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Samuel Stüssi: «Die Beobachtung der Kulturen kommt oft zu kurz!»

stuessiNützlinge stehen mittlerweile in praktisch allen Gewächshäusern mit Gemüse im Einsatz. Die Früherkennung von Schädlingen sei entscheidend für den erfolgreichen Nützlingseinsatz, sagt Experte Samuel Stüssi im Interview.

 

 

 

 

 

 

 

Herr Stüssi, wie hat sich das untypische Wetter mit dem langen, kalten Frühling und dem darauf folgenden langen, trockenen Sommer auf den Einsatz der Nützlinge in diesem Jahr ausgewirkt?
Die Entwicklung verzögerte sich ein bisschen. Blattläuse wurden auf einigen Betrieben innerhalb von kürzester Zeit zum Problem, weil es plötzlich sehr schnell warm wurde. Und die lange Trockenheit förderte den Spinnmilbenbefall im Sommer natürlich massiv. Ansonsten kann ich jetzt aber nicht sagen, dass das für uns ein sehr spezielles Jahr war. Grundsätzlich hat es in heissen Jahren immer mehr Raupen sowohl im Gewächshaus wie im Freiland.

Welcher Schädling ist Ihnen besonders aufgefallen?
In den letzten beiden Jahren die Rostmilbe, die vor allem in Tomatenkulturen aufgetreten ist. Zuvor liess sie uns einige Jahre in Ruhe. Die Rostmilbe lässt sich nur mässig mit Nützlingen bekämpfen. Wenn man den richtigen Zeitpunkt verpasst, ist die Bekämpfung auch mit chemischen Mitteln äusserst mühsam. Zunehmend zum Problem werden zudem Wanzen, die sich als «Generalisten» über praktisch alles her machen. Ihre Bekämpfung benötigt relativ starke Mittel, die die ganze Pflanzenschutzstrategie durcheinander bringen kann.

Wer Nützlinge einsetzt, muss seine Kulturen gut beobachten. Wie sieht es hier in der Praxis aus?
Die regelmässige Beobachtung der Kulturen wäre tatsächlich enorm wichtig. Leider kommt sie oft zu kurz. Auf den immer grösser werdenden Betrieben fehlt dem Kulturchef immer häufiger die Zeit, regelmässig durch alle Reihen zu gehen. Er muss sich deshalb auf seine Mitarbeiter verlassen können. Hier hängt vieles vom Klima in den Betrieben ab, respektive vom Umgang mit den Arbeitnehmern und wie diese in solchen Aufgaben miteinbezogen werden.

Trotzdem setzen viele Gemüseproduzenten Nützlinge ein. Wie entwickelt sich das Geschäft mit Nützlingen?
Die Verkäufe von Nützlingen haben bei Andermatt Biocontrol in den letzten Jahren zugenommen. Ein Grund dafür sind die gestiegenen Anforderungen bei Pflanzenschutzmittelrückständen sowie die Tatsache, dass im Gemüsebau immer weniger wirksame Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen. Der Plafond ist aber allmählich erreicht. Wir können in der Schweiz eigentlich nur noch mit Flächenausdehnungen wachsen.

Bedeutet das, die meisten Gemüseproduzenten setzen in ihren Gewächshäusern Nützlinge standardmässig ein?
Es gibt noch vereinzelt Betriebe, die gar keine Nützlinge verwenden. Diese beginnen häufig erst im April mit Tomaten- oder Gurkenkulturen. Hier lohnt sich der Nützlingseinsatz ausser bei Biobetrieben finanziell eher weniger. In den mittlerweile üblichen langen Kulturen wird es aber schwierig ohne Nützlinge mit einer reinen Spritzstrategie durch die Saison zu kommen. Gerade bei einem Hauptschädling wie der Weissen Fliege ist es anspruchsvoll, mit den erlaubten Anzahl Spritzungen die Anforderungen der Abnehmer an die Pflanzenschutzmittelrückstände zu erfüllen.

