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Unterwegs zwischen den Gentechnik-Fronten (LID-Mediendienst, 20. Oktober 2005)

Koexistenz gibt auch in Deutschland zu reden: Die Klauss‘, eine Biobauernfamilie im baden-württembergischen Unterboihingen, bauen keinen Mais mehr an – weil auf dem Versuchsbetrieb gleich nebenan Gentechmais wächst. Versuchsleiter Andreas Schier versteht das nicht.Das Schild „Wir arbeiten ohne Gentechnik“ am Hofeingang des Bohnackerhofs deutet bereits an, dass hier keine Freunde der so genannten grünen Gentechnik am Werk sind. Seit vierzig Jahren bearbeitet die Familie Klauss den 60-Hektaren-Betrieb Wir arbeiten ohne Gentechnologieim Baden-Württembergischen Unterboihingen (D) nach den Grundsätzen des biologischen Landbaus. Als der benachbarte Versuchsbetrieb der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) vor zehn Jahren mit Freisetzungsversuchen von gentechnisch veränderten Zuckerrüben begann, änderte sich das Leben der Familie schlagartig. Bürgerkomitees wurden gebildet, Fernsehauftritte folgten und Gerhard Klauss erreichte nationale Bekanntheit. Bis an den Bundesgerichtshof in Karlsruhe gelangte er, um das Unterfangen zu verhindern, letztlich erfolglos.

Kein Mais mehr in der Fruchtfolge

Heute hält sich der vom langjährigen Abnützungskampf gezeichnete Biobauer mehrheitlich im Hintergrund, er hat das Zepter seiner Tochter Annette Klauss übergeben, die nun den Kampf gegen die „Verschmutzung“ ihrer Äcker mit gentechnisch veränderten Organismen (GVO) weiterführt. Sie staunte nicht schlecht, als sie in diesem Frühjahr im regionalen Amtsblatt von den Anbauplänen für gentechnologisch veränderten Mais der HfWU erfuhr, an der sie übrigens einst selber studiert hatte. Das in Deutschland geltende Gentechnikgesetz schreibt vor, dass alle Felder auf den Pflanzen mit GVO angepflanzt werden, in einem Standortregister eingetragen werden müssen, das im Internet publiziert wird. „Jemand aus dem Ministerium rief uns im Frühling an und fragte, ob wir in diesem Jahr Mais anpflanzen würden“, erzählt die 27-jährige. In diesem Fall hätten für die Versuchsflächen spezielle Sicherheitsabstände eingehalten werden müssen, wegen der Vermischungsgefahr. Doch der Biobetrieb hat den Mais aus der Fruchtfolge gestrichen, auch wegen der Versuche auf dem Nachbarbetrieb und der drohenden „Verunreinigungsgefahr“, wie sie erklärt: „Ergäbe nur eine Probe einen positiven Wert, dann könnten wir unseren Betrieb wohl schliessen“, befürchtet Annette Klauss.

Wechsel der Fronten

Mit der Fahrt zum nur wenige hundert Meter entfernt gelegenen Versuchsgut Tachenhausen überschreiten wir die Grenze im Glaubenskrieg der Gentechnikgegner und -befürworter. Erstere sind in den deutschsprachigen Ländern immer noch in der Mehrzahl, was Andreas Schier vor allem darauf zurückführt, dass man sich als Gegner die Finger nicht verbrennen könne. Der Professor und Versuchsleiter hat bereits einschlägige Erfahrungen mit ihnen gemacht. Im vergangenen Jahr wurden diverse Versuchsflächen zerstört. Doch in diesem Jahr hat es geklappt mit dem Anbau von gentechnisch verändertem Mais. „Offenbar haben sich die Gegner auf die grösseren Flächen in Sachsen konzentriert“, schmunzelt Andreas Schier. Im Osten bauen bereits in diesem Jahr einige Landwirte auf grossen Flächen GVO-Kulturen an. Das Land Sachsen-Anhalt hat sogar eine Verfassungsklage gegen das Gentechnik-Gesetz eingereicht, weil die Haftungsregeln zu restriktiv seien. „Die gesetzlich vorgeschriebene Publizierung der Anbauflächen im öffentlich zugänglichen Standortregister hat eindeutig einen hindernden Effekt“, hält Andreas Schier fest. Denn viele Bauern fürchteten sich vor den negativen Reaktionen der Bevölkerung und liessen die Finger davon. Dabei ist der Professor überzeugt, dass auch Deutsche Bauern von der Technologie profitieren könnten. Die mehrjährigen Versuche mit GVO-Zuckerrüben hätten gezeigt, dass deutlich weniger Spritzmittel benötigt würden. Die Resultate sollen im nächsten Jahr publiziert werden.

