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Schwarze Wurzelfäule bei Gemüse: Die Gefahr lauert auf dem Kartoffelfeld

heller1Der Phytopathologe Werner Heller* fordert von den Gemüseproduzenten mehr präventives Denken beim Pflanzenschutz. Zudem warnt er vor dem Pilz Colletotrichum coccodes, der neben Nachtschattengewächsen auch Zwiebelgewächse befällt.

Vor fünf Jahren schrieben Sie in AGRARForschung, dass dringend neue agrotechnische Methoden entwickelt werden müssen, die nachhaltig und praxistauglich sind. Was ist seither passiert?
Werner Heller: Es braucht vor allem einen Wechsel im Denken. Wir sind immer noch vor allem Feuerwehr. Es wird gewartet, bis die Krankheit oder das Insekt auf der Kultur ankommt und dann wird gespritzt. Wir sollten aber viel mehr auf Prävention achten.

Wie sehen solche präventiven Massnahmen aus?
Ich denke beispielsweise an die Desinfektion von Saatgut mit Dampf. Im Biobereich ist diese in einzelnen Kulturen bereits etabliert und funktioniert bestens. Ich kenne Biokarotten-Betriebe, die deshalb ohne jegliche Spritzungen auskommen. Auch konventionelle Betriebe könnten bei Fenaco übrigens dampfbehandelte Samen kaufen.

Im konventionellen Gemüseanbau wird die Dampfdesinfektion aber noch kaum angewendet. An was liegt das?
Weil ihm der Saatgutverkäufer gebeiztes Saatgut verkaufen will. Nur nützt die Beizung in vielen Fällen gar nichts. Dabei hätte die Dampfdesinfektion viele Vorteile für konventionelle Produzenten: es wären weniger Wirkstoffe im Umlauf und die Resi­stenzrisiken würden reduziert.

Weshalb nützt die Saatgut-Beizung nichts?
Beim Gemüse sitzen 99 Prozent der Krankheitserreger im Boden oder im Samen. Einmal abgesehen vom echten Mehltau, der sich über die Luft verbreitet. Oft ist die Krankheit also schon im Korn drin. Die Beizung mit nicht systemisch wirkenden und wasserlöslichen Wirkstoffen bringt dann gar nichts. Der Erreger wird erst nach einigen Tagen bis Wochen aktiv und dann ist der Wirkstoff bereits im Bodenwasser aufgelöst und extrem stark verdünnt. Die Beizung kann praktisch nichts nützen. Wir wissen seit Jahren, dass das Fungizid Iprodion in Karotten keine Wirkung gegen Alternaria mehr hat, trotzdem wird immer noch entsprechendes gebeiztes Saatgut verkauft. Eigentlich ist das nicht Prävention, sondern eine Entsorgung von obsoleten Wirkstoffen auf Kosten des Käufers. Bei den Karotten macht die Dampfbehandlung beispielsweise nur rund 10 Prozent der Saatgutkosten aus. Wenn man nun noch die passende Sorte verwendet, muss man nicht einmal mehr die Spritze anhängen.

Welche Rolle spielt die Sorte?
Natürlich eine wichtige. Es gibt Karottensorten, die hochtolerant sind gegen Alter-naria und andere, die sehr anfällig sind. Im zweiten Fall kommt man ohne spritzen natürlich nicht durch.

Weshalb verwenden nicht alle Gemüseproduzenten tolerante Sorten?
Weil sie ihnen oder den Abnehmern nicht gefallen, wegen der Oberflächenstruktur beispielsweise.

Bei präventiven Pflanzenschutz-Massnahmen im Boden spielen Fruchtfolge und Gründüngungen eine wichtige Rolle. Nicht alle Gründüngungen eignen sich. Welche drängen sich im Gemüsebau auf?
Eigentlich haben Gemüseproduzenten hier nur eine Wahl: Phacelia ist die einzige Kultur, die keine verwandten Pflanzen in der Schweiz hat. Praktisch alle anderen im Gemüsebau verwendeten Gründüngungen – insbesondere Raps und Leguminosen – fördern die beiden wichtigsten bodenbürtigen Pflanzenkrankheiten Kohlhernie und Chalara.

