Das Unwort des Jahres heisst «Bio». Das Wort werde inflationär verwendet, und die Bevölkerung werde des Begriffes überdrüssig, lautete die Begründung der Jury. Tatsächlich wundert man sich, welche Branchen heute mittlerweile damit werben. Vom Coiffeur über den Zahnarzt bis zum Kondomverkäufer. Es gibt sogar Motorsportteams, die mit «Bioautos» fahren. Die 240 PS (!) Motoren des «Bioconcept-Cars» des Four Motors Rennteams aus Reutlingen würden mit einem Hochleistungsbiokraftstoff auf Basis von Rapsöl fahren, schreibt ein Onlinemagazin dazu. Biokugelschreiber, Bioschuhe oder Biohotel. Die Verwässerung des einst so positiv besetzten Begriffes hat fatale Folgen für die Biolebensmittelbranche. Zumal nicht mit gleichen Ellen gemessen wird: Bei landwirtschaftlichen Produkten ist die Verwendung des Begriffs «Bio» gesetzlich geregelt, bei vielen anderen Produkten aber nicht. Biodiesel beispielsweise kann ohne Probleme aus gentechnisch veränderter Soja, angebaut auf ehemaligen Regenwaldflächen, hergestellt werden.
Natürlich ist die Biobranche nicht ganz unschuldig daran, dass der Wert des Wortes «Bio» langsam aber sicher erodiert. Die Entwicklung des Biolandbaus in der Schweiz in den letzten zwanzig Jahren ist eigentlich ja eine Erfolgsgeschichte, wenn man die Entwicklung der Umsätze mit Bioprodukten betrachtet. Zu stoppen ist diese Lokomotive nicht mehr. Und das ist das Problem. Die Zeiten des überschaubaren Biolädelis mit Produkten vom lokalen Produzenten sind vorbei. Heute verkaufen alle Supermärkte Bioprodukte, auch Harddiscounter wie Lidl oder Aldi. Doch gerade hier treffen zwei total verschiedene Kulturen aufeinander, die eigentlich kaum vereinbar sind: Billig gegen ökologisch. Trotzdem wird es gemacht. Die Bio-Pioniere von einst hätten sich zwar sicher gewünscht, dass sich ihre Ideen möglichst schnell bei den anderen Bauern herumsprechen. Stünden sie heute vor dem Regal mit den hunderten von Bioprodukten aus allen Herren Ländern kämen sie aber wohl eher ins Grübeln.
Dieser Text ist als Kolumne in der Fachzeitschrift Alimenta erschienen
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