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Schlägt nun die Stunde der Blühstreifen?

Spezielle Blumenwiesen als Bienenweide und Nützlingsreservoir sind noch wenig verbreitet. Dank der AP22+ könnten einjährige Blühstreifen aber gerade für Ackerbaubetriebe an Bedeutung gewinnen.

Landwirt Kurt Stettler legt seit mehreren Jahren Blühstreifen an.

Brutstätten für Schädlinge und Unkraut, dazu viel Aufwand für nichts: Die Begeisterung der Landwirte für Blühstreifen hält sich bisher in Grenzen. In den Grafiken der beitragsberechtigten Biodiversitätsförderflächen (BFF) werden sie denn auch nur bei einer hohen Auflösung überhaupt sichtbar. Gerade einmal 134 Hektaren waren es offiziell im Jahr 2018, Peanuts im Vergleich zu den über 67’000 Hektaren extensiven Wiesen, die sich im gleichen Fördertopf befinden. Hans Ramseier von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) beschäftigt sich seit Jahren mit Blühstreifen und kennt die Gründe, weshalb diese bisher kaum über ein Mauerblümchendasein herauskommen. Die Beiträge seien mit 2500 Franken pro Hektare abzüglich der Saatgutkosten von mindestens 600 Franken nicht attraktiv. «Selbst mit Gerste oder Mais verdient man mehr.» Umfragen bei Landwirten, die mit Blühstreifen wieder aufgehört haben, hätten die mangelnde Rentabilität als Hauptgrund genannt, sagt der Forscher. Gemäss Direktzahlungsverordnung darf ein Betrieb zwar mehrere Blühstreifen anlegen, diese dürfen aber nicht grösser als 50 Aren sein. Deshalb beträgt die durchschnittliche Grösse eines Blühstreifens auf einem Betrieb bloss 20 Aren. Der Arbeitsaufwand pro Quadratmeter ist letztlich auch deshalb nicht ganz ohne.

Hummeln finden in Blühstreifen viel Nahrung und überwintern oft auf benachbarten Parzellen, von wo sie im Folgejahr wieder losfliegen.

Beispiel aus der Praxis

«Blüemli»-Bauern müssen deshalb immer noch vor allem Überzeugungstäter sein. Wie Kurt Stettler aus Münchenbuchsee BE, der auf seinem Milchvieh- und Ackerbaubetrieb seit ein paar Jahren Blühstreifen anlegt. Er sieht in ihnen eine gute Alternative zur mehrjährigen Buntbrache obwohl letztere finanziell zurzeit sicher interessanter sei. Wegen hohem Brombeeren-Befall musste er diese aber bei sich aufgeben. Wenn möglich legt er den Blühstreifen bei sich am Feldrand neben dem Mais an. Die Bodenbearbeitung gehe in einem und der Saatzeitpunkt des Blühstreifens passe auch gut in den Arbeitsablauf. «Bei uns dienen die Blüten vor allem als Futterquelle für die Bienen meiner Frau, die bei uns imkert», sagt Stettler. Emotionale Faktoren liegen im Vordergrund. Wenn er sich am Abend in den Blühstreifen stelle, sei es schon sehr beeindruckend, wie es summe und lebe im Streifen, findet er. «Und natürlich sind die Blumen ein Hingucker für die vielen Spaziergänger und deshalb gut für das Image der Bauern.»

Blühstreifen wirken fördern das Image der Landwirtschaft bei der Bevölkerung.

Jetzt gegen Ende Juni sind Phacelia und Buchweizen bei ihm voll in der Blüte. Weil die HAFL in diesem Jahr bei ihm Versuche durchführt, stehen sie gleich nebeneinander und ermöglichen den direkten Vergleich: Phacelia steht dabei dichter als Buchweizen. Für Stettler ist deshalb klar: «Die blau blühende Phacelia unterdrückt das Unkraut besser als Buchweizen.» Dort entdeckt sein auf Unkraut sensibilisiertes Auge eine Melde, das er sogleich mit einem gezielten Handgriff ausreisst. Regelmässige Kontrollgänge seien auch in Blühstreifen nötig, wenn man das Unkraut im Griff haben will, sagt er. «Bei viele Disteln und Blacken würde ich es aber sowieso sein lassen». Auch Staunässe behage den Blumen nicht gut. Ausgesät hat er die rund 11 Aren von Hand mit dem Säsack.

