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Biomarkt: Vertrauen ist gut, Kontrolle besser (LID-Mediendienst, 20. Februar 2003)

Biofach 2003

Die Zahl der Biobetriebe wächst und damit steigt die Gefahr von Missbräuchen. Umso wichtiger ist ein funktionierendes Kontroll- und Zertifizierungssystem. An der BioFach 2003 in Nürnberg wurde eine Software vorgestellt, welche die ganze Lebensmittelkette transparent machen soll.

Es ist noch kein Jahr vergangen, seit in unserem nördlichen Nachbarland der sogenannte Nitrofenskandal für Schlagzeilen sorgte und die Bewegung des biologischen Landbaus arg in Bedrängnis brachte. Wir erinnern uns noch gut, wie lange es dauerte, bis die Ursache endlich geklärt war. Die Kontanimierung geschah in einer Lagerhalle im Osten Deutschlands, in der zu DDR-Zeiten Pflanzenschutzmittel gelagert waren. Die Gerüchteküche brodelte wochenlang und fügte dem Bioproduktemarkt einen beträchtlichen Schaden zu. Die Diskussionen hätten viel früher beendet werden können, wenn die Rückverfolgbarkeit der fraglichen Ware gewährleistet gewesen wäre.

Die Kosten für die Kontrolle sind an der Schmerzgrenze

(epp) – Der 39jährige Charles Mubanga ist Mitglied einer Kooperative im afrikanischen Land Sambia. Produziert werden Kaffee, Erdnüsse, getrocknete Pilze und Früchte sowie Sonnenblumenkerne für den europäischen und amerikanischen Biofachmarkt. Für die Sambier selber seien die Produkte zu teuer, erzählt Charles Mubanga freimütig. Dank den auf den Exportmärkten gelösten höheren Preisen hätten aber immerhin 6000 Menschen ein Einkommen. „Das gibt den Menschen in unserem armen Land Hoffnung,“ erklärt er mit sichtbarem Stolz. Seit sechs Jahren ist er Biobauer. Viele Anpassungen seien nicht notwendig gewesen, da künstliche Dünger und Pflanzenschutzmittel aus wirtschaftlichen Gründen schon früher nie verwendet worden seien. Zertifiziert werden die Produkte heute durch die französische Firma ECOCERT. Die Gebühren für die Zertifizierung seien aber nahe an der Schmerzgrenze, und für manche potentielle Produzenten in Afrika schlicht zu hoch, sagt Mubanga. Überhaupt stellt er fest, dass die Zertifizierung immer schwieriger werde und kleinere Betriebe, die in Sambia vorherrschen, immer öfter benachteiligt würden. „Die grossen Händler haben kein Interesse an Kleinproduzenten wie uns,“ stellt er verbittert fest. „Wir haben zudem Mühe mit der Just-in-Time Mentalität der reichen Länder, zumal der Afrikanische Kontinent auch kommunikationstechnisch isoliert ist.“ Trotzdem hofft er, dass er an der Biofachmesse den einen oder anderen Kontakt knüpfen kann, der ihm zu mehr Absatz verhilft. In Nürnberg ist er mit seinen Produkten zum ersten Mal vertreten. Er konnte sich das nur leisten, weil eine Entwicklungsorganisation für die Kosten aufgekommen ist.

Das war aber offenbar nicht der Fall. Schuld daran war das unübersichtliche, ineffiziente Kontrollsystem.

Vertrauen ist das Kapital

Die Biobranche arbeitet eifrig an Lösungen, welche die lückenlose Rückverfolgung von Lebensmitteln ermöglichen. Insbesondere für Ökoprodukte ist ein griffiges Kontrollsystem überlebenswichtig. Denn das Vertrauen der Konsumentinnen und Konsumenten ist das Kapital des biologischen Landbaus. Gerade die Kundschaft von Bioprodukten reagiert besonders sensibel auf
negative Schlagzeilen. Mit der Zunahme der Zahl der Produzenten und der Anbaufläche steigt rein schon statistisch die Anzahl von schwarzen Schafen an, die es letzlich in jeder Branche gibt. Noch ist die Schweiz von grossen Skandalen verschont geblieben, die Kontrollen scheinen einigermassen Wirkung zu zeigen. „Der Schweizer Markt ist im Vergleich zu anderen Ländern in einer komfortablen Lage, da mit der Fricker Firma „bio inspecta“ eine Firma für die Zertifizierung des Mammutanteils von Bioprodukten zuständig ist,“ erklärt Regula Bickel, Leiterin des Bereichs Verarbeitung und Handel bei „bio inspecta“. Die Situation in der Schweiz ist insofern gar einzigartig, als die Kontrolle und Zertifizierung von einer unabhängigen Firma und nicht von den Verbänden selbst vorgenommen wird. Trotzdem könnte in der Schweiz zweifellos noch effizienter gearbeitet werden. Die Stimmen der Produzenten rufen schon seit längerem nach tieferen Zertifizierungs- und Kontrollgebühren.

