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Standort bringt alles andere als «den Fünfer und das Weggli»

Der Gemüsebau-Betrieb von Marcel Bosshard steht praktisch auf der Grenze zwischen der Schweiz und Deutschland. Dank einer Spezialregelung kann er seine Produkte zollfrei in der Schweiz vermarkten. Doch damit befindet er sich nur auf den ersten Blick in einer privilegierten Situation. Denn die Sonderrechte bringen viel Aufwand mit sich.

Gleich neben dem Grenzübergang in Weil am Rhein stehen die Gewächshäuser von Marcel Bosshard. Im Hintergrund erscheint die Silhouette der Stadt Basel. Der Betrieb ist zwar auf deutschem Boden liefert aber praktisch ausschliesslich in die Schweiz. Er profitiert dabei von einer Spezialregelung in Grenzkantonen: Steht der Betrieb in einer Distanz von weniger als 10 km zur Grenze dürfen diese Produkte zollfrei in die Schweiz ausgeführt werden. Günstig in der EU produzieren und dann zu einem guten Preis in der Schweiz verkaufen. Das denken sich wohl viele seiner Schweizer Berufskollegen ganz spontan. Doch der Gedanke an das «Fünfer und Weggli» ist hier fehl am Platz, wie sich herausstellt. Denn um von der Spe­-zial­regelung profitieren zu können, müssen viele Bedingungen erfüllt sein. Der administrative Aufwand ist beispielsweise beträchtlich: «Jede Fahrt über die Grenze muss genau deklariert werden», erklärt Marcel Bosshard. Jedes Jahr müsse er beiden Zollstellen zudem aktualisierte Kulturpläne, Pachtverträge, Grundbuchauszüge und mehr abliefern. Dazu eine möglichst genaue Schätzung für die im kommenden Jahr erwarteten Erntemengen. Als «Suisse Garantie»-Betrieb kommt der ganze «normale» administrative Aufwand natürlich noch dazu. Vieles muss doppelt geführt werden. Beispielsweise die Buchhaltung und die Steuererklärung. Direktzahlungen und andere Unterstützungen aus der Schweiz erhält er keine. «Und die Förderungen in Deutschland sind ziemlich bescheiden», sagt Marcel Bosshard.

Weite Wege und ähnlich hohe Löhne

Als anerkannter grenznaher Betrieb darf er gemäss Gesetz nicht in Deutschland abpacken. Die Abpackerei liegt deshalb 10 km entfernt in Pratteln. «Mit der Fahrerei geht viel Zeit verloren», sagt Marcel Bosshard. Um zu genug Flächen zu kommen, müsse er die 10-km-Regelung zudem maximal ausreizen. Das ist keine einfache Aufgabe in der dicht besiedelten Region in Weil am Rhein. Die weitesten Parzellen liegen 30 Minuten Fahrzeit entfernt. «Im Durchschnitt verbringen unsere Angestellten jeden Tag eine Stunde im Auto», sagt Marcel Bosshard. Er selbst wohnt übrigens nur 10 Minuten entfernt auf der anderen Seite der Grenze in Riehen. Die Zollgesetzgebung verlangt in seinem Fall nicht nur, dass der Betriebsleiter in der Schweiz wohnt, auch einen Schweizer Pass muss er vorweisen können.

Kann er sich dafür wenigstens mit tieferen Löhnen als in der Schweiz trös­ten? «Wir haben das durchgerechnet und gesehen, dass die Differenz minimal ist», sagt seine Schwester Christine Bosshard, die für die Administration zuständig ist. Nur schon die Lohnnebenkosten seien in Deutschland 14 Prozent höher als in der Schweiz. Ausserdem hätten die Angestellten mehr gesetzlichen Anspruch auf Ferien und die erlaubte Wochenarbeitszeit liege mit 45 Stunden pro Woche auch tiefer. Zudem übernehme der Betrieb 50 Prozent der Krankenkassenprämie. Die Rekrutierung von Arbeitskräften sei ausserdem ziemlich schwierig. Der regionale Arbeitsmarkt gebe nur wenig her: «Das Arbeitsamt zwingt uns immer wieder, arbeitslosen Leuten aus der Region eine Chance zu geben». Mit ernüchterndem Erfolg. Viele treten die Stelle gar nicht erst an und der Rest habe meistens nach kurzer Zeit keine Lust mehr auf die Arbeit im Gewächshaus oder auf dem Feld. Zurzeit kommen die Mitarbeiter deshalb vor allem aus Rumänien und Polen.