Der Einsatz von Nützlingen ist anspruchsvoll und relativ teuer. Wie wichtig ist die Beratung von Spezialisten wie Ihnen vor Ort?
Wie gesagt ist die Früherkennung eines Schädlingsbefalls sehr wichtig. Deshalb besuchen wir unsere Kunden regelmässig. Allerdings spüren wir hier den Kostendruck, dem die Gemüseproduzenten zunehmend ausgeliefert sind. Es kommt vor, dass uns grosse Produzenten mit den tieferen Preisen für Nützlinge von Anbietern in Holland oder Spanien vergleichen. Würden unsere Preise auf dieses Niveau sinken, hätte dies nicht nur eine Reduktion der Beratung zur Folge. Auch der Anreiz für Andermatt Biocontrol, in Weiterentwicklungen für den Gemüseanbau zu investieren, würde sinken.

Geht es nicht ohne Beratung?
Das kann zwei Jahre gut funktionieren. Aber langfristig zahlt sich der Nützlingseinsatz nur aus, wenn er richtig durchgeführt wird. Und dafür braucht es uns Spezialisten, die sich täglich mit der Materie befassen und den Überblick haben. Schauen Sie nach Deutschland, mit einem stark ausgebauten Beratungsnetz, das zu einem grossen Teil von den Ländern finanziert wird. Diese Berater gehen alle zwei Wochen auf die Betriebe, die Produzenten müssen für diese nur einen Bruchteil der Kosten übernehmen. Trotzdem sind die Preisunterschiede für die Nützlinge in der Schweiz und in Deutschland nicht sehr gross. Firmen wie Andermatt Biocontrol wären dort reine Wiederverkäufer. In der Schweiz übernehmen wir aber eben auch Service-Leistungen.

Sind die Gemüseproduzenten bereit für diese Leistungen zu zahlen?
Viele wissen, dass sich die Beratung mittelfristig auszahlt. Bei der Spinnmilbe beispielsweise ist die Einschränkung der verfügbaren Pflanzenschutzmittel ein grosses Problem. Es gäbe zwar nützlingsverträgliche Wirkstoffe, die in Holland oder Deutschland zugelassen sind, in der Schweiz aber nicht. Es lohnt sich deshalb, mit unserer Hilfe Lösungen gegen die Spinnmilben auszuarbeiten, um diese in den Griff zu bekommen. Wird der Befall nämlich zu gross, müssen Akarizide eingesetzt werden, die alle Nützlinge wegputzen. Sehr oft beobachten wir in der Folge zudem einen massiven Befall mit der Weissen Fliege, was wiederum einen Spritzmitteleinsatz nötig macht. Viele Gemüseproduzenten wissen, wie wichtig der fachgerechte Nützlingseinsatz ist, um das zu verhindern.

Wie sieht das Zulassungsverfahren für Nützlinge in der Schweiz aus?
Hier gibt es grosse Unterschiede im Vergleich zum Ausland. Österreich und die Schweiz verlangen als einzige Länder, dass Nützlinge wie Pflanzenschutzmittel ein Zulassungsverfahren durchlaufen müssen. Logischerweise ist es sehr teuer, neue auf dem Markt bereits verfügbare Nützlinge in der Schweiz einzuführen, wenn es keine entsprechenden Dossiers aus anderen Ländern gibt, die man benutzen könnte.

Fühlen Sie sich deshalb gegenüber der ausländischen Konkurrenz benachteiligt?
Wenn der Vollzug korrekt wäre, dann wären die strengeren Zulassungsbedingungen sogar ein Vorteil. Mit diesem «Schutz» liessen sich Investitionen refinanzieren. Doch in der Praxis ist es natürlich relativ einfach, bei uns nicht zugelassene Nützlinge im Ausland einzukaufen. Das lässt sich kaum kontrollieren.

Wie wird sich die Schädlingssituation in den nächsten Jahren in der Schweiz entwickeln?
Grundsätzlich ist es schwierig, Voraussagen zu machen, wie sich Schädlinge künftig entwickeln werden. Grundsätzlich bietet die Intensivierung des Anbaus und die Reduktion auf weniger Kulturen aber ein Umfeld, in dem sich Schädlinge und Krankheiten gut ausbreiten können. Viele Gemüseproduzenten kommen schon deshalb nicht um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln herum. Doch ich denke, dass mit etwas Kreativität noch mehr möglich wäre, beispielsweise mit der Kombination von Mitteln und Nützlingen. Ein Hilfsmittel A, das man aus dem Schrank nehmen kann, und das Problem auf einen Schlag löst, wird es aber auch in Zukunft nicht geben.

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