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Die Varroa-Milben wollen den Bienen einmal mehr an den Kragen (LID-Mediendienst, 12. März 1998)

Die Varroa-Milbe sorgt wieder einmal für Aufsehen. Ganze Bienenvölker sind bedroht, die Bekämpfungsmittel sind umstritten. Einige Imker fordern dazu staatliche Hilfe, andere Seiten wollen sich wiederum vermehrt selber helfen.

Rund 300,000 Bienenvölker gibt es in der Schweiz. Im vergangenen Jahr produzierte ein Bienenvolk durchschnittlich 6,7 Kilogramm Honig, was eine eher bescheidenen Quote im Vergleich zu anderen Jahren darstellt. Schuld an den tiefen Zahlen war vor allem die nasskalte Witterung im Sommer, die den Bienen stark zusetzte. Zudem sind die Bienen natürlich auch abhängig vom Blütenangebot, und dieses war wegen den Frühjahrsfrösten insbesondere bei den Obstbäumen im vergangenen

Honigbiene (Apis mellifica)

de. Die Honigbienen haben hochentwickelte Brutpflegeinstinkte. Ihre Staaten bestehen aus der Königin, die voll ausgebildete Geschlechtsorgane besitzt, aus 30,000 bis 75,000 Arbeiterinnen, bei denen die Geschlechtsorgane zurückgebildet sind, und den Drohnen (männliche Bienen). Die Königin wird während des Hochzeitsflugs durch mehrere Drohnen begattet, speichert den Samen in einem Vorratsbehälter und legt etwa 2000 Eier pro Tag. Aus den befruchteten Eiern werden weibliche Bienen, die entweder zu Arbeiterinnen oder durch besonderes „Königinnenfutter“ zu Königinnen herangefüttert werden. Aus den unbefruchteten Eiern bilden sich in etwas vergrös-serten Wabenzellen (Drohnenzellen) die Drohnen, die am Ende des Sommers durch die Arbeiterinnen getötet werden. Die eigentlichen Honigbringer sind die Arbeitsbienen. Sie nehmen mit den Mundwerkzeugen den Nektar aus den Blüten auf, der im Honigmagen in Honig umgewandelt und im Stock wieder herausgewürgt und in den Waben abgelagert wird.

Jahr ziemlich gering. Im Jahr 1995 fuhren die Imker hingegen eine Rekordernte von 30 Kilogramm pro Volk ein. Neben dem Wetter wirken sich aber noch andere Faktoren auf die Honigproduktion beziehungsweise die Bienenpopulationen aus. In den letzten Jahren sind immer mehr Imkereien vom Befall des heimtückischen Parasiten der Varroa-Milbe betroffen.

Varroa-Milbe saugt an Bienenbrut

Die Schadmilbe befällt zur Eiablage die Bienenstöcke und saugt die Waben aus, was innerhalb weniger Wochen zum Verlust eines ganzen Bienenvolkes führen kann. Besonders perfid dabei ist, dass ein Bienenvolk auch zwei oder drei Jahre nach einer Infektion keine Symptome zeigen muss. Ursprünglich stammt der Bienenparasit aus Neuguinea. Mitte der siebziger Jahre gelangte die Varroa-Milbe aus Osteuropa nach Deutschland, von wo aus sie auch die Schweiz erreichte. Seither sorgt sie jährlich immer wieder für beträchtliche Schäden. Die Übertragung von Volk zu Volk erfolgt durch Räuberei, Verfliegen von Drohnen (männliche Bienen) und Arbeiterinnen, wilde Schwärme und durch den Imker. Erst in der vergangenen Woche berichteten die Walliser Bienenzüchter, dass die Walliser Bienenhäuser seit ein paar Monaten wieder verseucht seien, was bereits vor dem Sommer zu grossen Schäden geführt habe. Ähnliche Meldungen kommen aus den Kantonen Thurgau und Aargau. Im Aprikosenkanton Wallis fürchten natürlich auch die Obstproduzenten um die Bestäuber ihrer Kulturen. Um die Bedeutung der Bienenvölker für die Umwelt zusätzlich zu unterstreichen, fordern die Walliser Imker im gleichen Atemzug eine Bestäubungsprämie, die der Imkerei das Leben etwas weniger schwer machen soll. In der EU werden je nach Mitgliedsland 4 bis 8 Franken pro Volk an die Bienenzüchter ausbezahlt.

