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Plötzlich Lieferdienst

Einen Hofladen zu betreiben ist schon anspruchsvoll genug. Aber richtig spannend wird es erst, wenn ein Lieferdienst eingerichtet wird und mehr als ein Standard-Gemüsekorb bestellt werden kann. Dann zeigt sich: Nicht jeder Landwirt ist zum Logistiker geboren.  

Retten, was zu retten ist. Als der Bundesrat am 13. März der Schweiz den Corona-Lockdown verordnete, war für Gemüsegärtner Marco Peter aus Wildensbuch ZH sofort klar: es musste so schnell wie möglich ein neuer Absatzkanal her. Normalerweise ist «GmüesPeter» mit seinem Gemüse auf mehreren Wochenmärkten in der Umgebung unterwegs. Nach deren Schliessung erweiterte er als Sofortmassnahme die Öffnungszeiten des Hofladens, der zuvor auf dem Betrieb eher ein Lückenbüsser-Dasein fristete. Darauf folgte bei Peter das Augenreiben, wie bei anderen Hofladenbetreibern auch. Die Leute kauften plötzlich gleich Kistenweise frisches Gemüse ein. Irgendwie logisch, dass ein Hauslieferdienst der nächste Schritt war. Die Idee wurde umgehend in die Realität umgesetzt. Doch Peter dürfte sich später einmal nur ungern an diese Phase erinnern. Sein Fehler: Er dachte aus seiner Wochenmarktanbieter-Perspektive. Der Kunde soll selbst auswählen können, welches Gemüse er will.

Komplexität unterschätzt

Gemüsegärtner Marco Peter.

Auf der Homepage stellte er sein reichhaltiges Angebot vor, bestellt wurde dann telefonisch und per Mail. «Wir wurden schliesslich eingedeckt mit Bestellungen, das Telefon klingelte pausenlos», sagt Peter. Der administrative Aufwand stieg für seine Verhältnisse in gigantische Dimensionen. Die Planung war schwierig, wenn Leute beispielsweise nachträglich zur bereits aufgegebenen Bestellung einen Bund Radieschen nachbestellten. «Der Lieferschein musste dann von Hand herausgesucht und angepasst werden.» Klar, dass dies schnell zu rauchenden Köpfen bei Peter und seinem Personal führte. Schon relativ bald passte er deshalb das Angebot an und stellte schweren Herzens auf das fix zusammengestellte GmüesChischtli um, was die Abläufe aber enorm vereinfachte. Bestellt wird die Kiste nun bis spätestens Dienstag per Onlineformular oder Telefon, die eigenen Leute liefern am Donnerstag bis vor die Haustür aus. Abgerechnet wird einmal pro Monat mit Sammelrechnung. Relativ einfach lassen sich die Routen für das auf die Region Schaffhausen, Winterthur und Frauenfeld eingeschränkte Liefergebiet managen. Sein Bruder empfahl ihm dazu die Routensoftware «RouteXL», die er sich vom Internet herunterlud. «Man muss nur die Adressen der Kunden eingeben, einen Knopf drücken und schon hat man die Route», erklärt Peter. Ob er den Hauslieferdienst nach dem Ende des Lockdowns weiterführt, macht er abhängig davon, wie viele von seinen etwa 90 belieferten regelmässigen Kunden das Angebot weiter nutzen wollen. Aber natürlich war er froh, als er im Mai die Kundschaft wieder auf den Wochenmärkten bedienen konnte. Trotz allem konnte er dank dem Hofladen und dem Lieferdienst wenigstens einen Teil seines Umsatzes retten, der ihm im Frühling auf den Wochenmärkten verloren ging.

Farmers Market im Aargau

Jörg Friedli und seine Schweizer Doris Hug-Friedli liefern seit dem Corona-Lockdown täglich frisches Gemüse an die Haushalte in der Umgebung.

