Zum Inhalt springen →

«Deutsche Produzenten stehen nicht Gewehr bei Fuss an der Grenze!»

Ein Schweizer Gemüseproduzent sagte kürzlich in vertrauter Runde: «Die wirkliche Gefahr bei einer Grenzöffnung lauert gleich hinter der Grenze im süddeutschen Raum und nicht in Spanien oder Holland!» Was steckt hinter dieser Aussage? Eine Fahrt nach Baden-Württemberg zu einem spezialisierten Freilandbetrieb soll mehr Klarheit bringen.

Die Weichen sind auf Spezialisierung gestellt. Rund 35 Hektaren Mini-Romana baut die Gemüsebau Huber GmbH & Co im Baden-Württembergischen Friesenheim in diesem Jahr an. Die anderen Hauptkulturen sind Brokkoli, Eisberg und Kopfsalat. «Noch vor fünf Jahren wäre eine derart kleine Produktpalette für mich undenkbar gewesen,» sagt Berthold Huber etwas wehmütig. Als Vollblut-Gemüseproduzent war er sich viele Jahre gewohnt, ein breites Sortiment anzubauen. Berthold Huber führte den Familienbetrieb bis Ende des letzten Jahres in dritter Generation. Weil in der Familie keine Nachfolge in Sicht war, entschied er sich für den Verkauf des Unternehmens. Seit Anfang Jahr hält das Vermarktungs- und Produktionsunternehmen Gemüsering Stuttgart zusammen mit dem Produzenten Kars­­ten Grosshans hundert Prozent der Beteiligungen. Berthold Huber ist nun Angestellter des Unternehmens und mit Spezialaufgaben betraut. «Nach dem Unternehmenswechsel hat eine weitere Spezialisierung stattgefunden», sagt er. «Es ist vorbei mit der Gärtnerromantik», gibt Geschäftsführer Michael Stahl gleich noch einen oben drauf. Alles laufe in Richtung industrielle Produktion. Für Berthold Huber ist heute klar, dass die Marktsituation in Deutschland eine Spezialisierung unumgänglich macht. «Die Vielzahl von Kulturen ist ein Kostenbringer», sagt er. Nur mit weniger Produkten sei eine kostengünstige Bewirtschaftung möglich. Er habe festgestellt, dass die Angestellten auf dem Betrieb viel effizienter arbeiteten und die einfacheren Arbeitsabläufe viele Vorteile hätten.

Effizienz auf dem Acker

Es ist heiss an diesem Tag im Juli. Die Wasser-Pumpen stehen im Dauereinsatz. Die Bewässerungsrohre bleiben das ganze Jahr auf dem Feld liegen. Keine Angestellten also, die stundenlang Rohre herumtragen. Die gesamte Betriebsfläche kann beregnet werden. Durchschnittlich wird eine Parzelle alle 1,5 Tage bewässert. Das Wasser für die 70 Hektaren Fläche bezieht der Betrieb aus eigenen Quellen, was sich positiv auf die Kosten auswirkt. Die Äcker liegen alle in Sichtweite des Betriebes. Die Transportwege werden dadurch kurz. Auch auf dem Feld selbst geht es schnell: «Dank einem speziellen Ernteverfahren mit einem 15 Meter breiten Erntebalken bleibt dort keine Kiste stehen», erklärt Berthold Huber. Bei der Pflanzung der Kulturen habe sich gezeigt, dass sich kleine Setzlinge besser und gleichmässiger entwickelten und sich deshalb für eine rationelle Bewirtschaftung besonders gut eigneten. Nach der Ernte werden die Pflanzenreste zusammen mit Rüstabfällen in den Boden eingearbeitet und der Boden so mit organischem Material versorgt. Nur die Fahrgassen werden tiefengelockert um einer Verdichtung vorzubeugen. Nach den feldhygienischen Massnahmen erhält der Boden drei bis vier Wochen Pause um sich zu regenerieren. In der Fruchtfolge stehen Salat, Kohl, Gründüngung und Getreide, letzteres im Abtausch mit benachbarten Betrieben.

Arbeitskräfte aus Rumänien und Polen

Die Gemüsebau Huber GmbH & Co. beschäftigt fünf ständige Mitarbeiter und rund 120 Erntehelfer. Die meisten kommen zurzeit aus Rumänien und Polen. Einige Altgediente haben sich zu Führungskräften emporgearbeitet. Netto verdient ein Erntehelfer in Friesenheim umgerechnet zwischen sieben und acht Franken. Der Bruttolohn beträgt rund das Doppelte. «Die meis­-ten Angestellten, mit Ausnahme der zwei-Monate-Beschäftigten, sind Sozialversicherungspflichtig», sagt Ber­thold Huber. Die Rekrutierung vor allem von einheimischen Arbeitskräften ist schwierig:«Kein Mensch denkt daran, sich diese Mühen aufzuladen, wenn es anders geht», schmunzelt er.

