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Akte Erdmandelgras: Ein schwieriger Fall!

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Ist Erdmandelgras einmal da, bringt man es kaum mehr weg. Die Meldedisziplin der Gemüseproduzenten lässt trotzdem zu wünschen übrig. Zu gross ist die Angst, Anbauflächen zu verlieren. Nun steht eine Meldepflicht zur Diskussion.

Erdmandelgras zählt zu den Topunkräutern weltweit. Es bleibt viele Jahre keimfähig und bildet Tausende von Wurzelknöllchen, die nur darauf warten zu spriessen. Und die Bekämpfung ist äusserst schwierig. Wer Erdmandelgras auf dem Gemüsefeld hat, hat definitiv ein Problem. Betroffene sprechen nicht gerne öffentlich darüber. Wer sich oute, werde behandelt wie jemand, der die Pest habe, sagt Gemüseproduzent Hans Liechti, der in Wirklichkeit anders heisst. Bei ihm hat das Monsterkraut vor fünf Jahren über eine Zuckerrübenverlademaus den Weg auf sein Gemüsefeld gefunden. Seither führt er die von den Pflanzenschutzstellen propagierte Sanierungslösung mit Mais und dem einzigen dagegen mit einer Sonderbewilligung zugelassenen Herbizid-Wirkstoff S-Metolachlor im Vorauflauf durch. Die Wirkung sei recht gut, sagt er. Drei Mal im Jahr ist er zudem präventiv auf Erdmandelpirsch auf seinen Feldern. Die Ausbreitung habe er so wenigstens verhindern können. Und darum geht es mittlerweile bei der Bekämpfung vor allem, denn die Experten sind sich einig, dass die Schweizer Bauern lernen müssen, mit dem Gras zu leben. Und dazu gehört vor allem auch die Meldung der Befallsherde an die kantonalen Pflanzenschutzstellen. Es bringe nichts, die Augen zu verschliessen, sagt Fachmann Christian Bohren von Agroscope. «Je länger man wartet, desto teurer wird die Sanierung.»

Mangelndes Verantwortungsbewusstsein

Immer wieder melden Gemüseproduzenten befallene Flächen den kantonalen Pflanzenschutzstellen aber nicht, weil sie ein Anbauverbot befürchten. Ein weiterer betroffener Gemüseproduzent attestiert den kantonalen Behörden zudem wenig Fingerspitzengefühl: «Wenn Du einen Befall meldest, stehen am nächsten Tag fünf Beamte auf dem Betrieb», sagt er. Lieber bekämpft er das Unkraut deshalb auf eigene Faust und mit seinen Methoden. Wie viele Flächen in der Schweiz von Erdmandelgrasbefall betroffen sind, weiss deshalb niemand so genau. Schätzungen gehen von bis zu 2000 Hektaren aus.

Meldepflicht als Extremvariante

Als eine präventive Massnahme gegen die Ausbreitung von Erdmandelgras gilt unter anderem die gründliche Reinigung von Erntemaschinen. Doch bei den Zuckerrüben beispielsweise ist diese viel zu aufwändig. Als Ausweg denken die Zuckerrübenproduzenten über ein Übernahmeverbot von Zuckerrüben nach, die auf betroffenen Flächen stehen, sagt Simon van den Veer, Vizepräsident des Verbandes der Zuckerrübenpflanzer. Es gehe aber nicht darum, diejenigen Produzenten mit Erdmandelgrasparzellen zu bestrafen, sondern diejenigen zu schützen, die es noch nicht hätten. Trotzdem würde diese Massnahme die Meldedisziplin bei den Landwirten sicher nicht fördern. «Vielleicht sollte man sich deshalb national über ein Entschädigungssystem Gedanken machen», sagt van den Veer. Im Kanton Zürich beispielsweise erhalten Landwirte seit ein paar Jahren 1500 Franken pro Jahr, wenn sie befallene Flächen mit einer intensiven Kunstwiese bedecken. Das Problem hier: Das Verschleppungsrisiko von Erdmandeln sinkt zwar deutlich, doch die Pflanze verschwindet nicht. Zurzeit denkt man in Zürich darüber nach, ob und in welcher Form das Programm weitergeführt werden soll.

