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«Ich wollte den Betrieb nie aufgeben!»

Der Gemüseproduzent Kaspar Widmer steht im neuen Jahr ohne Betrieb da.  Die Gewächshäuser müssen einer Überbauung weichen. Gerne hätte er weitergemacht, doch  dafür fehlt es an verfügbarem Land.

Silvester wird für Kaspar Widmer aus Weggis ganz besonders werden: Es ist der letzte Tag seines Gemüseproduktionsbetriebes. An diesem Tag geht eine Jahrzehnte dauernde Tradition zu Ende. «Es war nie mein Ziel, den Betrieb aufzugeben», sagt der Gemüseproduzent. Doch in den letzten Wochen hätten sich die Ereignisse überstürzt, so dass für ihn der Entscheid reifte, bereits jetzt einen definitiven Schlussstrich zu ziehen. Er hätte auch noch drei Jahre in den veralteten Gewächshäusern weitermachen können, aber wohl nicht länger. Denn der zwei Hektaren grosse Betrieb liegt an bester Lage über dem Vierwaldstättersee, der Boden kostet dort über 1000 Franken pro Quadratmeter. Die Ortsplanungsgesamtrevision sei im Gang und die Bagger werden früher oder später auffahren. Das sei schon immer klar gewesen. Bereits als er den Betrieb vor 21 Jahren pachtete, hätten ihm die Eigentümer – einst selbst aktive Gemüseproduzenten –, klar gemacht, dass die Parzellen einmal überbaut würden.

Doch seither ist viel passiert: Der gebürtige Seetaler Bauernsohn heiratete nicht nur die Tochter der Verpächterfamilie. Seit acht Jahren ist er Gemeindepräsident von Weggis und war ironischerweise bis vor kurzem für das Ressort Bauwesen zuständig, das nun die Umzonung vorantreibt. Natürlich trat er in dieser Angelegenheit jeweils in den Ausstand. Zudem lebt er mit seiner Frau in Gütertrennung. Die Grenzen sind also rechtlich klar gezogen. Aber die unterschiedlichen Rollen, Ansprüche und Erwartungen wurden zur Belastung und die emotionale Abgrenzung fiel schwer.

Rentabler Betrieb 

Die Folientunnel mitten im Dorf wirken vom Schiff aus wie ein Fremdkörper. Die steilen Hänge sind nicht besonders ideal für einen modernen Gemüsebaubetrieb. Das milde Klima hingegen schon: Weggis galt deshalb lange als Gemüse- und Obstgarten der Stadt Luzern. «Bei der Gründung der Gemüseproduzentenvereinigung Luzern-Zentralschweiz GPVL im Jahr 1932 gab es alleine in Weggis 18 Gemüseproduzenten», sagt der aktuelle GPVL-Präsident Widmer. Heute ist Weggis vor allem ein Wohn- und Feriendorf mit zahlreichen Zuzügern. Und diese drängen nun auf das Land, wo die Gewächshäuser stehen. Um die Anlage und ihre nicht mehr zeitgemässe Infrastruktur sei es nicht Schade, sagt Widmer. «Der Betrieb ist aber ganz gut aufgestellt!» Der Umsatz und die Produkte stimmten. Zusammen mit vier anderen Gemüsebetrieben betreibt Widmer seit acht Jahren erfolgreich die Vermarktungsplattform Rigi-Gemüse, die vor allem die Migros Luzern beliefert. «Zudem habe ich mit Ruedi Gössi einen äusserst fähigen Produktionsleiter». Deshalb war für ihn immer klar, dass er an einem anderen Ort als Gemüseproduzent weitermachen möchte. «Eine Hektare Gewächshaus hätten gereicht». Geld dafür hätte er von der Bank erhalten, ist er überzeugt.

Lange Zeit sah es danach aus, dass er zusammen mit dem anderen noch verbliebenen Weggiser Gemüseproduzenten eine Lösung finden könnte. Doch vor ein paar Monaten zerschlugen sich diese Hoffnungen schliesslich endgültig. Anderes Land ist in der Gegend nicht in Sicht. Die Region steht im Bundesinventar schützenswerter Landschaften und steht auch sonst im Fokus von Landschaftsschützern und ist deshalb nicht mit Gewächshäusern überbaubar. Für Widmer ist völlig unbegreiflich, dass zum einen mit Bundesgeldern die ländliche Entwicklung mit vielen  Projekten massiv gefördert wird.Und zum anderen bestehende, wirtschaftlich gesunde Betriebe einfach den Schutzinteressen geopfert werden.

Von Weggis wegzuziehen, kann er sich nicht vorstellen. Zudem wäre das ohne das Know-how seines Produktionsleiters Ruedi Gössi kaum möglich. «Er und die Produkte sind das eigentliche Kapital des Betriebs». Für Gössi ergab sich nun die Gelegenheit, bei der Rigi-Gemüse-Produzentin Franziska Müller in Udligenswil einzusteigen. Damit war das schnelle Ende des Weggiser Betriebes vorgespurt. «Die Produktion geht nun ab nächstem Jahr in Udligenswil und im Rigi-Gemüse auf», sagt Widmer. Das sei eine gute Lösung. Der Ausverkauf in Weggis hat bereits begonnen: Ein Traktor ist bereits verkauft und die Kühlräume sind teilweise leer. Die neun Mitarbeitenden erhielten die Kündigung.

Vom Gemüsler-Virus befallen

Die Peterli und der Baby-Leaf-Salat, die jetzt noch bis Weihnachten im Folienhaus in Weggis wachsen, werden die letzten sein. Und was macht Kaspar Widmer im nächsten Jahr? Sein 50-Prozent-Pensum als Gemeindepräsident sichert ihm vorerst ein Einkommen. Das Ende als Gemüseproduzent fällt ihm aber schwer: «Ich bin vom Gemüsler-Virus befallen!» Trotzdem wird der 47-Jährige sich wohl neu orientieren. Er möchte aber selbständiger Unternehmer bleiben. Vielleicht als Berater im Gemüsesektor. Er könnte sich mit seinem breiten Wissen beispielsweise vorstellen, als Spezialist für Unternehmens- und Baufragen oder Swissgap-Aufzeichungen aufzutreten.

Ein seltsames Gefühl wird es aber ab dem 1. Januar auf jeden Fall sein, wenn er erstmals als Ex-Gemüsler aufwacht. Die Folienhäuser, die sein Haus umgeben, werden ihn vorerst noch täglich an die Vergangenheit erinnern. Solange, bis die Bagger auffahren.

Veröffentlicht in Blog

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