Die Hauptkundschaft von Gemüsegärtner Jörg Friedli aus Wohlenschwil AG sind in normalen Zeiten Grosshändler, die Gastrobetriebe beliefern. Die Idee von mehr Direktvermarktung bestand schon lange, scheiterte bisher aber am intensiven Tagesgeschäft. Nach der corona-bedingten Schliessung der meisten Restaurants wurde in zwei Wochen ein Webshop aus dem Boden gestampft. Zudem wurde auf dem Betriebsgelände in bestehenden Gebäuden den Hofladen «Farmers Market» eingerichtet. Im Gegensatz zu seinem Kollegen Peter konnte er auf bestehende Strukturen zurückgreifen, da der Familienbetrieb schon bisher in einen 65 Hektaren grossen Gemüseproduktions- und einen Handelsbetrieb aufgeteilt war. «Wir können Synergien optimal nutzen», erklärt Friedli. Sechs Chauffeure beliefern schon seit Jahren täglich Gastrobetriebe mit dem eigenen Gemüse, erweitert mit auf dem Engrosmarkt in Zürich zugekauften Produkten. Routenplanungen sind für sie Alltag.

Auch Gemüsegärtner Friedli kann wenig mit fix zusammengestellten Gemüsekisten anfangen. «Die Wahrscheinlichkeit ist zu gross, dass etwas dabei ist, das dem Kunden nicht passt». Doch im Gegensatz zu Peter ist es ihm gelungen, den hohen eigenen Ansprüchen in seinem Webshop mit über 250 Artikeln in 16 Lebensmittelkategorien von Gemüse über Eier, Milch bis zu Tiefkühlprodukten gerecht zu werden. Wer übrigens bewusst Produkte vom Betrieb in Wohlenschwil möchte, wählt die Kategorie «Friedli Eigenanbau». Die restlichen Produkte werden mehrheitlich am Engrosmarkt beschafft, das geht im gleichen Zug mit den Bestellungen für die Gastrobetriebe. Deshalb kann online und im Farmer’s Market ein beachtliches Sortiment präsentiert werden.

Täglich bis vor die Haustüre

Ob ein Lieferdienst rentiert, ist auch abhängig davon, ob genug Personal und Fahrzeuge zur Verfügung stehen (hier auf dem Betrieb von Jörg Friedli).

Für den Handel verantwortlich ist Friedlis Schwester Doris Hug-Friedli. Die telefonisch oder per Online-Shop aufgegebenen Bestellungen führt sie auf einer Liste zusammen. Bestellungen im Shop sind bis um 20.00 Uhr möglich, ausgeliefert wird am nächsten Tag von Montag bis Samstag. Ab 3 Uhr früh stellen die Chauffeure die Bestellungen – im gleichen Zug mit denen für die Grosshändler –, für die Auslieferung an die Haushalte zusammen. Dabei achtet Doris Hug darauf, dass die Lieferscheine nach Regionen bereits etwas geordnet sind, was die Tourenplanung etwas vereinfache. Eine Routen-Software kommt bisher aber nicht zum Einsatz. «Die Chauffeure kennen ihre Touren mehr oder weniger auswendig, neue Adressen von Privatkunden geben sie vor Ort manuell ins Navigationsgerät ein», erklärt sie. Friedli ist zufrieden mit dem Umsatz, den er nun in der privaten Direktvermarktung erzielt. Den Lieferdienst will er beibehalten und weiter ausbauen.

Bestellflut für Setzlinge

Nach einer kräfteraubenden Lockdown-Zeit kann Setzlingsgärtnerin Sibylle Siegrist heute wieder lachen.

