Nun sind sie also wieder auf der Pirsch, die rund 30’000 Jäger in der ganzen Schweiz. Der Abschuss von Wild nützt auch der Landwirtschaft, die jährlich von beträchtlichen durch Wildtiere verursachten Schäden betroffen ist.
Die Herbstzeit ist auch die Zeit der Jagd. Zu Tausenden gehen die Jäger in diesen Wochen wieder auf die Pirsch und warten mit geladener Flinte auf Rehe, Gemsen, Hirsche oder sogar auf Steinböcke. Über 40’000 Rehe, 18’000 Gemsen und 6’000 Rothirsche werden jährlich in der ganzen Schweiz zum Abschuss freigegeben. Die Zahl der jährlichen Abschüsse wird jeweils aufgrund von Zählungen und Schätzungen der zuständigen Wildhüter festgelegt. Das Fleisch der erlegten Tiere landet zum grössten Teil in der Bratpfanne. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sind die moralischen Bedenken bezüglich der Jagd vergessen. So hat die Ankündigung einer Sonderjagd auf Rehkitzen im Bündnerland vor einem Jahr einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Auf die diesjährige Ankündigung der Sonderjagd sind die Reaktionen allerdings deutlich geringer ausgefallen. Offenbar hat die Bevölkerung akzeptiert, dass der Rehbestand im Kanton Graubünden mit 18’000 Tieren zum jetzigen Zeitpunkt zu hoch ist.
Der Wildbestand muss reguliert werden
Wenn es in einem Wald zu viele Tiere hat, werden die Verbissschäden an den Bäumen zu gross. Regulierte sich das System bis vor ein paar hundert Jahren noch selber, so muss heute, wo auch in den Alpen keine natürlichen Verhältnisse mehr herrschen, der Bestand an Wildtieren künstlich reguliert werden. Dazu gehört auch der Abschuss von Tieren, weil die Verhältnisse zwischen Räuber und Beute nicht mehr dafür sorgen können, dass die Bestände stabil sind. Die Erhaltung der Artenvielfalt wäre deshalb eine Voraussetzung dafür, dass sich das System nachhaltig regulieren lässt. Nur waren sich unsere Vorfahren dieser Tatsache noch nicht bewusst. Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts wurden viele Raubtiere ausgerottet oder standen kurz davor. Die ebenfalls stark dezimierten Bestände beim Schalen- (Rehe, Hirsche) und beim Steinwild (z.B. Steinböcke) konnten sich in grossen Schutzgebieten und mit Hilfe von stark eingeschränkten Jagdperioden wieder erholen. Um die Schäden für die Forst- und die Landwirtschaft in Grenzen zu halten, müssen die Bestände eine günstige Zusammensetzung bei Alter und Geschlecht aufweisen. Die Regulierung eines Wildbestandes ist allerdings Inhalt vieler Diskussionen und wird verschieden gehandhabt. So wird im Kanton Bern darauf geachtet, dass gleich viele Geissen wie Böcke sowie ein Drittel der Jungtiere gejagt werden. Bei den Gemsen wird von den Jägern eine starke Nutzung des Jungwildes angepeilt, um möglichst viele dichtebedingte Winterverluste vorwegzunehmen. Dies sichert den übrigen Gemsen eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit.
Landwirtschaft und Jäger kommen sich in den Alpen in die Quere
Die Jäger beklagen sich immer häufiger über den zunehmenden Auftrieb von Schafen zur Sömmerung in den Hochlagen der Voralpen und der Alpen. Aus Sicht der Landwirtschaft bekommt die Jagd hier eine zusätzliche Bedeutung, in dem sie mit der Regulierung der Bestände dafür sorgt, dass genügend Nahrung für alle Tiere vorhanden ist. Schafe sind aber nicht nur Nahrungskonkurrenten zu Gemsen und Steinböcken, sondern können auch für die Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten in Wildbeständen sorgen. „Es muss damit gerechnet werden, dass Gemse und Steinböcke über weithertransportierte Schafe und Ziegen neuen Krankheitserregern ausgesetzt werden können,“ schreibt der Wildbiologe Peter Meile dazu in der Fachzeitschrift „Feld Wald Wasser“.
Wildschweine lassen sich nur schwer regulieren
Die Landwirtschaft ist auch in tieferen Lagen an einer nachhaltigen Nutzung des Wildes interessiert. Vor allem die Zunahme der Wildschwein-Population bereitet einigen Kantonen (vor allem Aargau, Basel-Land und Waadt) jedoch immer mehr Sorgen. Wildschweine verköstigen sich vor allem in den Maisfeldern der Landwirte. Im Kanton Aargau sind bis im Monat August dieses Jahrs Wildschäden von 170’000 Franken entstanden, ein beträchtlicher Teil davon durch Wildschweine. Da Wildschweine eine hohe Reproduktionsrate aufweisen, vermehren sie sich schneller als andere Wildtierarten. Und weil die Tiere sehr flink und schnell sind, gestaltet sich auch die Jagd als ausserordentlich schwierig. Laut Jagdstatistik sind im vergangenen Jahr 3121 Wildschweine erlegt worden. Trotzdem nehmen die Klagen der Bauern aber eher zu.
Landwirtschaft hat mehr Einfluss auf das Wild als die Jagd
Da die Landwirtschaft massgebend an der Landschaftsgestaltung beteiligt ist, hat sie auch einen grossen Einfluss auf das Leben von Wildtieren. „Die Landwirtschaft hat einen viel grösseren Einfluss auf Wildpopulationen als die Jagd selber“, erklärt Thomas Pachlatko vom Infodienst Wildbiologie & Ökologie in Zürich. So lässt sich zum Beispiel erklären, dass sich die Wildschweinbestände im Schatten des zunehmenden Maisanbaus in der Schweiz wieder etablieren konnten. Immer bedeutender auf die Zusammensetzung des Wildtierbestandes wirkt sich zudem der Verkehr aus. 1996 wurden durchschnittlich sechs Prozent des schweizerischen Rehbestandes von Auto oder Eisenbahn überfahren. Während häufig vorkommende Arten wie Rehe oder Rothirsche die Verluste noch ausgleichen können, haben seltenere Arten wie der Feldhase zunehmend Mühe, überhaupt zu überleben.
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