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Mit der Packgeiss auf Wanderschaft (Willisauer Bote, 7. Juli 2006)

Ziegenböcke eignen sich bestens als Last-Tiere für Wanderungen über Stock und Stein. Christian Golfetto und Sandra Egli haben dies erkannt und bieten Trekking-Touren mit ihren Packgeissen an.

Das Problem ist vielen Wanderern bekannt: Die Route ist genau geplant, Schlafsack und Verpflegung im Rucksack verstaut. Nur für die Flasche Wein und den Beinschinken hat es aus Gewichtsgründen wieder einmal nicht gereicht. Doch das muss nicht sein. Die Lösung heisst Packgeissen: Ziegenböcke, die auf ihrem Rücken bis zu 30 Kilogramm Material den Berg hinauftragen.Etabliert als Tragtiere für Trekkingtouren sind in der Schweiz Maultier, Pferd, Esel und in jüngerer Zeit auch das Lama. PackgeissentrekkingNur an die Ziege hat lange Zeit niemand gedacht. Zu Unrecht, wie Christian Golfetto (38) und Sandra Egli (36) aus Ricken SG beweisen. Seit zwei Jahren führen die beiden erfolgreich Trekkingtouren mit ihren sechs Ziegenböcken durch. Doch nicht jede Ziege ist automatisch eine Packgeiss. Der Weg zum zahmen, zuverlässigen Tragtier ist ziemlich beschwerlich. Niemand weiss das besser als Christian Golfetto und Sandra Egli. Denn sie sind Pioniere auf dem Gebiet.

Es begann auf dem Pacific Crest Trail

Auf den Geschmack kamen die beiden begeisterten Trekking-Experten vor ein paar Jahren in den USA. Dort machten sie sich auf die Wanderung auf dem 4‘400 Kilometer langen Pacific Crest Trail. Auf der Suche nach einem „Gepäckträger“ stiessen sie auf „Pack Goats“, wie die Packgeissen in den USA genannt werden. Die beiden Ziegenböcke verrichteten ihre Dienste damals so zuverlässig, dass Christian Golfetto und Sandra Egli schon bald damit liebäugelten, nach der Rückkehr in die Schweiz ein

Packgeissen-Trekking

(ep) – Die zum Packen geeigneten Tiere sind kastrierte Böcke aller grossen Ziegenrassen. Ein ausgewachsener Packbock misst 90 Zentimeter am Widerrist und wiegt bis zu 100 Kilogramm. Die Packziege trägt 30 bis40 Prozent ihres Körpergewichtes und bewegt sich in alpinem Gelände ausdauernd mit 2-3km/h. Die frühe Kastration verhindert die Entwicklung der entsprechenden Duftdrüsen mit dem unangenehmen Duft und des berüchtigten Bock-Verhaltens. Ziegen sind genügsame und ausdauernde Tiere. Deshalb eignen sie sich gut als Tragtiere bei Wandertouren. Von der Schnupper- bis zur mehrtägigen Hochgebirgstour ist alles möglich. Im Rahmen des Projektes „Packgeiss“ führt der Outdoor-Anbieter Sundance Adventure Trips vorgegebene oder vom Kunden selber ausgewählte Touren durch.

eigenes Projekt für Trekkingtouren mit Ziegen zu starten. Aus dem Traum wurde Wirklichkeit.
Seit zwei Jahren wandern die sechs kastrierten Ziegenböcke Nino, Lupo, Scout, Bashi, Orkan und Linus mit Gepäck beladen nun durch die Landschaft, am häufigsten mit Abenteuer suchenden Familien, wie Christian Golfetto erklärt. „Ziegen sind genügsam, geländegängig und rücksichtsvoll“, sagt er. Seine Ziegen der Rassen Nera Verzasca, Pfauenziegen und Gamsfarbige Gebirgs­ziege – allesamt seltene Haustierrassen ? sind dank aufwendiger Handaufzucht (das heisst, Schoppen geben von Hand) und täglichen Spaziergängen gut an den Menschen gewöhnt, das Führen an der Leine ist deshalb nicht nötig. Der Transport der Tiere erfolgt mit einem kleinen Anhänger, weshalb Touren in der ganzen Schweiz problemlos möglich sind.
Mit ihren Packgeissen sind Christian Golfetto und Sandra Egli bereits nach wenigen Jahren so erfolgreich, dass bis im Herbst praktisch alle Wochenenden bereits ausgebucht sind. Alles ohne eigentliche Werbung, nur mit Mund zu Mund Propaganda. Und vielleicht auch dank der Tatsache, dass das „Packgeiss-Projekt“ im letzten Jahr den Tourismuspreis Schweiz erhielt.

