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90 Jahre Verband Schweizer Gemüseproduzenten – ein Rückblick

Vor 90 Jahren gründeten ein paar initiative Schweizer Gemüsegärtner ihren eigenen Verband, um gegen Aussen mehr Gewicht zu haben. Diese Aufgabe erfüllt der VSGP bis heute erfolgreich. Allerdings standen einige Hürden im Weg, wie der Blick ins Archiv zeigt. 

Im Kern kämpfte der Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) in den vergangen 90 Jahren eigentlich stets mit den ähnlichen Problemen: Mit Preisdruck der Abnehmer, Importkonkurrenz, Überproduktion aber auch mit der mangelnden Solidarität in der Branche. Mit den Jahren gewann die politische Interessenvertretung an Bedeutung, um die Rahmenbedingungen für die Produktion zu verbessern. So setzte sich der Verband beispielsweise zwanzig Jahre dafür ein, dass der inländische Gewächshausanbau dem Dreiphasen-Importsystem unterstellt wurde, dafür war letztlich 1975 ein Bundesgerichtsentscheid nötig. Es gibt auch erstaunliche Parallelen zur aktuellen Zeit, wie der Blick in alte Dokumente zeigt. So beklagte die Branche auch 1955 trotz wetterbedingt deutlich höheren Produktionskosten an der Verkaufsfront tiefe Preise. Oder im Jahr 1959 wurden bei den Steckzwiebeln die mit «viel Mühe in der Branche vereinbarten Preise» schon tags darauf nicht mehr eingehalten. 

Zähe Gründungsjahre

Es waren enorme Gemüsemengen, die in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts aus Frankreich, Italien, Holland und Deutschland in die Schweiz gelangten und die Schweizer Produktion so massiv unter Druck setzten. Die zürcherische Gemüseproduzenten-Vereinigung ergriff deshalb die Initiative zu einem gesamtschweizerischen Zusammenschluss der Produktion, um in nötigen Verhandlungen mit den Behörden ein grösseres Gewicht zu erreichen. Die Gründung des Verbandes Schweizerischer Gemüseproduzenten (VSGP) im Jahr 1932 in Olten war eine harzige Angelegenheit, und die Mitgliederwerbung schwierig. Zudem wurde nur ein Jahr später mit der Schweizerischen Gemüseunion (SGU) eine Dachorganisation für gemüsebauliche Fragen gegründet, welche dem VSGP Konkurrenz machte. Es gab Grabenkämpfe zwischen «gärtnerischen» und «bäuerlichen» Gemüseproduzenten. Immerhin beugten sich die Behörden 1934 erstmals dem Druck der nun besser organisierten Produktion und beschlossen die Halbierung der Gemüseeinfuhren. Die SGU und der VSGP rafften sich vorerst zu einer Zusammenarbeit auf, die der VSGP aber im Jahr 1940 wieder beendete und fortan seine eigenen Wege ging. 

Verband kurz vor dem Kollaps

In den Kriegsjahren organisierte der VSGP die Anbauschlacht und sorgte für eine gerechte Verteilung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln. Nach dem Krieg ging die Überflutung mit Importgemüse wieder los. Die Folge war die Einführung des Dreiphasensystems, welches die Schweizer Gemüsebranche fortan während der Anbausaison vor den Importen schützte. Der administrative Grenzschutz wurde zum unverzichtbaren Eckpfeiler der inländischen Produktion, für dessen Aufrechterhaltung sich der VSGP bis heute einsetzt. In den Jahren der Hochkonjunktur schossen Glashäuser und Gemüsetunnel wie Pilze aus dem Boden, es kam deshalb einmal mehr zu Überproduktion, die damals noch exportiert wurde. Die Ausbildung von eigenen Fachkräften gewann an Bedeutung: 1959 schlossen die ersten Gemüsebau-Lehrlinge erfolgreich ab. Der Verband kämpfte in diesen Jahren mit der schlechten Zahlungsmoral seiner Mitglieder. Als Langzeit-Geschäftsführer Johann Gfeller 1972 plötzlich starb, stand die Existenz des Verbandes auf der Kippe, weil die Schulden drückten. Ein rigoroser Sanierungsplan sicherte aber die Zukunft. 

VSGP-Präsident Henri Grand bei einer Führung auf seinem Betrieb in Lonay mit dem damaligen Zentralvorstand. 

