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Was nicht in Ordnung ist, kostet (Zofinger Tagblatt, 16. Juli 2003)

BETRIEBSKONTROLLEN AUF BAUERNHöFEN · Die Luzerner Qualinova AG führt die Tests durch

Die Bäuerinnen und Bauern müssen jährlich mehrere Kontrollen über sich ergehen lassen. Bei Verstoss gegen die Vorschriften droht den Bauern ein Abzug bei den Direktzahlungen. Die Kontrolle, ausgeführt durch ein Luzerner Unternehmen, wird zunehmend koordiniert.

Der Stall ist sauber und hell, den Kühen steht auf den neuen Einrichtungen viel Platz zur Verfügung, um sich hinzulegen. Trotzdem gibt es auf dem 14 Hektaren grossen Betrieb ein Problem: Kontrolleur Edi Imfeld entdeckt ein drei Monate altes Kalb, das neben den Elterntieren angebunden ist. Laut Gesetz darf ein Kalb aber erst im Alter von vier Monaten angebunden werden. Die Bäuerin zeigt sich überrascht über den Regelverstoss. Dieser kostet sie gemäss Sanktionsschema des Bundes 400 Franken. Dieser Betrag wird Ende Jahr direkt von den Direktzahlungen abgezogen. Doch bei diesem Abzug wird es nicht bleiben. Denn bei der Durchsicht des Weidejournals stellt der Kontrolleur fest, dass ein paar Weidetage fehlen, was mit weiteren Abzügen in Höhe von mehreren hundert Franken geahndet wird.

Der am besten kontrollierte Berufsstand

Es gibt kaum einen Sektor in unserem Land, der einer gläsernen Produktion näher kommt, als die Landwirtschaft. Praktisch jede Hecke und jedes Stück Vieh ist irgendwo bei einer Kontrollfirma oder einem Amt registriert. Denn um an die staatlichen Direktzahlungen zu kommen, muss jeder Betrieb zahlreiche Bedingungen erfüllen. Dazu gehört der Ökologische Leistungsnachweis (ÖLN), in dem die Einhaltung der Tierschutzvorschriften, der Umgang mit Nährstoffen oder die Ausweisung von sieben Prozent ökologische Ausgleichsflächen vorgeschrieben sind. Ein Heer von Kontrolleuren – ausgerüstet mit Messband, PC und einem scharfen Auge – sorgt dafür, dass die vielen Vorschriften eingehalten werden.

Zwar sehen die meisten Bauern ein, dass Kontrollen für eine glaubwürdige Landwirtschaft unabdingbar sind, trotzdem ärgern sich viele über den aufwändigen Papierkram und über pingelige Gesetzeshüter. Obwohl sich die Koordination unter den Kontrollorganisationen in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, bleibt es in den meisten Kantonen oft nicht bei einer einzigen Kontrolle pro Jahr. Denn viele Landwirte machen in Spezialprogrammen mit, die über das staatliche Mindestmass hinausgehen und zusätzlich kontrolliert werden. Zudem besucht alle paar Jahre der amtliche Tierarzt im Rahmen der so genannten «blauen Kontrolle» unangemeldet den Betrieb. Bei den Milchproduzenten schaut ausserdem der Milchkontrolleur vorbei. Wer Pech hat, dem blüht zu guter Letzt noch eine Oberkontrolle des Bundes.