Je nach Version erhalten Blühmischungen bis zu 19 verschiedene Blumenarten.

Aufwind dank Politik?

In der Botschaft zur AP22+ ist vorgesehen, dass Ackerflächen künftig neu mindestens 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen aufweisen müssen. Damit dürfte das Interesse an den Blühstreifen bei den Landwirten gezwungenermassen ansteigen. «Die einjährigen Blühstreifenmischungen bieten eine gute Möglichkeit, diese Anforderung zu erfüllen», sagt Stettler. Auch er könnte sich vorstellen, dass er auf seinen Flächen die bisherige Bestäubermischung zusätzlich durch eine Nützlingsmischung ergänzt. «Ich habe schon gehört, dass die Nützlinge aus diesen Streifen recht gut gegen Schädlinge in Getreide wirken sollen.» Natürlich müsste der Nützlingsstreifen dann aber in der Mitte und nicht am Rand der Parzelle stehen, gibt er zu bedenken. Stettler hofft zudem, dass es mehr Direktzahlungen gibt als bisher, damit der Anbau von Blühstreifen lukrativer wird.

Blühstreifen-Experte Hans Ramseier – hier an einem Flurgang im Aargau – entwickelt passende Mischungen.

Nicht auf verunkrauteten Flächen

Fünf Blühstreifenmischungen sind vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) offiziell zugelassen. Sie sind das Resultat jahrelanger Versuche von Forschern wie Ramseier, ausgerichtet nach einer möglichst optimalen Blühdauer und abgestimmt auf die erwünschten Insekten. Die meisten Landwirte nutzen die sogenannte Grundversion mit dem Ziel der Förderung von Bestäubern, Wildbienen und Nützlingen wie Schwebfliegen und Schlupfwespen. Sie besteht aus 17 verschiedenen Arten und einem grossen Anteil Buchweizen als Frühblüher. Da gerade dieser frostempfindlich ist, wird eine Aussaat frühestens ab dem 20. April empfohlen. Bis zu 15 Aren ist dies gut von Hand möglich, ab grösseren Flächen mit einem Krummenacher Sägerät. Dabei muss das Saatgut oberflächlich liegen. Die Grundbodenbearbeitung ist ähnlich wie bei Getreide. Es brauche nicht unbedingt einen Pflug, sagt Ramseier. Nur mit einem Grubber sei auch möglich. Allerdings dürfe das Saatbett nicht zu fein sein, da der Boden sonst nach einem Platzregen «zumache» und die Saat nicht mehr auflaufe. Wichtig sei das Walzen nach der Saat. Und dann wäre da eben noch das Thema Unkraut. Hier hat Ramseier eine klare Haltung: «Wir raten davon ab, Blühstreifen auf stark verunkrauteten Parzellen anzulegen».

Durchwuchs aus Blühstreifen wie hier von Kornblumen in der Folgekultur Weizen kann vorkommen. 

Neben Mais hat sich bewährt

Als ideale Begleitkultur empfiehlt der Blühstreifenexperte Kulturen, wo pflanzenschutzmässig wenig interveniert werde, wie beispielsweise Mais. Die Bodenbearbeitung geschehe im gleichen Arbeitsgang, dazu profitiere der Blühstreifen von der üblichen einmaligen Herbizidbehandlung nach dem Auflaufen des Maises, dann wenn es im Streifen nebenan noch nicht blüht. Im Herbst wird gemulcht und die Biomasse in den Boden eingearbeitet beispielsweise vor Winterweizen. Viele Landwirte fürchten das erhöhte Risiko von durchgewachsenen Blühstreifenpflanzen in der Folgekultur. Auch bei Stettler in Münchenbuchsee sorgen Kornblumen für einen blauen Schimmer im Weizenfeld. «Wir machten die Erfahrung, dass dies praktisch nie ein Problem ist», beruhigt Ramseier. Trotzdem müsse natürlich die Fruchtfolge in die Überlegungen miteinbezogen werden. So besteht die Vollversion mit 19 Pflanzenarten unter anderen aus Kamille und Senf. Beide sind zwar gute Pflanzen für Wildbienen, sind aber wenn sie im Folgejahr durchwachsen kaum bekämpfbar und deshalb bei Landwirten weniger beliebt.

