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«Das Label «Swissness» ohne Zusatznutzen reicht bei weitem nicht aus!» (SVIAL-Journal)

Peter Masciadri im Interview mit dem SVIAL-JournalDer Marketing- und Kommunikationsfachmann Peter Masciadri betreute bereits viele Unternehmen, die den Schritt ins Ausland wagten. Im Interview erklärt er, wo die Export-Chancen für Unternehmen der Schweizer Nahrungsmittelbranche liegen.

In Export-Diskussionen ist oft die Rede von der «Swissness». Wie entscheidend ist die Herkunft eines Produktes für den Erfolg auf ausländischen Märkten?

Peter Masciadri: Das Produkt ist eindeutig wichtiger als die Herkunft. Zudem braucht es das passende Vertriebssystem und gute Werbemassnahmen. Die Marke zählt mehr als das Schweizer Kreuz. Die Herkunft «Schweiz» kann als Garant für Qualität aber sicher helfen, auf neuen Märkten Fuss zu fassen.

Wird die Bedeutung der Herkunft als Absatzförderungsinstrument also eher überschätzt?

Tendenziell trifft das zu. Es gibt aber typisch schweizerische Produkte wie Schokolade, Käse, Biskuits oder Bonbon, die den Erfolg durchaus ihrer Herkunft verdanken. Allerdings tummeln sich innerhalb dieser Kategorien wiederum sehr viele Exporteure. Wenn Camille Bloch ins Ausland exportiert, dann steht sie in Konkurrenz zu mindestens fünf weiteren Schokolade-Herstellern, die auch mit der «Swissness» werben. Die Konkurrenz kommt hier vor allem aus den eigenen Reihen.

Im Vergleich zum Ausland haben die meisten Schweizer KMU in der Ernährungsbranche kleine Strukturen. Ist das ein Nachteil, um auf einem grossen Markt bestehen zu können?

Die Erfahrung zeigt: Schweizer Unternehmen müssen die Nische suchen, nicht die Mengen. Die kleine Taillierung wird somit zum strategischen Vorteil. Sie ermöglicht die Produktion von Topqualität und ausgesuchten Spezialitäten und sorgt für eine grössere Flexibilität.

Wohin führt denn der Trend im Lebensmittelbereich?

Wachstum findet im Hoch- und im Niedrigpreis-Bereich statt. Vor allem die Premium-Klasse ist lukrativ und wächst. Das ist der Bereich, in dem ein Schweizer Unternehmen den Erfolg suchen muss. Es entspricht nicht dem Naturell eines typischen Schweizer KMU, den Billigkanal zu beliefern.

Nehmen wir als Beispiel einen Schweizer Kräuterproduzenten, der nach Deutschland exportieren möchte. Wie geht dieser strategisch am besten vor?

Er muss sich zuerst ein Bild vom ausländischen Zielmarkt machen und sich Grundinformationen über Marktgrösse, Wachstumspotenziale oder mögliche Mitbewerber beschaffen. Dann sollte er in die Läden gehen und einen «Store-Check» durchführen, um zu sehen, was es schon gibt. Und vielleicht trifft er ja bereits auf potenzielle Kooperationspartner, mit denen geschäftliche Beziehungen möglich wären.

Es geht also um den Aufbau so genannter Business to Business (B2B)-Beziehungen. Was verstehen Sie unter B2B?