Grosse Eisberg-Salate

In der Rüsterei läuft gerade Eisberg-Salat über das Rollband. Die Kaliber sind für Schweizer Verhältnisse ungewohnt gross. «400-500 Gramm sind Standard in Deutschland,» sagt Berthold Huber. «Eisbergsalat aus ihrer Region» und der Name eines Zwischenhändlers stehen auf der Etikette. Die Ladung ist für die Discount-Schiene bestimmt. Im Dorf kostet ein Eisberg-Salat aus deutscher Produktion bei Aldi an diesem Tag 35 Cent, das sind umgerechnet nicht einmal 50 Rappen. Die Preise seien eigentlich in diesem Sommer wider Erwarten bisher aber gar nicht so schlecht, sagt Michael Stahl. «Im letzten Jahr kostete der Kopfsalat zwischenzeitlich im Laden 9 Cent.» Solche quersubventionierte Preise würden dann den ganzen Markt runterziehen. Eine Logik, die den Schweizer Produzenten  seit dem Markteintritt von Aldi und Lidl ebenfalls bestens bekannt ist. Der Betrieb Huber arbeitet zweigleisig auf je einer Discount- und Premiumschiene. «Bei den Premium-Produkten steht der Name Huber drauf», sagt Berthold Huber. Um im Markt bestehen zu können müsse man verhindern, dass die Produkte austauschbar seien. Und darum geht es bei dieser Linie. Dabei spielt neben der Qualität auch die Regionalität eine wichtige Rolle: «Der Konsum-Trend geht in Deutschland in Richtung regionale Produktion», ist Michael Stahl überzeugt.

Wenig Interesse am Schweizer Markt

100 km südlich liegt die Schweiz. Die Grenze könnte für Deutsches Gemüse bei einer allfälligen Marktöffnung bald wegfallen. Wäre das eine Option für die Salate aus Friesenheim? Die Antwort fällt zögerlich aus: «Wir setzen eigentlich mehr auf den regionalen Markt», sagt Berthold Huber. Natürlich könnte der Betrieb jede Schweizerin und jeden Schweizer theoretisch mit einem Mini-Romana versorgen, lacht er. Doch auf dem Betrieb wären auch Anpassungen für den speziellen Schweizer Markt nötig, nicht nur was die Kaliber von Eisbergsalat betrifft. «Die Kommissionierung der Ware scheint mir in der Schweiz ziemlich aufwändig», sagt er. Ob sich solcher Zusatzaufwand für diesen relativ kleinen Markt lohnen würde sei fraglich. Er relativiert das Interesse der deutschen Gemüseproduktion an einem Agrarfreihandelsabkommen mit der Schweiz deshalb: «Es ist nicht so, dass die deutschen Gemüseproduzenten Gewehr bei Fuss an der Schweizer Grenze stehen und auf die Marktöffnung warten», sagt Berthold Huber, der übrigens gut mit der Situation auf dem Schweizer Markt vertraut ist. Eine Überflutung mit deutschem Gemüse werde es nicht geben. Michael Stahl verweist auf das Verhältnis mit dem benachbarten Elsass. Dort setzten die Konsumenten trotz offener Grenzen stark auf die eigenen, regionalen Produkte und erschwerten den Import ziemlich stark. Ähnliches könnte er sich für den Schweizer Gemüsemarkt vorstellen. Trotzdem habe eine Marktöffnung Folgen für die Schweizer Produzenten, wenn auch vor allem indirekt: «Sie können sicher sein, dass die Abnehmer bei Preisverhandlungen mit ausländischen Konkurrenz-Angeboten als Druckmittel auftreten werden!», sagt Michael Stahl. Im Klartext könnte das also bedeuten: Inländische Ware zu ausländischen Preisen.

Anpassungen sind nötig

Berthold Huber warnt seine Schweizer Kollegen davor, das Lohnargument in den Marktöffnungs-Diskussionen über­­­zubewerten. Er ist überzeugt davon, dass die Löhne ausserhalb der Schweiz steigen werden und eine Anpassung stattfinden wird. Ausserdem seien in der Schweiz die Kosten für Jungpflanzen, Dünger oder Gewächshäuser ähnlich hoch wie in Deutschland. Deshalb ist den Schweizer Betrieben wohl ein ähnlicher Weg vorgegeben wie im Nachbarland: Spezialisierung und damit Kosten­opti­mierung. «Der Schweizer Gemüsebau wird mit einer Marktöffnung nicht sterben, er wird sich aber anpassen müssen», bringt es Berthold Huber auf den Punkt. Nun müssen sich die Beiden verabschieden, denn es ist Freitag. Bald wird hier die Hölle los sein, denn auf diesem Betrieb sind der Samstag und Sonntag die Hauptabsatztage. Auch das ist für viele Schweizer Gemüseproduzenten ungewohnt.

Veröffentlicht in Blog

Ein Kommentar

  1. Werner Werner

    Der Huber konnte als Gemüsebauer nichts als representieren.
    Gemüse erfolgreich anbauen und verkaufen konnte er nicht.
    Deshalb mußte er verkaufen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Sie wollen mich persönlich kennenlernen?

eppenberger-media gmbh
David Eppenberger
Winkelstrasse 23
CH-5734 Reinach AG
Fon ++41 (0)62 771 02 91
Mobile ++41 (0)78 779 17 19
info@eppenberger-media.ch
MwSt-Nr. CHE-114.677.787