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Strom vom Bauernhof (LID-Mediendienst, 28. April 2005)

Immer mehr Landwirte interessieren sich für die Produktion von Strom. Die Anzahl von Biogas-Anlagen auf Bauernhöfen nimmt zu. Doch ob ein Boom entsteht, wie dies in Deutschland bereits Realität ist, muss die Politik entscheiden.

Den Bauern weht bekanntlich ein rauer Wind entgegen. Aus dem Verkauf von Milch, Fleisch oder Weizen bleibt am Ende immer weniger übrig. An der Grenze lauern billige Produkte aus dem Ausland. BiogasanlageUnd im sparwütigen Parlament sind die Beiträge an die Landwirtschaft immer umstrittener. Dass da mancher Bauer die Freude an seinem Beruf verliert, erstaunt nicht weiter. Trotzdem gibt es aber noch welche, die sich die Lust nicht nehmen lassen und nach anderen Verdienstmöglichkeiten in der Branche Ausschau halten. Eine Option bietet die Produktion von Strom. Ganz neu ist die Idee nicht. Bereits vor zwanzig Jahren bauten
besonders experimentierfreudige Bauern Biogasanlagen, in denen sie aus Gülle und Mist Strom produzierten. Obwohl viele Anlagen aus der Zeit dieses ersten „Biogas-Booms“ nicht mehr in Betrieb sind, standen im vergangenen Jahr auf Schweizer Bauernhöfen 67 Anlagen im Einsatz. Die heutigen Anlagen sind effizienter und die Baukosten liegen deutlich tiefer als dies noch bei den Pionierbetrieben der Fall war. Die aktuellen Anlagen liefern immerhin genug Strom, um über 1,200 Haushalte mit Elektrizität zu versorgen.

Mehr Strom aus der Landwirtschaft

n Zukunft soll noch deutlich mehr Strom auf Bauernhöfen produziert werden. Der Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes (SBV), Hansjörg Walter, persönlich rief seine Klientel Anfang Jahr auf, in Biomasseanlagen zur Stromerzeugung zu investieren. Der Aufruf hat seine Wirkung offensichtlich nicht verfehlt. Bei Hans-Christian Angele von der Informationsstelle Biomasse in Zollikon rufen seither fast täglich Landwirte an, die sich für solche Anlagen interessieren. „Eigentlich wundert es mich, dass die Landwirtschaft nicht schon viel früher auf den Zug aufgesprungen ist, denn das Potenzial ist gross“, erklärt Hans-Christian Angele. Die vom Bundesamt für Energie (BFE) verfasste Studie „Potentiale zur energetischen Nutzung von Biomasse in der Schweiz“ sieht in der Verwertung von Mist, Gülle und Energiepflanzen auf landwirtschaftlichen Betrieben sogar das grösste Zuwachspotenzial für die energetische Nutzung von Biomasse überhaupt. Weil die Produktion von Strom und Wärme mit Biomasse CO2-neutral erfolgt, steht sie zurzeit sowieso hoch im Kurs.

Rosige Zeiten für die Landwirtschaft, könnte man also meinen. Umso überraschender, dass in der landwirtschaftlichen Fachpresse einige sehr kritische Berichte zu diesem Thema zu lesen waren. Darin wurde in Frage gestellt, ob die Produktion von solchem Strom wirklich rentabel erfolgen könne. Vor Verteilkämpfen um organische Abfälle wurde gewarnt. Denn im Unterschied zu den früheren Anlagen setzt man heute auf die so genannte Co-Vergärung. Das heisst, es werden neben Mist und Gülle vom eigenen Hof zusätzlich betriebsfremde Abfälle verwertet, für die Entsorgungsgebühren entrichtet werden. Nur dank diesen Einnahmen lassen sich die Anlagen heute rentabel betreiben. Je mehr Landwirte aber zu Energiewirten werden, desto grösser wird die Nachfrage nach externen Grünabfällen, was zu tieferen Entsorgungsgebühren führen würde.
Das sei aber Schwarzmalerei, findet Hans-Christian Angele. Er hat ausgerechnet, dass die in Zukunft anfallende Biomasse für den rentablen Betrieb von mehreren hundert Biogasanlagen auf Schweizer Bauernhöfen ausreichen würde. Er weist aber darauf hin, dass die 15 Rappen, die heute jeder Produzent von dezentral erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien von Gesetzes wegen pro Kilowattstunde erhält, in Zukunft nicht ausreichen werden, um die Kosten zu decken. Auch er rechnet in naher Zukunft nämlich mit deutlich tieferen Einnahmen aus den Entsorgungsgebühren. Nur ein deutlich höherer Strompreis für „Ökostrom“ werde die dadurch entstehende Lücke füllen können. Auf dem offenen Markt wird ein Mehrpreis für Ökostrom langfristig aber kaum zu erreichen sein. Deshalb fordert der WWF gemeinsam mit dem SBV, dass im neuen Stromversorgungsgesetz eine entsprechende kostendeckende Einspeisevergütung vorgeschrieben ist. Genau das ist beispielsweise in Deutschland bereits der Fall, wo in den letzten Jahren in der Landwirtschaft ein richtiger Boom in Richtung Stromerzeugung stattgefunden hat. Ganze Ställe werden dort mit Solaranlagen ausgerüstet, ehemalige Äcker mit Windparks besetzt oder Felder mit speziellem Energiemais bepflanzt. Dies ist in erster Linie möglich, weil der rot-grün regierte Staat die kostendeckende Übernahme des Stroms aus erneuerbaren Energien garantiert.

