteaz war ja auch neu. Heute weiss er, wie er die Stützräder einstellen muss und wann der Arbeitswinkel und die Tiefe stimmen. «Ist das Gerät einmal eingestellt, kann der Traktorfahrer eigentlich fast nichts mehr falsch machen.»

Bevor der Grubber zum Einsatz kommt, werden abgeerntet Parzellen jeweils mit der Scheibenegge befahren. Damit werden Ernterückstände und die in dieser Gegen häufig vorkommende Brombeere zerkleinert und so nicht zum Problem für den Grubber. Häni hat das System zudem mit einem Säkasten ausgestattet. «Wir säen so viel wie möglich damit.» Damit wird die Parzelle bei der Aussaat noch einmal einer ganzflächige Unkrautbekämpfung unterzogen. Vor allem die Quecke gilt nämlich als Problemunkraut. Das Saatgut wird hinter der Schälschare auf den Boden abgelegt. Ein Striegel am hinteren Ende des Rahmens sorgt dafür, dass der Mulch die Saat richtig abdeckt und nicht zum Problem wird. Häni ist fasziniert vom einfachen System und dessen Langlebigkeit, die ganz in seinem Sinne ist. Drei Geräte stehen bei ihm im Einsatz, in den verschiedenen Arbeitsbreiten von 2.15, 3 und 4 Metern. Je nach Anforderungen und Bodenbeschaffenheit setzt er breite oder schmale Scharen ein. «Diese Flexibilität ist Gold wert.»

Klee anstatt Mist

In viehlosen Betrieben sind stickstoffbindende Leguminosen in der Fruchtfolge bekanntlich die Düngerlieferanten. Dass ein solches System ohne jegliche Düngerzufuhr von aussen funktioniert hat das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl) auch in einem mehrjährigen Pilotversuch in Thônex bei Genf gezeigt. Für Starkzehrer wie Mais oder Kartoffeln ist in einer Fruchtfolge dieses Systems eher kein Platz. Getreidebetonte Fruchtfolgen wie in Firietaz eignen sich besser. Auf zwei Jahre Weissklee folgen dort drei Jahre mit Getreide. Auf den unkrauttoleranten Klee folgen üblicherweise Weizen, Hafer oder Gerste sowie Roggen oder Dinkel in Mulchsaat. Der Weizen stehe am Anfang, weil er besonders hohe Ansprüche an Stickstoff stelle. «Falls der Klee nicht optimal gewachsen ist starten wir mit dem etwas anspruchsloseren Dinkel», sagt Christian Häni. Den Klee streut Häni mit dem Lehner-Streuer direkt in den Roggen ein, dank dessen Beschattung er sich dann besonders gut entwickelt und nach der Roggen-Ernte bereits zwischen den Reihe steht. Meistens verwendet Häni Winterfrüchte, nur schon aus Gründen der Bodenbedeckung. «Winterfrüchte gelingen in diesem Klima besser». Denn trotz durchschnittlichen Niederschlagsmengen von 500 bis 600 Milliliter kann es im Frühling sehr trocken sein. Da hilft es, wenn die Kultur schon steht. Eine Ausnahme macht er allerdings bei Hafer, wo er im Herbst grubbert, damit der Boden im Frühling gut abtrocknet. Von Krankheiten und Schädlingen sind sie bis jetzt weitgehend verschont geblieben. «Das System reguliert sich von selbst», ist Häni überzeugt.

Peluschken-Erbse mit Roggen

Natürlich pröbelt Häni laufend mit neuen Kulturen. Ein Hirseversuch zeigte in diesem Jahr ziemlich gute Resultate. Zudem hat er eine neue Gründüngungskultur als Alternative zu Klee entdeckt: Peluschken-Erbse in Mischkultur mit Roggen, der als Stützfrucht dient, an der die Erbsen hochwachsen. Beide Kulturen werden gemeinsam geerntet und anschliessend mechanisch getrennt. Peluschken können als Soja-Ersatz in der Tierfütterung eingesetzt werden. Häni denkt aber vor allem daran, damit seine Fruchtfolge auf acht Jahre zu verbreitern. Mit zwei weiteren Getreide-Jahren nach dem Peluschken/Roggen-Gemisch bevor dem Boden mit der Kleewiese die nötige Ruhepause gegönnt wird.

Gelebte Nachhaltigkeit

Zu Beginn ernteten die Einwanderer aus der Schweiz von ihren Nachbarn oft ein Kopfschütteln. «Mittlerweile staunen sie aber, wenn bei uns der Dinkel schön auf dem Acker steht während sie bei auf ihren kleinen Parzellen mit mageren Erträgen und hohen Düngerkosten kaum vom Fleck kommen», sagt Häni. Mancher habe schon gesagt, dass sie es nun auch wie sie machen werden. «Um dann doch wieder zu den ihnen vertrauten Methoden zu greifen.» Vor allem als Arbeitgeber sind die Hänis im Dorf geschätzt. «Unser Ziel ist es, hier Arbeitsplätze zu schaffen». Er blickt zuversichtlich in die Zukunft und fühlt sich mit seiner Familie wohl in Rumänien. Er denkt sogar schon daran, dass dereinst seine Kinder das Projekt weiterführen könnten. Die Voraussetzungen wären gut. «Der Boden liefert eigentlich alles, was es zum Leben braucht.»

Betriebsdaten

  • Kulturen/Flächen: 120-150 ha Dinkel, 60 ha Weizen, 60 ha Gerste, 80-90 ha Roggen, 20-25 ha Hafer, 100 ha Ökoausgleichflächen, 300 ha Leguminosen als Gründüngungskulturen (Klee, Peluschke).
  • Maschinen: 3 Traktoren, 1 Mähdrescher, 3 Grubber EcoDyn, Scheibenegge, Mulchgerät, Kirowez K-700.
  • EU-Subventionen (pro ha): 150 Euro Flächenbeitrag + 150 Euro für biologische Produktion
  • Andere Produktionszweige: Kräuteranbau für eigene Teemischungen und Senfproduktion auch zur Direktvermarktung.

Veröffentlicht in Blog

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