Viele Vorschriften

Für die Bauern gelten zahlreiche gesetzliche Bestimmungen, etwa die Direktzahlungsverordnung oder das Gewässer- und das Tierschutzgesetz. Dazu kommen die Vorschriften, die privatwirtschaftliche Label-Programme wie die Bio Knospe, IP-Suisse, M 7, Natura-Beef etc. vorschreiben. Immerhin besucht heute nicht mehr für jeden Bereich ein separater Kontrolleur den Betrieb. Die Kontrollfirmen sprechen sich oft mit den Ämtern ab oder führen gar Dienstleistungen für diese aus. Die Luzerner Qualinova AG kontrolliert beispielsweise in einem Kontrollgang die ÖLN, die IP-Suisse-Bestimmungen, RAUS, BTS, das MigrosFleischprogramm M 7, das QM Schweizer Fleisch, die Seeverträge, den Tierschutz und den Gewässerschutz. Einzelne Organisationen fahren aber immer noch Einzelzüge. Für Coop Naturaplan beispielsweise werden Schweine und Geflügel vom Kontrolldienst des Schweizer Tierschutzes begutachtet, Rinder von der Inspektionsstelle Beef-Control und die Eier von der SGS Agro Control. Milchproduzenten werden zudem vom Milchwirtschaftlichen Inspektions- und Beratungsdienst (MIBD) überprüft. Als Sonderfall gilt der biologische Landbau, wo es mit der Bioinspecta und der Bio Test Agro AG nur gerade zwei Kontrollfirmen gibt.Dass all dies im Rahmen einer Kontrolle unter einen Hut gebracht wird, bleibt weiterhin ein frommer Wunsch der Bauern. Zu gross ist die Vielfalt an Labelprogrammen wie beispielsweise der Bio-Knospe, des Käfers der IP-Suisse, Coop Naturaplan oder Agri Natura. Und immer wieder stossen neue dazu. Nicht nur die Konsumenten verlieren dabei allmählich den Überblick. Stefan Furrer, Geschäftsführer der Luzerner Kontrollfirma Qualinova AG, gibt zu bedenken, dass es gerade auch bäuerliche Organisationen sind, die immer wieder mit neuen Programmen kommen, die sie dann mit eigenen Kontrolldiensten überwachen.

Immer nett bleiben

«Sollen doch die Beamten in Bern das Ökoheu fressen, denn meine Kühe fressen es bestimmt nicht!», ereifert sich der 62-jährige Bauer Peter A. beim Kontrollgang über seine Parzelle, als er zusammen mit dem Kontrolleur bei der ökologischen Ausgleichsfläche, einer wenig extensiv genutzten Wiese, vorbeikommt. Kontrolleur Edi Imfeld versucht ihm den ökologischen Sinn zu erklären. Er stösst dabei aber auf Granit.

Bei der Rückkehr auf den Hof sticht der überlaufende Misthaufen ins Auge, dessen Gülle sich in einem kleinen Bächlein ins Feld ergiesst. «Sie wissen schon, das Gewitter», erklärt Peter A. In der Küche werden alle Randdaten des Betriebes in den Computer eingegeben. Peter A. blättert in seinem Ordner und sucht nach dem Auslaufjournal für seine Tiere. Während der ganzen Sitzung jammert er über tiefe Milchpreise, die Agrarbürokratie oder den «Ökologie-Wahnsinn».

Der Kontrolleur führt seine Arbeit ruhig aus und versucht die Aufregung zu dämpfen. Die Kontrollfirma Qualinova AG, bei der Edi Imfeld angestellt ist, führt Seminare durch, in denen das Verhalten in solchen gespannten Situationen geübt wird. «Es ist nicht einfach, jemandem, der in einem abgelegenen Bergheimetli vier Kinder ernährt, zu erklären, dass er aus gesetzlichen Gründen einen Gülleauffangbehälter bauen muss», erklärt Edi Imfeld. «Viele Kontrolleure steigen nach einem Jahr wieder aus, weil die psychische Belastung zu gross wird», erzählt Stefan Furrer von der Qualinova. Obwohl viele während den Kontrollen die Faust im Sack machen, fallen die Berichte für den bäuerlichen Stand positiv aus. Im Kanton Luzern beanstandeten die Kontrolleure der Qualinova bei 20 Prozent der Betriebe etwas. Darin eingeschlossen seien allerdings jegliche Kleinigkeiten, betont Stefan Furrer.

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