Ist Varroa-Milbe mehr als eine zu überwachende Seuche?

Bestimmte Kreise der Imker fordern, dass die Varroatose nicht mehr nur als sogenannte „zu überwachende Seuche“ klassiert wird. Die Walliser Imker richteten sich in dieser Angelegenheit sogar an den dafür zuständigen Walliser Staatsrat Peter Bodenmann. Eine Umklassierung als „zu bekämpfende Seuche“ oder gar als „auszurottende Seuche“ wäre finanziell interessanter und würde vor allem auch eine grossflächige Behandlung ermöglichen. Doch genau diese grossflächige Behandlung ist umstritten, da chemische Bekämpfungsmittel auch in den vergangenen Jahren nicht die Ausrottung der Milbe bewirken konnten.

Viele Meinungen zur Varroatose-Bekämpfung

Über wirksame Methoden zur Bekämpfung der Varroatose wird in Imkerkreisen viel diskutiert. Eine hundertprozentig wirkungsvolle Bekämpfung wurde bis heute nicht gefunden. Auch die Resistenzforschung hat sich als schwierig herausgestellt. Die chemische Bekämpfung hat bei
einigen Bienenvölkern Resistenzerscheinungen hervorgerufen, so dass heute wieder vermehrt über alternative, integrierte Methoden diskutiert wird. Empfohlen wird oft der Einsatz von Ameisensäure. Der dänische Imker Knud Riis Andresen zum Beispiel kommt seit Jahren ohne Pestizide aus. Er behandelt seine Waben im entscheidenden Moment im Sommer, wenn die Milbenbelastung am grössten ist, mit wenig Ameisensäure. Er weist aber darauf hin, dass mit stark verdünnter Milchsäure ebenfalls Erfolge erzielt werden können, allerdings muss der Befall früh genug erkannt werden. Die Früherkennung ist deshalb besonders wichtig, weil sich die Milben unheimlich schnell vermehren. Die Populationen verdoppeln sich jeden Monat. Sind es im Frühjahr hundert Milben im Bienenvolk, dann werden es unbehandelt im August über 7000 sein, was gleichbedeutend mit dem Ende des Volkes ist. Eine andere Bekämpfungsmöglichkeit bildet die Drohnenfang-Methode. Dabei wird der Umstand ausgenützt, dass die Varroa-Milben 12mal häufiger Drohnenzellen als Arbeiterinnenzellen besetzen. Bei dieser Methode wird im richtigen Zeitpunkt die Drohnenbrut weggeschnitten und somit der Hauptbefallungsherd entfernt.

Bienengesundheitsdienst als Selbsthilfe für Imker

Berchtold Lehnherr, Redaktor der Schweizerischen Bienen-Zeitung und selber Imker, ist der Meinung, dass bei der Bekämpfung der Varroa-Milbe falsche Prioritäten gesetzt werden: „Die gegenwärtige Varroa-Welle zeigt doch, dass die chemische Behandlung der letzten Jahre offenbar nichts gefruchtet hat.“ Viel wichtiger sei die Prävention vor dem Befall der Völker. Dazu gehört seiner Meinung nach auch die Planung der Völker selber, bei der das Augenmerk mehr auf die Jungvolkbildung und damit die Vitalisierung der Völker gerichtet werden soll, mit jüngeren Königinnen im Alter von zwei und nicht von vier bis fünf Jahren, wie dies oft der Fall sei. „Anstatt staatliche Hilfe sollen die Imker selber mehr Verantwortung übernehmen,“ ist Lehnherr überzeugt. Diese könne zum Beispiel mit der Bildung eines Bienengesundheitsdienstes gefördert werden, der den Imkern beratend zur Seite stehe und Ausbildungen oder Untersuchungen im Labor anbiete. „Mit Untersuchungen von Honigproben kann das Bedrohungsrisiko im Bienenvolk im vornherein abgeschätzt, und allenfalls auch entsprechend reagiert werden,“ erklärt Lehnherr.
Die einseitige Bekämpfung der Varroa-Milbe mit Chemikalien scheint tatsächlich nicht sehr erfolgsversprechend zu sein. Viel mehr muss eine ganze Palette von Faktoren berücksichtigt werden, mit dem Ziel, den Varroa-Bestand tief zu halten. Die Ausrottung der Milbe scheint zum jetzigen Zeitpunkt nicht realistisch.

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