Meldepflicht wird diskutiert

Es steht aber auch noch eine Extremvariante im Raum: Der Schweizer Bauernverband (SBV) stellte Ende letzten Jahres einen Antrag an die Landwirtschaftsdirektorenkonferenz (LDK), das Erdmandelgras als meldepflichtigen Organismus einzustufen. Die LDK leitete die Angelegenheit an die Konferenz der Landwirtschaftsämter der Schweiz (KOLAS). In deren Auftrag nahm Michel Gygax als Präsident der Konferenz der kantonalen Pflanzenschutzdienste (KPSD), zusammen mit Fachleuten von Agroscope, eine fachliche Beurteilung vor. Dabei sei man zum Schluss gekommen, dass die Bekämpfung des Erdmandelgrases tatsächlich behördlich geregelt werden sollte, sagt Gygax auf erdmandel3Anfrage. In welcher Form und ob es überhaupt eine solche Regelung geben wird, sei aber noch offen. Er rechnet mit einem Entscheid der KOLAS noch vor den Sommerferien.
Doch was hiesse das für die Gemüseproduzenten? Falls es eine Meldepflicht geben sollte, müssten Massnahmen definiert werden, um das Erdmandelgras zu bekämpfen. Da dies mit «Chemie» alleine nicht funktioniere, stünden präventive, mechanische und agronomische Massnahmen im Vordergrund. Im Fall einer Sanierung gehe es aber praktisch nur mit verordneten mehrjährigen Anbausperrungen für Kulturen, wo Erde bewegt werde, wie beispielsweise Gemüse, sagt Gygax. Ob es dabei finanzielle Entschädigungen geben werde, sei offen, aber eher unwahrscheinlich.
Die Folgen könnten in gewissen Fällen beträchtlich sein. Deshalb seien die Kantone und die Pflanzenschutzdienste nur gewillt etwas zu unternehmen, wenn die Branchen das Vorgehen ebenfalls unterstützten, sagt Gygax. Pascal Toffel vom Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) wünscht sich eine Gesamtstrategie zwischen Bund, Kantonen und allen betroffenen Ackerbauorganisationen. Ein Alleingang der Gemüsebranche sei nicht sinnvoll und würde die Probleme nicht lösen, sagt der VSGP-Direktor.

Es gibt keine einfachen Rezepte

Als Musterknabe bei der Erdmandelgrasbekämpfung gilt Holland. Mit einem rigorosen Bussensystem, Anbauverboten und dem Einsatz von starken – in der Schweiz nicht zugelassenen – Herbiziden gilt das Land als erdmandelfrei. Doch Gemüseproduzent Hans Liechti ist es wichtig, zu präzisieren: «In Holland gilt eine Fläche mit einem Befall von einer Pflanze pro Quadratmeter als erdmandelgrasfrei.» Das sei deshalb nicht ganz ehrlich. Dem gibt Van den Veer zwar Recht. Er gibt aber zu bedenken, dass es in der Realität fast unmöglich sei, auf einer einmal befallenen Fläche einen Nullbefall zu erzielen.
Für Liechti ist aber klar, in welche Richtung es gehen müsste: In den USA sei man mit dem Wirkstoff Halosulfuron erfolgreich. Dieser Wirkstoff sei zurzeit in der Schweiz nicht zugelassen, schreibt das Bundesamt für Landwirtschaft dazu auf Anfrage. Das ärgert Liechti: Die Forschungsanstalten suchten nach dem Ei des Kolumbus, sagt er. Mittel, die in Versuchen keine 100-prozentige Wirkung zeigten, würden einfach fallen gelassen. Dabei liege die Lösung in der kombinierten Anwendung von Mitteln. Christian Bohren von Agroscope widerspricht ihm. Es gebe Gründe, Halosulfuron nicht zu bewilligen; ausserdem sei es nur bei Reis und Mais anwendbar und wirke nicht zu 100 Prozent, so Bohren.
Ein Wundermittel gibt es nicht – auch nicht für den Gemüsebau. Bohren testete im letzten Jahr 11 Herbizide auf ihre Tauglichkeit gegen Erdmandelgras. Dabei kam heraus, dass nur wenige Wirkstoffe – fast ausschliesslich für den Ackerbau – eine akzeptable Wirkung zeigten. Deshalb sei einzig die Kombination von Bodenbearbeitung, Konkurrenz von (Zwischen-) Kulturen und Herbizid für eine gute Wirkung tauglich. Doch die Gemüseproduzenten würden immer noch auf das Wundermittel hoffen, sagt Pascal Toffel vom VSGP: «Viele unserer Mitglieder glauben, dass es nur eine Bewilligung eines Wirkstoffes braucht, und das Problem ist gelöst.» Doch wenn es eine Zulassung überhaupt zusätzlich geben sollte, dann nur mit Begleitmassnahmen. Das seien sich viele einfach nicht bewusst, sagt Toffel.
Für die wirksame Bekämpfung von Erdmandelgras braucht es also dringend einen Kraftakt von allen. Es wird wohl in Richtung Meldepflicht gehen. Und das wird dann gravierende Konsequenzen haben für betroffene Gemüseproduzenten.