Keine Zuschüsse für neue Heizanlage

Die Gewächshäuser mit den Tomaten und Gurken heizt er seit diesem Frühling zu einem grossen Teil mit einer 835 Kilowatt-Pellet-Heizung. «Die Abnehmer sehen es gerne, wenn man CO2-neutral produzieren kann», sagt Marcel Bosshard. Seine Hoffnungen auf EU-Zuschüsse für die umweltfreundliche Anlage zerschlugen sich aber im Wind. Wegen der Wirtschaftskrise seien in Deutschland praktisch alle Förderungsmittel gestrichen worden. Deshalb muss er die Kosten von 250 000 Euro aus dem eigenen Sack bezahlen.

Als grenznaher Betrieb trägt er zudem ein Währungsrisiko. Zurzeit liegt er da zwar auf der Gewinnerseite, weil die Abnehmer in der Schweiz seine Produkte in harten Schweizer Franken bezahlen. «Doch vor zwei Jahren hatten wir genau das Gegenteil, als der Euro bei 1.68 lag», relativiert Bosshard. Bei den Kosten für Pflanzenschutzmittel und Dünger sieht er übrigens keine grossen Unterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland. Er habe auch schon bei einem Schweizer Händler eingekauft, weil dieser güns­tiger offeriert habe.

Gegen Agrarfreihandel­sabkommen

In anderen Grenzkantonen wie Schaffhausen kommt es laut Zeitungsberichten immer wieder zu Streitereien im Zusammenhang mit den Sonderregelungen. «Bei uns gibt es aber keine Probleme mit den deutschen Nachbarn und es gibt kaum Neid.» Nicht mehr oder weniger als in der Schweiz auf jeden Fall, sagt er. Der Betrieb beliefere schliesslich schon lange den Schweizer Markt und sei in der Region integriert und bei der Bevölkerung gut akzeptiert. Tauschen möchte er mit den deutschen Kollegen aber nicht. Denn bei allen Nachteilen wiegt der Vorteil des Schweizer Marktes als Abnehmer von seinen Produkten immer noch genug schwer. Marcel Bosshard ist auch deshalb gegen ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU. Die Preise in Deutschland seien nicht attraktiv und der Markt gesättigt. «Unser Betrieb ist voll auf die Schweiz ausgerichtet!» Dass dieser auf deutschem Land liegt ist eher zufällig: Der Betrieb steht seit 100 Jahren dort. Er wurde einst im Jahr 1895 aus dem Basler Stadtgebiet zu Gunsten der Hafenerweiterung ausgesiedelt. Der einzige Standort, der in Frage kam, lag eben auf deutscher Seite 500 Meter vom ehemaligen Betrieb entfernt. Und als sein Vater diesen im Jahr 1977 in Pacht nahm, war es für ihn die einzige Möglichkeit zu einem eigenen Betrieb zu kommen. «Wenn ich wählen könnte, dann wäre es mir lieber, wenn der Betrieb ganz in der Schweiz liegen würde», sagt Marcel Bosshard. Denn nur schon der ganze Papierkrieg ist ihm eigentlich ein Gräuel. Auf eine allfällige Marktliberalisierung angesprochen bezeichnet er eine hohe Produktivität und Qualität als wichtigste Faktoren um bestehen zu können. Er setzt zudem auf die Regionalität. Und der Schweizer Markt sei hier interessanter: «In der Schweiz ist der regionale Gedanke mehr verankert als in Deutschland.»

Veröffentlicht in Blog

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