Frankreich in Vorreiterrolle

Einen Schritt weiter ist man offenbar in Frankreich. Zusammen mit dem französischen Wirtschafts-, Finanz- und Industrieministerium hat der Verband der Unternehmen für Verarbeitung und Vertrieb von Bioprodukten „Setrabio“ die Software „Tracerbio“ entwickelt, welche die lückenlose Rückverfolgung eines Produktes vom Ladentisch bis zum Acker gewährleistet. „Im Unterschied zum bisherigen System, bei dem mehrere Kontrollstellen am Werk waren und dadurch ein beträchtlicher Informationsverlust entstand, werden in diesem Programm alle Daten zentral gesammelt,“ erklärte Corinne Langlais von „Setrabio“ im Februar in einem Referat im Rahmen der

Nicht mehr Mycotoxine in Bioprodukten

(epp) – Immer wieder tauchen Behauptungen auf, wonach in Bioprodukten wegen des Verzichts auf chemische Hilfsmittel mehr schädliche Mycotoxine vorhanden sein sollen als bei konventionellen Produkten. Der französische Verband der Unternehmen für Verarbeitung und Vertrieb von Bioprodukten „Setrabio“ hat insgesamt während zwei Jahren über 600 Proben von biologischem Vollkornbrot, Müesli, Biscuits, Apfelsaft und Apfelkompot aus Naturkostläden und Supermärkten in verschiedenen Regionen auf Mycotoxine hin untersucht. In 35 Prozent der Proben von Vollkornbrot wurden tatsächlich Mycotoxine gefunden, davon lagen 11 Prozent über dem kritischen Wert der für die Gesundheit bedenklich sein könnte. Es wurde aber kein signifikanter Unterschied zu konventionellen Produkten festgestellt. Das Gleiche gilt für die Apfelprodukte, bei denen bezüglich Mycotoxine kein Unterschied zwischen Naturprodukt und Industrieprodukt nachgewiesen werden konnte. Absolut problemlos bezüglich Mycotoxinen stellten sich in den Untersuchungen die Müesli und Biscuits aus ökologischer Produktion heraus.

Ökofachmesse „Biofach 2003“ in Nürnberg. In Frankreich nutzen gemäss ihren Angaben bereits über 1000 Produzenten das System, das in der ersten Phase vor allem für den Biogetreidemarkt programmiert wurde. Künftig sollen alle Produkte erfasst und Zusatzinformationen wie beispielsweise Analyseresultate jederzeit online abgefragt werden können. 21’000 Tonnen Bioweizen, rund ein Viertel der ganzen französischen Produktionsmenge, seien nach Auskunft von Corinne Langgiais im vergangenen Jahr bereits über „Tracerbio“ abgewickelt worden. Am Anfang der Kette steht dabei der Bauer, der seine Produktionsmenge über das Internet auf der Website von Tracerbio (www.tracerbio.org) eingibt. Das Gleiche nimmt zu gegebener Zeit der Transporteur, der Zwischenhändler und schliesslich der Detailhandel vor. Am Ende steht das Produkt im Ladengestell mit einem Strich-Code ausgestattet, mit dessen Hilfe über das Internet jederzeit der gesamte Werdegang verfolgt werden kann. Die ganze Sache läuft zentral über das Internet ab. „Sollte jemand plötzlich mehr Weizen erfassen, als der Produzent einmal eingegeben hatte, wird die Kontrollstelle automatisch benachrichtigt und der ganze Vorgang sofort gestoppt,“ versicherte Corinne Langlais.

Zusammenarbeit mit der Schweiz

In Frankreich beteiligen sich nach Angaben von „Setrabio“ alle namhaften Bioanbauverbände am Projekt. Langfristig zielen die Initianten auf die Verwendung des zentralen Systems im gesamten europäischen Raum ab. Eine Sitzung mit der zuständigen EU-Stelle habe bereits stattgefunden, erklärte Corinne Langlais. Das macht Sinn angesichts der Tatsache, dass im europäischen Binnenmarkt bekanntlich keine Grenzen bestehen, und schliesslich auch der Konsument im Naturkostladen in Hamburg wissen möchte, woher denn sein französischer Biohonig stammt. Erste Kontakte nach Belgien, Italien, Deutschland und in die Schweiz wurden offenbar schon geknüpft. Regula Bickel von „bio inspecta“ sieht bereits mögliche Schnittstellen in ihrem System zur Software von Setrabio. „Dass es dabei möglich ist, den ganzen Prozess dezentral über das Internet abzuwickeln ist eine phänomenale Errungenschaft,“ findet sie. Eine länderübergreifende zentrale Sammlung der Daten würde ihres Erachtens grosse Vorteile bringen und wohl auch die Effizienz steigern. Wer weiss also, ob in ein paar Jahren neben der Kasse des Supermarktes einmal ein Bildschirm für die Kundschaft installiert sein wird, auf dem der Verarbeitungsweg des Produktes abgelesen werden kann? Der Weg bis dahin ist noch weit, doch die Zeit drängt.

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