Nach einigen schlaflosen Nächten kann Jungpflanzenproduzentin Sibylle Siegrist aus Küttigen AG heute wieder lachen. Sie schaffte, was sie nach dem Lockdown kaum für möglich hielt: Ende Mai waren alle Setzlinge verkauft, unter anderem rund 30’000 Tomatenpflanzen und über 20 verschiedene Chilisorten. In normalen Jahren ist sie im Frühling auf den Spezialitätensetzlingsmärkten unterwegs, wo sie mehr als die Hälfte ihres Jahresumsatzes erzielt. Nach deren Absage wagte auch sie das Experiment mit einem Webshop, was für sie aber komplettes Neuland darstellte. Die Vielfalt ist ihr Markenzeichen, deshalb konnte die Kundschaft aus den über 170 verschiedenen Setzlingsarten auswählen. Zusätzlich zum frisch aufgesetzten Online-Shop kam noch ein Aufruf einer populären alternativen Vermarktungsplattform über Facebook, was zu einer Flut von Bestellungen führte. Siegrist musste den Online-Shop schliesslich vom Netz nehmen, damit sie die Bestellungen überhaupt rüsten und ausliefern konnte. Sie hätte die Notbremse ziehen müssen, weil sie sonst wahrscheinlich wegen der Belastung zusammengebrochen wäre, sagt sie. Erst so fand sie die Zeit, um mit Helfern die 1600 Pakete mit Setzlingen zu packen und in die ganze Schweiz auszuliefern. Für diesen Job stellte sie während einer Woche extra einen Fahrer an. «Das Fahrzeug war vorhanden, deshalb machte es keinen Sinn, die Lieferungen ganz auszulagern», erklärt sie. Die Routen wurden nach Regionen aufgeteilt und manuell geplant. «Eine Software wäre hier sicher effizienter gewesen», sagt Siegrist rückblickend. Unter dem Strich rechnet sie in diesem Jahr mit etwa einem gleich hohen Gewinn, wie sie sonst auf den Setzlingsmärkten erzielt. Obwohl sie die Erfahrung nicht missen möchte, werden ihr die Corona-Wochen vor allem als extrem anstrengend in Erinnerung bleiben. «Ob ich mir das mit dem Online-Shop noch einmal antun werde, weiss ich jetzt noch nicht.» Immerhin hat es gezeigt, dass Setzlinge ganz gut ins digitale Zeitalter passen.

https://www.gmuespeter.ch

https://www.friedli-gemuese.ch

https://www.setzling.ch

Lieferung per Post als Alternative
Seit vier Jahren bietet die Post einen Zustelldienst für regionale Frisch-Produkte an, indem sie ihr bereits bestehendes Verteilnetz nutzt. Rund 45 Bauernbetriebe profitieren bisher vom Service. Im Vergleich zum Vorjahr hätten sich bei diesen die Anzahl Bestellungen wegen Corona verfünffacht, teilt die Post auf Anfrage mit. Die Mehrheit liefert die Taschen oder Boxen mit Adressen und Barcodes versehen selbst an einer der schweizweit 530 Zustellstellen der Post ab. Diese übernimmt dann mit ihren Postboten die Feinverteilung und verrechnet pro Einheit je nach Art von Gebinde um die Fünf Franken. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, dass die Post gegen eine Zusatzgebühr die Ware auf dem Betrieb abholt und selbst zu den Poststellen bringt. Mit dem Angebot der Post bietet sich vielen Landwirten die Möglichkeit, ihrer Kundschaft einen Heimlieferdienst ohne eigenen Personal- und Logistikaufwand anzubieten.
www.post.ch/zustellung-regionaler-produkte

App für die Routenplanung
Die Software Route XL erlaubt die bequeme Planung der Route über den Computer. Man loggt sich auf www.routexl.de ein und gibt die zu beliefernden Adressen ein. Anfangs und Endpunkt wird bestimmt und auf «Route finden» geklickt. Die ideale Route wird auf der Karte sichtbar. Sie kann nun ausgedruckt oder noch besser direkt auf Google-Maps übertragen werden, von wo aus sie auch mit SMS auf das Mobiltelefon gesendet werden kann, das dann über Google-Maps durch die Route führt. Alternativ kann die Datei auch in einem anderen Navigationsgerät wie beispielsweise TomTom verwendet werden. Der Dienst ist bis 20 Adressen gratis, danach kostet er täglich 5 Euro respektive monatlich 40 Euro (bis 100 Adressen) oder 10 Euro und 75 Euro (bis 200 Adressen). Im Play Store stehen weitere Planungs-Apps zur Verfügung wie beispielsweise der Multi Stop Routenplaner.

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