Experiment Schulklasse

Auf diesem Weg hat auch die Primarlehrerin Karin Wydler aus Hedingen ZH von den Packgeissen erfahren. Sie hat deshalb angefragt, ob Nino und Co. sie nicht auf der Schulreise über die Ibergeregg begleiten könnten. Christian Golfetto hat zugesagt, nicht zuletzt, um Erfahrungen zu sammeln, wie sich seine Tragtiere mit so vielen Kindern gleichzeitig verhalten. „Eigentlich befinden wir uns immer noch in der Experimentierphase“, schmunzelt er.
Das Experiment gelingt. Die stattlichen Tiere – sie sind bis zu 100 Kilogramm schwer – schleichen äusserst rücksichtsvoll an den wandernden Kindern vorbei. „De Baschi ghört mir“, ruft ein Mädchen besitzergreifend in die Kolonne. „Es überrascht mich immer wieder, wie schnell Kinder den Zugang zu den ihnen oft unbekannten Tieren finden“, erklärt Sandra Egli. Der emotionale Effekt gehört zum Konzept. Karin Wydler hat die Klasse im Vorfeld gezielt auf die Wanderung mit den Ziegen vorbereitet. „Ich habe noch nie eine Schulreise erlebt, bei der die Kinder so wenig gejammert haben“, sagt sie Augen zwinkernd.

Möglicher Nebenerwerb für Landwirte

Neues weckt immer auch Skepsis. Das ist auch beim Packgeissen-Projekt nicht anders. Den Vorwurf der Tierquälerei müssen sich die Tierfreunde Christian Golfetto und Sandra Egli gelegentlich gefallen lassen. „Wer aber sieht, mit welcher Begeisterung die Tiere vor einer Tour den Transport-Anhänger be­steigen, der weiss, dass das nicht stimmen kann“, sagt sie.
Es gibt zudem ver­einzelt Bauern, die den Kopf schütteln, wenn sie die bepackten Ziegen sehen. Normalerweise bleibt in der Ziegenhaltung für die männlichen Tiere nämlich nur der Gang in den Schlachthof. Auch deshalb ist das Packgeissen-Projekt so speziell, denn es baut gezielt auf eben diese Ziegenböcke, weil sie mit ihrer Grösse mehr Gepäck tragen können. Christian Golfetto sieht im Trekking mit Ziegen ein grosses Potenzial für einen landwirtschaftlichen Nebenerwerb: „Mit einer Packgeiss könnte ein Bauer mehr verdienen als mit Fleisch oder Milch.“ Christian Golfetto und Sandra Egli führten deshalb kürzlich im Bildungs- und Tagungszentrum Inforama Hondrich im Berner Oberland einen Kurs zum Thema Packziegen durch. 16 Interessierte nahmen teil. Die Konkurrenz scheuen sie aber nicht, weil sie wissen, dass man nicht von heute auf morgen zum „Packgeissen-Unternehmer“ wird. „Es ist ein Irrtum, zu meinen, man könne seine Ziege einfach aus dem Stall nehmen, mit einem Packsattel ausrüsten und los gehts“, sagt Sandra Egli. Wenn die Jungtiere einmal aufgezogen sind, müssen sie für den Einsatz auf den Touren trainiert werden. Und das ist sehr zeitaufwendig. Ausserdem fehle es oft an Erfahrung im Trekking-Bereich, und diese sei mindestens ebenso wichtig.

Kompetenzzentrum

rotz des grossen Erfolgs wollen Christian Golfetto und Sandra Egli in absehbarer Zeit keine zusätzlichen Ziegenböcke aufziehen. „Das Ganze soll übersichtlich bleiben“, erklärt Sandra Egli, die noch in einem Teilzeitpensum als Lehrerin tätig ist. Auf ihrem gemeinsam mit Lebenspartner Christian Golfetto gemieteten kleinen Gehöft in Ricken SG ist aber inzwischen so etwas wie ein Kompetenzzentrum für Trekkingtouren mit Ziegen in der Schweiz entstanden. Dort sind auch die selber entwickelten Packsattel erhältlich. Doch ans Patentieren der Sättel denken die beiden vorerst nicht, obwohl sie vom Potenzial der Ziegen als Tragtiere überzeugt sind. Es fehlt ihnen schlicht die Zeit dazu.

www.packgeiss.ch

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