Es gäbe aber noch eine Vielzahl von alternativen Gründüngungskulturen wie beispielsweise Grünroggen oder Sorghum.
Rein theoretisch passen diese in eine Gemüsefruchtfolge. Ganz klar, bei Chalara wäre Getreide in der Fruchtfolge natürlich eine gute Sache. Aber für viele Gemüsler kommt so etwas schon aus ökonomischen Gründen nicht in Frage. Nur so viel: im Wauwiler Moos arbeitete man in einem Versuch mit einer Fruchtfolge mit Winterweizen, Mais, Kartoffeln und Karotten. Die Anzahl Chalaraeinheiten pro Gramm Boden blieb auf einem akzeptablen tiefen Niveau stabil. Wenn man will, dass die Chalara-Dichte im Boden abnimmt, müsste man auf sechs oder sieben Jahre Distanz gehen zwischen dem Anbau von Karotten.

Gründüngungen wären auch gut für die Bodenstruktur. Wie steht es um diese?
Gemüsebaulich genutzte Böden werden intensiv bearbeitet. Wenn der Boden drei Mal im Jahr gefräst wird, dann ist dieser Boden wie gemahlen. Es gibt keine Krümelstruktur mehr mit Poren dazwischen. In solchen Fällen könnten Gründüngungen weiterhelfen, die über ein bis zwei Jahre stehen gelassen werden. Dann wird der Boden wieder etwas stabiler.

Würde sich in solchen Fällen nicht ein vermehrter Abtausch mit Flächen von Bauern aufdrängen?
Das wäre ein Ansatz. Doch darin bergen sich auch Risiken.

Welche?
Neben den «Hauptkrankheiten» Kohlhernie und Chalara geistert mit dem Pilz Colletotrichum coccodes – dem Erreger der schwarzen Wurzelfäule – noch eine dritte herum. Kaum jemand spricht darüber. Dieser Pilz kommt eigentlich vor allem auf den Kartoffeln vor. Praktisch alle Kartoffeln in der Schweiz sind inzwischen befallen. Nur kümmert das niemanden, weil es sich dort um ein kosmetisches Problem handelt. Befällt der Pilz aber Tomatenkulturen – wie das nun schon verschiedentlich vorgekommen ist –, gehen die Pflanzen ein. Das gilt für alle Nachtschattengewächse sowie auch für Gurken und möglicherweise auch Zwiebelgewächse. Kürzlich identifizierte Agroscope den Pilz auf Lauch. Flächenabtausche mit Kartoffelbauern sind deshalb ein grosses Risiko.

Wie kommt die Krankheit in die Gewächshäuser?
Zum einen werden oft die gleichen Maschinen verwendet wie im Freiland. Kommt sie von einem ehemaligen Kartoffelfeld, ist es passiert. Die Übertragung geschieht aber auch über das Substrat mit den Jungpflanzen. Bei Tomaten kann der Pilz auch samenbürtig sein.

Wie bitte?
Die Substrathersteller verwenden in ihren Produkten beispielsweise Zuckerrüben-Wascherde von Äckern, wo auch Kartoffeln standen. Diese wird ohne Desinfektion an die Jungpflanzenproduzenten verkauft.

Wie kann sich der Gemüseproduzent davor schützen?
Sie sollten vom Substratproduzenten verlangen, auch den mineralischen Teil des Substrates zu hygienisieren, wie das beim Kompost schon der Fall ist. In den verwendeten «Landerden» hat es übrigens oft auch Rhizoctonia und Kohlhernie drin. Sie sehen: Prävention ist wirklich wichtig.

 

*Werner Heller führte Ende der Achtzigerjahre in Zentralafrika in Chininpflanzungen ein Anbausystem ein, das die existenzbedrohende Wurzelkrankheit Phytophthora cinnamomi eindämmte. Dabei erkannte er unter anderem erstmals den positiven Effekt von Gründüngungen. Bis im letzten Jahr arbeitete Werner Heller über zwanzig Jahre als Phytopathologe und Bodenbiologe bei der Forschungsanstalt in Wädenswil. Er entwickelte zahlreiche innovative Anbausysteme und Behandlungstechniken für Probleme aus der Praxis. Werner Heller ist heute pensioniert und lebt in Luzern. Sein Nachfolger bei Agroscope ist Matthias Lutz. Wie sein Vorgänger arbeitet er an der Weiterentwicklung von Pflanzenschutzstrategien und alternativen Methoden zur Bekämpfung von bodenbürtigen Krankheiten.

Veröffentlicht in Blog

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