Mehrere Betriebe zusammen

Obwohl Biogas-Anlagen zurzeit einen zweiten Frühling erleben – alleine in diesem Jahr werden über zehn neue Anlagen ihren Betrieb aufnehmen – wird auch in Zukunft nicht hinter jedem Bauernhof ein Fermenter stehen. So heisst der Gärbehälter, in dem der eigentliche Biogasprozess stattfindet. Für eine einfache Kompakt-Biogasanlage ist Mist und Gülle von mindestens 50 Milchkühen nötig, bei zusätzlicher Vergärung von betriebsfremden Grünabfällen, die mindestens ein Drittel ausmachen sollten. Idealerweise schliessen sich aber ein paar Betriebe zusammen, um eine Anlage zu betreiben.

Strom aus Gülle

(ep) – Gülle und Mist vom Stall werden mit Grünabfällen gemischt. Das Material gelangt dann zur Vergärung in den Fermenter. Das dort produzierte Biogas wird in einem Blockheizkraftwerk verstromt. Die gleichzeitig anfallende Wärme lässt sich beispielsweise zum Heizen verwenden. Die übrig bleibenden Feststoffe und Flüssiggülle lassen sich auf dem Betrieb verwerten oder weiterverarbeiten.

Einer der dies seit sechs Jahren erfolgreich macht, ist Reto Grossenbacher in Reidermoos LU. „Nur wer solche Anlagen professionell betreibt, hat eine Chance zu bestehen“, warnt er Neueinsteiger. Er arbeitet zusammen mit fünf Nachbarbetrieben, die ihn regelmässig mit Mist und Gülle beliefern. Zusammen mit den Grünabfällen aus der Umgebung vergärt die Ware im Fermenter. Mit dem daraus entstehenden Biogas wird im Blockheizkraftwerk Strom produziert, das ihm die Centralschweizerischen Kraftwerkwerke AG abnimmt. Die entstehende Wärme wird zur Trocknung von Getreide und zum Heizen der Gebäude genutzt. Der flüssige Teil landet als Dünger auf den Äckern und Wiesen des Betriebs. Die vergorenen Festteile, die aus dem Fermenter kommen, verarbeitet Grossenbacher zu einer nährstoffreichen Hofdüngererde, die er als hochwertiges Produkt weiterverkauft. Der Kreislauf ist somit geschlossen.

Politik entscheidet

Die gezielte Produktion von Strom und Wärme auf Bauernhöfen macht ökologisch Sinn. Denn letztlich werden hier erneuerbare Energiequellen erschlossen, die seit Jahrzehnten ungenutzt verpufften. Ob der Landwirt aber tatsächlich vermehrt zum Stromlieferanten wird, entscheidet letztlich die Politik. Diese muss nun zeigen, wie ernst es ihr mit der Förderung von erneuerbarer Energie wirklich ist. Die bundesrätliche Botschaft für das neue Stromversorgungsgesetz verheisst nicht allzu viel Gutes. Verpflichtende Rahmenbedingungen für erneuerbare Energien fehlen weitgehend. Doch genau diese wären notwendig, um einen ähnlichen Boom wie in Deutschland auszulösen. Das Parlament berät das Stromversorgungsgesetz voraussichtlich in diesem Sommer.
Der Bundesrat hat bezüglich Raumplanung bereits einen ersten Schritt gemacht: Am 27. April hat er eine Änderung des Raumplanungsrechts in die Vernehmlassung gegeben, die die Bedingungen vereinheitlicht, unter denen Anlagen zur Gewinnung von Energie aus Biomasse auf Landwirtschaftsboden erlaubt sind. Und die nationalrätliche Energiekommission hat am Tag davor vorgeschlagen, dass neue Anlagen zur Stromproduktion aus Biomasse und anderen erneuerbaren Energien künftig eine Einspeisevergütung erhalten sollen, welche die Gestehungskosten deckt.

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