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Biogänse als gerngesehene Nachbarn

 

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Die Gänse auf dem Wendelinhof leben auf der Weide.

Die Weihnachtsgans ist in der Schweizer Küche immer noch weitgehend unbekannt. Höchste Zeit also, den Versuch zu wagen. Am besten mit artgerecht gehaltenen Biogänsen, wie sie auf dem Wendelinhof leben.

Die Vocks haben gute Nachbarn. Zum Glück! Denn das Geschnatter der rund 250 Gänse ist mitunter ohrenbetäubend. Besonders wenn sich Unbekannte wie der Oliv-Reporter dem Wendelinhof in Niederwil AG nähern. «Wegen unseren Gänsen hatten wir noch nie Probleme mit unseren Nachbarn», sagt Esther Vock. Für einen veritablen Nachbarschaftsstreit fehlt es hier aber auch an der nötigen Zeit: Denn neben den Gänsen leben auf dem 26 Hektaren grossen Bio Suisse Betrieb auch Mutterkühe, Masthühner, Perlhühner und 600 Truthähne. Das heisst: viel Arbeit für Lukas und Esther Vock sowie ihre Angestellten.

Für die Vermarktung der Gänse ist Esther Vock zuständig. Sie ist Quereinsteigerin, die ihren Job als Werbefachfrau gegen das Leben auf dem Bauernhof eintauschte. Sie lacht: «Ich war vor acht Jahren der letzte Stift auf dem Betrieb». Seit zwei Jahren ist die Mutter von zwei erwachsenen Kindern mit Lukas Vock verheiratet und lebt mit dessen beiden Kindern aus erster Ehe auf dem Hof im Aargauer Reusstal.

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Die Gänse können ganz schön laut sein.

Ihr Schwiegervater Hans Vock startete einst mit der Gänsehaltung. Überhaupt gilt er schweizweit als Pionier der artgerechten Freiland-Biogeflügelhaltung. Er ist heute pensioniert und lebt mit seiner Frau Rösli während einem grossen Teil des Jahres auf der hofeigenen Alp oberhalb von Linthal im Kanton Glarus. Dort verbringen übrigens auch die Mutterkühe mit den Kälbern den Sommer. Alle Tiere auf dem Wendelinhof werden nach den Richtlinien von KAGfreiland gehalten, die in der Schweiz als die strengsten Tierhaltungsvorschriften gelten. Kein Wunder: Hans Vock arbeitete diese einst zusammen mit den KAGfreiland-Gründern selbst aus. Beim Wendelinhof liegt das Tierwohl also seit jeher an erster Stelle. Ein Gänseleben dauert hier immerhin rund ein halbes Jahr, doppelt so lange wie in der konventionellen Haltung.

Fett als Qualitätsmerkmal

Obwohl in der Schweiz immer mehr Landwirte Gänse halten, gehört der Gänsebraten hier immer noch nicht zu den bekannten Gerichten in der Schweizer Küche. «Viele wissen bei uns gar nicht, wie man eine Gans zubereitet», sagt Esther Vock. Manche erschrecken bereits ab der dicken Fettschicht, welche die Gans unter der Haut als Energiereservoir bildet. Doch genug Fett ist bei der Gans ein Qualitätsmerkmal: «Das Fleisch einer mageren Gans wäre zäh», sagt die Expertin. Und überhaupt: Das Gänsefett, das beim Auslaufen in der Hitze des Ofens aufgefangen werde, lasse sich vorzüglich für andere Gerichte verwenden. Die Fettschicht ist bei der Gans also normal und gehört zu deren natürlichem Zyklus: Sie baut diese in den ersten rund 28 Wochen ihres Lebens auf, um sie dann mit Erlangung der Geschlechtsreife wieder abzubauen, insbesondere wenn es um das anstrengende Eierlegen geht. Diese Lebensphase erreichen die Wendelinhof-Gänse aber nicht. Denn spätestens an Weihnachten ist hier die letzte Gans geschlachtet.

Rezept des Futters ist geheim

Die Gänse der traditionellen Landrasse Diepholzer kommen Anfang Juni als Bio-Eintagsküken auf den Knospen-Betrieb. Die ersten zwei bis drei Wochen wachsen sie geschützt im geheizten ehemaligen Schweinestall auf und werden mit Bio-Getreide gefüttert. Sobald sie genug Federn entwickelt haben, kommen sie auf die Weide. In 26 bis 35 Wochen wachsen sie dann zur Martini- oder eben Weihnachtsgans mit einem Gewicht von 4,5 bis 6 Kilogramm heran. Die Vögel sind Vegetarier und ernähren sich in erster Linie von Gras, das sie sich in Niederwil während dem ganzen Tag auf der Weide selbst beschaffen. Dazu gibt es ergänzend etwas Futter, das aus einer speziellen Getreidemischung besteht. Deren Zusammensetzung bleibt aber ein Geheimnis. Denn die Gänseaufzucht ist gar nicht so einfach, damit sie gelingt: «Die Zusammensetzung des Futters zur Verhinderung einer Überfettung ist eine Wissenschaft für sich», erklärt die Gänsehalterin. Deshalb gebe sie der Konkurrenz zwar schon Auskunft bezüglich Haltung, doch bei der Rezeptur des Futters höre die Freundschaft dann auf.

Auf dem Wendelinhof leben nur Diepholzer Gänse.
Auf dem Wendelinhof leben nur Diepholzer Gänse.

