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Der Traum vom freien Bauern in Rumänien (Neue Luzerner Zeitung, 24. Mai 2008)

Der Schaffhauser Markus Schmid führt seit fünf Jahren einen Ackerbaubetrieb in Westrumänien. Er hat es dort zum erfolgreichen Grossbauern gebracht. Markus Schmid, Schweizer Grossbauer in Rumänien

In der Schweiz wäre es Markus Schmid zu eng geworden. 1000 Kilometer östlich in Rumänien fand er, wovon viele Bauern träumen: Viel fruchtbares Land und das erst noch zu günstigen Preisen. Iohanisfeld liegt in einer Ebene in Westrumänien angrenzend an Serbien. Hier bewirtschaftet der 37-jährige Markus Schmid 1500 Hektaren Ackerland. Fast 100 Mal mehr als ein durchschnittlicher Schweizer Bauernhof. Soja, Weizen und Mais soweit das Auge reicht. Die Hälfte der Fläche gehört ihm.
Gleich nach der landwirtschaftlichen Lehre verliess er vor mittlerweile 17 Jahren den elterlichen Bauernbetrieb in Schaffhausen. „Mein Grossvater war ein reicher Bauer, mein Vater musste bereits doppelt so viel arbeiten um auf einen Handwerkerlohn zu kommen und ich hätte wohl mit dem gleichen Aufwand nur noch die Hälfte verdient“, sagt Schmid. Deshalb zog er aus. Zuerst nach Ostdeutschland. Doch das Land wurde dort teurer, sein Betrieb konnte nicht mehr wachsen. Er verkaufte in Deutschland und kaufte vor fünf Jahren in Rumänien Land, als es noch günstig war. Seit dem letzten Jahr explodieren die Landpreise- zurzeit liegen sie bei rund 2000 Euro pro Hektare -, eine Folge der weltweiten Verknappung von Rohstoffen. Schmids ganzes Geld steckt im Betrieb, er steht unter Druck: „Ich musste vom ersten Jahr an Gewinn machen“, sagt er. Der Mais stand im letzten Jahr bei ihm so hoch wie sonst nirgendwo in der Gegend. Die Soja ebenso. Eine gute Ernte, die er zu den aktuellen Rekordpreisen in Rumänien und in Serbien verkaufen konnte.

Ungewohnt für Schweizer Bauern

Der Unterschied zum Bauern in der Schweiz? Die Schlagkraft. „Wenn der Tag der Aussaat gekommen ist, dann musst Du das in kurzer Zeit hinkriegen auch bei einer Parzelle von 200 Hektaren.“ Als industrieller Landwirt möchte sich Schmid nicht bezeichnen. Er hat die übersauerten Böden selber gesehen, welche die rumänischen Landwirte nach 30 Jahren einseitigem Düngereinsatz hinterliessen. „Wir müssen ausbaden, was die Sozialisten kaputt gemacht haben“, sagt er. Die Bodenfruchtbarkeit steht für ihn an erster Stelle. Die Fruchtfolge ist selbstverständlich. Der Boden ist schliesslich sein Kapital. Schweizer denken so. Der Rumäne baut so lange an, bis der Boden nichts mehr hergibt und zieht dann weiter. „Das geht nur in einem Land, wo es Flächen im Überschuss gibt“, sagt Schmid. Er verzichtet auf den kostenintensiven Pflug und bearbeitet seine Flächen eher extensiv. Ist da noch Platz für junge Schweizer Bauern, denen es wie ihm zu eng wird in der Heimat? „Klar!“ sagt er. Wenn sie denn klarkommen mit den riesigen Flächen und das nötige Kapital für das Land haben. Allerdings sei der Schweizer Bauern traditionell nicht gewohnt mit Personal zu arbeiten. Osteuropäisches Personal mit besonderer Mentalität: „Die sind fähig, dir am Morgen nach einer gemeinsamen Party den Diesel zu klauen.“

Billiglohn-Land ade

Schmid wohnt zurzeit noch mit der Frau und den zwei Töchtern in Temeswar in der Stadt. Bald ist aber das Haus in Iohanisfeld fertig, ausserhalb des Dorfes auf dem Betriebsareal. Das Holzhaus steht auf Stelzen. Vor drei Jahren versank sein Land im Hochwasser. Der Verlust war immens. Versicherung hatte er keine. Er stand nahe am Ruin. Mit viel Arbeit und dank guten Ernten in den folgenden Jahren überwand er die Krise. Neu gab es Subventionen von der Europäischen Union, immerhin 80 Euro pro Hektare. Dank einem EU-Investitionsprogramm konnte er zudem eine Maschinenhalle erstellen und einen neuen Traktor kaufen. Er ärgert sich aber über die Bürokratie: „Über 2500 Unterschriften musste ich leisten, bis das Geld überwiesen wurde.“ Genommen hat er es gerne. Im Moment bezahlt er seinen neun Angestellten zwischen 400 und 500 Euro pro Monat. Tendenz steigend. Die rumänische Wirtschaft entwickelt sich im Eiltempo. Schmid rechnet mit einer Verdoppelung der Löhne in den nächsten beiden Jahren. Der Wohlstand steigt, die Kosten auch. Rumänien wird nicht mehr lange ein Billiglohn-Land sein. Viele Rumänen, die in den letzten Jahren noch als günstige Arbeitskräfte im Ausland anheuerten bleiben nun wieder im Land, weil die Lohnunterschiede immer geringer werden.
Markus Schmid ist überzeugt, dass sein Betrieb im Wettbewerb mit den industriellen Agrarunternehmen mithalten kann. Der Traum des freien Bauern ist für ihn wahr geworden, nicht in der Schweiz sondern in Rumänien.

Veröffentlicht in Blog

Ein Kommentar

  1. Sehr geehrter Herr Schmid,
    ich finde es toll und überaus mutig in Johannisfeld eine Zukunft aufzubauen.
    Ich gehöre zu den vielen Schwaben die Johannisfeld vor vielen Jahren verlassen haben um sich im Westen eine bessere Zukunft aufzubauen.
    Ich bin 60 Jahre alt und bin vor 30 Jahren nach Deutschland ausgesiedelt. Ich verstehe daher auch Ihre Probleme mit der Mentalität der Rumänen. Ich wünsche ihnen dennoch weiterhin viel Erfolg und Ausdauer.
    Mit freundlichen Grüßen
    Franz Weinhardt

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