Am häufigsten werden Blühstreifen neben Mais angelegt.

Was bringts?

Obwohl einjährig, wirken Blühstreifen nachhaltig: Hummeln produzieren wegen des grossen Nahrungsangebots mehr Nachkommen, wie ein Praxisversuch der HAFL zeigte. Sie überwintern im Boden in angrenzenden Flächen und fliegen im Folgejahr wieder aus, was sich beispielsweise positiv auf die Bestäubung in Erdbeeren auswirkt. In einem Blühstreifen kommt zudem ganz schön etwas zusammen: Stefan Lutter von der HAFL zählte in seiner Masterarbeit in einem Blühstreifen bei den Bestäubern und Nützlingen 29 Prozent Honigbienen, 29 Prozent Wildbienen, 21 Prozent Raubwanzen, 7 Prozent Schlupfwespen, 5 Prozent Schwebfliegen, 3 Prozent Marienkäfer und 6 Prozent Spinnen. Die Nützlinge können den Schädlingsdruck nachweislich reduzieren: Ein Versuch von Agroscope mit einem drei Meter breiten Blühstreifen in einem Getreidefeld zeigte, dass sich in 20 Meter Entfernung 40 bis 53 Prozent weniger Getreidehähnchen aufhielten, es gab 61 Prozent weniger Fensterfrass-Schäden. Das sind ziemlich beeindruckende Zahlen, die eigentlich ganz gut zur angestrebten Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes in der Landwirtschaft passen. Ob Blühstreifen hier eine wichtigere Rolle spielen, ist aber vor allem davon abhängig, ob es mehr Geld dafür gibt. Für Hans Ramseier ist klar: «Weil es für Blühstreifen bisher keine Versorgungssicherheits- oder Vernetzungsbeträge gibt, muss dieser Betrag sicher höher sein, damit es für einen Bauern wirtschaftlich interessant wird.»

Blühstreifen dürfen nur einjährig angelegt werden mit vom BLW anerkannten Mischungen. Diese Blühstreifenmischungen sind anerkannt:

Bestäuber Grundversion mit 17 Pflanzenarten zur Förderung von Honig- und Wildbienen sowie Nützlingen wie Schwebfliegen oder Schlupfwespen. Die Mischung ist schnelldeckend und unkrautunterdrückend. Kosten: 584 Franken / ha

Bestäuber Vollversion mit 19 Pflanzenarten zur Förderung von Honig- und Wildbienen sowie Nützlingen wie Schwebfliegen oder Schlupfwespen. Für Standorte mit geringem Unkrautdruck. Kosten. 668 Franken / ha

Nützlinge Winterkultur mit 14 Pflanzenarten zur Förderung von Nützlingen zur Bekämpfung von Schädlingen wie beispielsweise Getreidehähnchen oder Blattläuse. Anlage im Herbst neben Wintergetreide. Kosten: 964 Franken / ha

Nützlinge Sommerkultur mit 9 Pflanzenarten zur Förderung von Nützlingen zur Bekämpfung von Schädlingen wie beispielsweise Getreidehähnchen oder Blattläuse. Anlage im Frühling. Kosten: 716 Franken / ha.

Nützlinge Kohlanbau mit den vier Pflanzenarten Kornblume, Buchweizen, Klatschmohn und Futterwicke zur Verminderung des Insektizideinsatzes in Kohlkulturen durch Förderung von Schlupfwespen zur Bekämpfung von Kohlschädlingen wie Kohlweissling oder Kohleule. Kosten: 1180 Franken / ha

Mehr Infos: www.pbl-phf.ch

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