Mehr Gewicht bei Kälte

Die Wendelinhof-Gänse verbringen den grössten Teil ihres Lebens auf dem Gänsehügel gleich neben dem Hof, Obstbäume schützen sie dort vor Wind und Sonne und im Teich finden sie eine Schwimmgelegenheit. Heuer musste die Herde allerdings schon frühzeitig auf die Weide gegenüber umgesiedelt werden, weil alles abgegrast war. «In diesem Sommer hat es sehr wenig geregnet, deshalb konnte auch das Gras nicht richtig nachwachsen», erklärt Esther Vock. Die Gänsehaltung sei sehr stark von der Witterung abhängig. Entsprechend unterscheide sich auch das Schlachtgewicht der Gänse von Jahr zu Jahr. «Ist es kalt, nehmen die Gänse mehr zu.» Es sei deshalb schwierig, das Gewicht einer Gans genau vorauszusagen. Esther Vock bereitet es Mühe, wenn Leute eine 4 Kilogramm schwere Gans bestellen und dann ein Theater machen, wenn sie 200 Gramm schwerer sei. Zum Glück habe sie aber eine treue Stammkundschaft, für welche diese natürlichen Gewichtsschwankungen kein Thema seien, sondern eben ein Teil der Geschichte.

Die intelligenten Gänse hätten sich schnell an die neue Weide gewöhnt, sagt die Gänsehalterin. Kein Wunder, schliesslich steht ihnen dort frisches, knackiges Gras in rauen Mengen zur Verfügung. Wenn sich Esther Vock zusammen mit der Hündin Jaska am Abend in Stiefeln der Gruppe nähert, dann wissen diese auch schon, dass nun ein kleiner Marsch über die Hofeinfahrt in Richtung Nachtquartier bevorsteht. Dieses schützt sie vor Fuchs und Marder, denen sich hier in Waldrandnähe ein reichlich gedeckter Tisch präsentiert.

Schlachthof auf den Betrieb

So ab Anfang November werden die ersten Gänse geschlachtet. Dabei kommt Esther Vock manchmal die Intelligenz der Vögel in die Quere: «Die Gruppe merkt sofort, wenn Tiere plötzlich fehlen und teilen dies auch lauthals mit.» Ganz im Gegensatz zu den gutmütigen aber etwas «dummen» Truten übrigens: Diese wanderten ohne Scheu und ganz entspannt in den Schlachthof, so Esther Vock. Ein stressiger Transport zum Schlachthof bleibt dem Geflügel hier aber grundsätzlich erspart, denn er befindet sich gleich nebenan auf dem Betrieb. «Die Schlachterei ist nichts schönes, gehört aber dazu», sagt Esther Vock. Wichtig sei, dass alles schnell gehe und sauber ablaufe. Geschlachtet wird nur auf Vorbestellung normalerweise werden nur ganze Tiere abgepackt. Zerlegt in die Einzelteile würde das Fleisch zu viel Saft verlieren.

Am meisten Bestellungen gehen vor Weihnachten ein. Danach wird es ruhiger auf dem Wendelinhof. Manchen offenbar auch zu ruhig: «Eine Nachbarin hat mir an Weihnachten schon wehmütig gesagt, dass nun wieder etwas fehlt.» Doch Esther Vock kann sie beruhigen, denn der nächste Sommer und die nächste Gänseherde kommen bestimmt.


Portrait

Lukas und Esther Vock ziehen jedes Jahr 100 Gänse auf.
Lukas und Esther Vock ziehen jedes Jahr 100 Gänse auf.

Der Wendelinhof in Niederwil AG ist seit drei Generationen im Besitz der Familie Vock. Lukas und Esther Vock bewirtschaften den Bio Suisse Betrieb mit seinen 26 Hektaren gemeinsam mit 6 bis 8 Angestellten. Auf den Ackerflächen wachsen Weizen, Gras und Zuckermai, Kartoffeln, Randen und Karotten. Die Angus-Mutterkuhherde, Poulet, Truthähne, Perlühner und die Gänse werden tierfreundlich nach den strengen Vorschriften von KAGfreiland gehalten. Bei der Geflügelaufzucht wird auf den Einsatz von Antibiotika verzichtet. Das Fleisch geht in den Detailhandel sowie direkt über den Hofladen oder auf Bestellung an die Kundschaft. Gänse und Truthähne gibt es nur auf Vorbestellung.

www.wendelinhof.ch


Diepholzer Gans

Auf dem Wendelinhof leben Gänse der Rasse Diepholzer, die ursprünglich aus Deutschland stammt. Sie wurde dort früher zu Tausenden auf wenig fruchtbaren Weiden gehalten. So entstand eine leichte, robuste, anspruchslose und wenig aggressive Landrasse mit allerdings eher geringem Fleischansatz als ihre grösseren Verwandten. Früher wurden die Federn als Schreibkiele, die Daunen zum Stopfen der Kissen und das Fleisch als Weihnachtsbraten verwendet. Die Diepholzer Gans gilt als Magergans und liefert fettarmes, muskelreiches, festes und zugleich zartes Fleisch. Die Stiftung für die kulturhistorische und genetische Vielfalt von Pflanzen und Tieren (ProSpecieRara) führt die Diepholzer Gänse auf ihrer Liste, weil sie vor ein paar Jahren in Ihrer Heimat Diepholz bereits gefährdet waren und einige Schweizer Gänsefreunde bereit waren, bei der Erhaltung der alten Landgänserasse mitzuhelfen. (Quelle: STS/ProSpecieRara)

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