Berufsbildung und Marketing

An seinem 50igsten Geburtstag im Jahr 1982 zählte der VSGP 5000 Mitgliedsbetriebe mit rund 15 000 Beschäftigten. Die Geschäftsstelle wurde laufend mit Personal aufgestockt. Zur Interessenvertretung mit den Behörden kamen neue Aufgaben dazu, beispielsweise der Ausbau der Berufsbildung oder die Ergreifung von Marketingmassnahmen zur Unterstützung des Absatzes von Schweizer Gemüse. Der legendäre «Grüne Hase» war das erste Herkunftszeichen für Schweizer Gemüse. Erstmals kamen ernsthafte Umwelt-Diskussionen auf, beispielsweise um das Thema «Nitrat in Wintersalat», worauf die Branche mit strengeren Kontrollen und die Forschung mit einer Software zur Berechnung der Nmin-Werte reagierte. 

Die Atomkatastrophe von Tschernobyl fügte dem Schweizer Gemüseanbau grosse Verluste zu. 

Die Bewältigung der Folgen der Atomkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986, die zum abrupten Einbruch der Gemüseabsätze und einem Schaden von 9,7 Millionen Franken führte, stellte einen immensen Challenge für die Geschäftsstelle mit dem damaligen Direktor Fredi Schwab dar. Es brauchte viele Jahre harte Arbeit mit Bergen von Akten und am Ende einmal mehr ein Bundesgerichtsentscheid, der die vollständige Entschädigung der Branche für die erlittenen Schäden sicherte. 

Kampf gegen GATT und EWR

Danach kamen schon bald die Diskussionen um die GATT-Verhandlungen und den EWR-Beitritt auf, was das Engagement in der politischen Interessenvertretung des Verbandes für die Gemüsebranche in neue Dimensionen katapultierte. Denn beide «Projekte» hätten die Gemüseproduktion in der Schweiz stark betroffen und natürlich fürchteten viele die Rückkehr der Importfluten aus früheren Jahren. Nun die Geschichte ist bekannt: Der EWR scheiterte an der Urne und bei den Gatt-Verhandlungen konnte mit der Ablösung des bisherigen Dreiphasen- in ein bis heute geltenden Zweiphasensystem eine akzeptable Lösung erreicht werden. Womit eines der Kernanliegen der Branche – der Grenzschutz – einmal mehr erfüllt werden konnte. 

Der grüne Hase war das erste Herkunftszeichen für Schweizer Gemüse.

Es folgten einige Agrarreformen, wobei die Einführung des an die Erfüllung eines ökologischen Leistungsnachweises (ÖLN) gebundenen Direktzahlungssystems eine entscheidende Änderung war. Die Anpassung des Raumplanungsgesetzes brachte vorerst Erleichterungen für den Bau von Gewächshäusern. Einen bis heute haltenden Pflock konnte der Verband mit der Mitgestaltung bei der Einführung der Garantiemarke Suisse Garantie einschlagen. Damit konnte das zunehmende Bedürfnis nach mehr Swissness und Regionalität beim Absatz von Gemüse befriedigt werden. Trotz immer wieder aufflammenden WTO-Diskussionen konnte der VSGP den Grenzschutz bis heute aufrechterhalten. Die Diskussionen um das von der Branche bekämpfte EU-Agrarfreihandelsabkommen sind mittlerweile verstummt. Seine Krisenmanagement-Tauglichkeit bewies der Verband 2011 bei der Ehec-Krise und in den beiden letzten Jahren in der Corona-Pandemie. Und natürlich bleibt der emotionale Abstimmungskampf gegen die beiden extremen Pflanzenschutzinitiativen in lebhafter Erinnerung.

Und was nun?

Die nächsten Jahre werden für den VSGP kaum weniger herausfordernd werden wie die vergangenen 90 Jahre. Die brennenden Themen sind Arbeitskräftemangel, Pflanzenschutz, Raumplanung oder produktionseinschränkende Umweltauflagen. Und wer weiss, was die aktuellen politischen und kriegerischen Wirren und der Klimawandel noch mit sich bringen werden. Der Verband konnte bisher viele Probleme lösen und wird sich weiterhin mit voller Kraft für ihre Mitglieder ins Zeug legen. Doch eine Knacknuss bleibt. Oder in den Worten des ehemaligen Präsidenten Henri Grand in der 75-Jahre-Jubiläumsschrift treffend ausgedrückt: «Ich finde, dass die Schweizer Gemüsegärtner viel zu individualistisch sind.»

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