Für die aktuellen Versuche mit dem GVO-Mais gibt es noch keine Resultate. Doch der Gang durch die Reihen bringt selbst für den Laien offensichtliche Unterschiede an den Tag. Die Forscher haben abwechslungsweise Reihen mit gentechnisch verändertem Bt-Mais und konventionellem Mais der gleichen Sorte gepflanzt. Der Bt-Mais ist mit einem Gen des Bakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) ausgestattet, das in der Lage ist, ein Gift gegen den Maiszünsler zu produzieren, der grosse Schäden in den Maiskulturen verursacht. In der Tat sind in den Reihen mit Bt-Mais kaum gebrochene Stengel und verfressene Blätter sichtbar. „Wie gemalt“, kommt Andreas Schier ins Schwärmen. Hingegen zeigt der Schnitt mit dem Messer durch den bereits abgebrochenen Stengel beim benachbarten konventionellen Mais bereits deutlich sichtbaren Befall von Fäulnis in den Teilen, die vom Insekt beschädigt worden sind.

Versachlichung gefordert

Auf einer weiteren Versuchsparzelle wird der Anbau von herbizidresistentem „Roundup“-Mais erprobt. Ziel ist es, den Unkrautbefall zwischen den Reihen in den Griff zu bekommen. „Die übliche Pflugbearbeitung ist energieintensiv und eindeutig schlechter für die Tierwelt“, erklärt der gelernte Insektenforscher. Der gentechnisch veränderte Mais ermögliche letztlich eine schonende und gezielte Bodenbearbeitung, ist Andreas Schier überzeugt. Zählungen von Insekten hätten gezeigt, dass auf den Flächen keine Unterschiede zwischen dem GVO- und dem konventionellen Mais bestünden. Auf die Gefahr der möglichen Resistenzbildung angesprochen, antwortet Schier, dass dies ein völlig natürlicher Hergang und in der Pflanzenzucht völlig normal sei: „Ein kluges Resistenzmanagement ist dann entscheidend!“ Überhaupt sieht Schier in der Anwendung der Gentechnik bei landwirtschaftlichen Kulturen in erster Linie eine Verfeinerung von Zuchtmethoden. Nicht mehr und nicht weniger.
Die Verbitterung und Existenzangst des Nachbarn kann er nur teilweise nachvollziehen. Seines Erachtens würde eine Versachlichung und Entpolitisierung des Themas helfen. Erst kürzlich wurde dem baden-württembergischen Amt für Ernährung und Ländlichen Raum eine Unterschriftensammlung mit 38,000 Unterschriften mit dem Appell übergeben, gentechnikfreie Anbauzonen zu unterstützen. Darauf antwortete der zuständige Minister Peter Hauk, dass wenn gentechnisch veränderte Nahrungsmittel preisgünstiger oder in bestimmten Merkmalen verbessert seien, sie einen Absatz finden und eben auch angebaut würden.

Weltweit steigt die GVO-Fläche an

Hauk spricht damit wohl auf die vielen hunderttausend Bauern an, die weltweit bereits mit GVO-Kulturen arbeiten. Trotzdem erreichen uns vor allem Negativ-Meldungen, sei es von indischen Kleinbauern, welche die Bt-Baumwolle in den Ruin getrieben haben oder vom eingekreuzten GVO-Raps in konventionelle Sorten in Kanada. Die nackten Zahlen sprechen eigentlich eine andere Sprache. In den USA verwenden 52 Prozent der Maisbauern GVO-Mais, bei der Soja und der Baumwolle sind die Zahlen noch erdrückender. „Weshalb sollte ein Farmer 30 Dollar mehr für GVO-Saatgut bezahlen, wenn es ihm nichts bringen würde?“ fragt Andreas Schier rhetorisch. Er ist überzeugt, dass die Gentechnik auch in Europa in den nächsten Jahren definitiv Einzug halten wird. „Spätestens mit der erwarteten Ankunft des Maiswurzelbohrers Diabrotica werden auch die Schweizer Bauern auf den Geschmack kommen“, gibt er uns mit auf den Weg.

www.packgeiss.ch

Veröffentlicht in Blog

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