 

Erdmandelgras: To-do-Liste

  • Befallene Felder – auch Erstbefall – müssen mit höchster Priorität bekämpft werden; jeder Aufschub erhöht die Knöllchenzahl im Boden.
  • Neue Befallstellen unbedingt den Kantonalen Pflanzenschutzdiensten melden und Beratung anfordern.
  • Verschleppung von mit Mandeln verseuchter Erde mit eigenen oder fremden Maschinen verhindern.

Bekämpfung kleiner Befallsherde

  • Ausbaggern der Befallsstelle bis auf mindestens 30 cm Tiefe, Erde in einer Spezialdeponie entsorgen.
  • Kleine Teilflächen für 2-3 Jahre aus der Produktion nehmen und Erdmandeln bekämpfen.
  • Einzelpflanzen vor der Knöllchenbildung mitsamt der Muttermandel ausgraben. Erde mit Kehricht entsorgen.
  • Befallsstellen am Wegrand (50 cm Streifen): mechanisch abstossen, da Pflanzenschutzmittel verboten. Vorgängig Kantonalen Pflanzenschutzdienst anfragen.Bekämpfung grosser Befallsherde

Resultate der Bekämpfungsversuche von Agroscope:

  • Unkrautkur: auf Schwarzbrache (keine Kultur anbauen) oder vor später Maissaat. Wiederholte Bodenbearbeitung mit Scheibenegge, Grubber oder Federzinke bzw. Fräse oder Kreiselegge ab 2-Blatt-Stadium reduziert Knöllchenbildung.
  • Unterdrückung der Knöllchenbildung durch Konkurrenz/Beschattung, vor allem in frühen Stadien (Kulturen mit rascher Jugendentwicklung ansäen).
  • Einarbeiten von Dual Gold erhöht den Bekämpfungserfolg.
Quelle: Pflanzenschutzmittel im Feldbau 2015, Arenenberg / Strickhof.

 

Veröffentlicht in Blog

Ein Kommentar

  1. nun ja…,die Erdmandel ist essbar für den Menschen und eine gehaltvolle Erdfrucht.
    Durch Gründung einer Nebenkooperative , welche sich um gründliche Ernte betroffener
    Flächen und der Verarbeitung oder Erdmandel plus möglicherweise der Rückführung in das Verkaufs-
    kontingent der Agronomen/Bauern…,wären zusätzliche Arbeitsplätze möglich, möglicherweise
    Atraktivitäts-und Abwechslungssteigerung in Küche und Restaurants zu gewinnen und so
    ganz nebenbei wäre die Ausbreitung der Erdmandel effektiv kontrollierbar geworden.
    sie würde gar als Unkraut nicht mehr tituliert….Ja,dazu bräuchte es tatsächlich extra Planung
    und Kopfzerbrechen. Zusätzlich KOSTEN fallen bei der blossen Bekämpfung ja auch noch an.
    Dies kurz meine Gedanken zur Erdmandelplage in Ihrer Region. herzliche Grüsse,Volker Kiesewetter

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