B2B-Marketing unterscheidet sich vom eher bekannten Ausdruck Business to Consumer (B2C)-Marketing dadurch, dass die Firma ihre Marktbearbeitungsmassnahmen weniger auf das breite Publikum richtet, sondern primär auf das kaufende Unternehmen. Ein Produzent geht zum Abnehmer und bietet ihm nicht nur das Produkt alleine an, sondern  ein ganzes Set von Leistungen, beispielsweise auch Service- und Managementleistungen. Die Lebensmittel-Branche kennt diese Form von Marketing eigentlich schon lange. Wenn die Firma Kraft ihr Sortiment von Schokolade und Kaffee mit einem massgeschneiderten Leistungsbündel an Coop verkauft, dann ist das eine Art von B2B-Marketing, man nennt es im Lebensmittel-Geschäft einfach Trade-Marketing. Doch B2B geht noch einen Schritt weiter: Um Erfolg zu haben, ist es beispielsweise notwendig, die Entscheidungsprozesse im Zielunternehmen genau zu kennen und ein ganzes Bündel von Bezugspersonen («buying center») gezielt anzusprechen: Geschäftsführer, Abteilungsleiter, technischer Einkäufer, Produktmanager, kommerzieller Leiter etc.

Was heisst das für unseren Kräuterproduzenten?

Nach den «Store-Checks» macht er sich auf die Suche nach einem Händler, der sein Produkt vertreibt. In der Regel ist ein Schweizer KMU zu klein, um in einem anderen Land eine eigene Distribution aufzubauen. Mit einem Partner vor Ort sind die Risiken geringer und die Kosten für Infrastruktur und Mitarbeiter vergleichsweise tief. Die international erfolgreichen Schweizer Firmen, die heute eigene Vertriebsorganisationen im Ausland haben, gingen in der Regel immer zuerst den Weg über einen Distributor.

Gibt es Stellen, die bei Marktsondierungen und der Suche nach Distributoren helfen?

Die Zentrale für Handelsförderung Osec (www.osec.ch) oder die European Sales & Marketing Association (www.esma.org) sind Stellen, die KMU bei Export-Fragen helfen. Die Konsultation einer solchen Plattform lohnt sich auf jeden Fall.

Peter MasciadriWo liegen die guten Märkte für Schweizer Qualitätsprodukte aus der Ernährungsbranche?

Grundsätzlich gibt es keine Grenze. Aber ein kleiner Hersteller mit beschränkten Ressourcen muss sich ganz genau fragen, was er verkraften kann. Unter diesem Aspekt bringt die geografische und oft auch die mentale Nähe eine entscheidende Erleichterung. In den Bundesländern Baden Württemberg und Bayern gleich ennet der Grenze leben immerhin 20 Millionen Konsumenten mit einem überdurchschnittlich hohen verfügbaren Haushaltseinkommen und ähnlichen Qualitätsansprüchen. Für den Start ins Exportgeschäft wären diese Regionen deshalb nicht die schlechteste Wahl.

Bei Erfolg kann das Gebiet immer noch erweitert werden?

Richtig. Das Exportgeschäft ist aus Sicht eines kleinen Herstellers in der Regel sowieso ein Stufengeschäft. Zuerst läuft alles über einen Distributor mit wenigen Produkten, einen oder zwei Vertriebskanäle, dann werden das Sortiment und das Verkaufsgebiet erweitert, vielleicht zusätzliche Kanäle hinzugenommen bis zum Aufbau von eigenen Vertriebsstrukturen im Exportgebiet. Im optimalen Fall, versteht sich.

Was kann die Ernährungsbranche von anderen im Export erfolgreichen Branchen lernen?

Nehmen wir Nespresso: Dieses Konzept zeugt von Innovationsfreudigkeit und grossem technischen Knowhow.  Nespresso hat – überspitzt formuliert – die Kaffeebranche vom lapidaren Bohnenrösten zum Hochtechnologie-Geschäft gemacht. Auch die übrige Lebensmittelbranche sollte versuchen, innovative Produkte zu entwickeln, die einen wirklichen «Added Value» enthalten. Mit Nachhaltigkeit beispielsweise oder mit attraktivem Design, aber auch mit klugen Produktkonzepten, die auf starke «Consumer Insights» abstellen. Das Label «Swissness»  alleine ohne Zusatznutzen reicht bei weitem nicht aus.

Mehr Infos: www.masciadri.ch

Veröffentlicht in Blog

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