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Händler produziert Fische und Gemüse

ecco_titelIn Bad Ragaz steht die erste kommerzielle Aquaponik-Anlage der Ostschweiz. Produziert werden im Dachgewächshaus frische Asia-Salate, Nüsslisalat und Kräuter.

Viele Schweizer Gemüseproduzenten sind in den letzten Jahren selbst zu Händlern geworden. Seltener ist der umgekehrte Weg, wenn Händler in die Produktion einsteigen. Das traditionelle Frucht- und Handelsunternehmen ecco jäger in Bad Ragaz produziert seit diesem Frühling im Gewächshaus auf dem Dach des Firmengebäudes Gemüse und vor allem Kräuter. Einen Stock weiter unten schwimmen in acht Becken tropische Fische der Art Tilapia. Über derartige Aquaponik-Anlagen, in denen Gemüse mit den Exkrementen der Fische gedüngt werden, berichtete auch diese Zeitschrift in der Vergangenheit schon mehrmals. Das Bad Ragazer Beispiel unterscheidet sich von diesen in einem Punkt wesentlich: Für den Entscheid zum Bau waren rein unternehmerische Kriterien ausschlaggebend. «Wir können uns keine teuren Spielzeuge leisten, am Ende des Monates müssen die Löhne der 60 Mitarbeitenden bezahlt sein», sagt Geschäftsführer Philipp Gschwend. Unter den Mitarbeitern sind neu auch ein Gemüsegärtner und ein diplomierter Fischwirt.

Bestehender Kundenstamm als Abnehmer

Ein undichtes bisher ungenutztes Flachdach sowie die anstehende Modernisierung der Kühl- und Wärmeanlagen standen am Anfang der Geschichte. Eigentlich wollte man das Flachdach mit zusätzlichen Personalwohnungen besser ausnützen, was aber an raumplanerischen Hürden scheiterte. Gschwend stiess schliesslich zufällig auf einen Zeitungsartikel, der über die kombinierte Produktion von Fischen und Gemüsen berichtete. Die dafür nötigen Grundvoraussetzungen waren am Standort in Bad Ragaz gegeben: Auf dem Dach war genug Platz für ein Gewächshaus und die Statik des Gebäudes konnte tonnenschwere Fischbecken problemlos tragen. Mit der geplanten Wärmerückgewinnung aus den Kühlanlagen stand zudem genug Wärme für die Beheizung des Wassers und des Gewächshauses zur Verfügung. Und vielleicht die wichtigste Voraussetzung war der bereits vorhandene Kundenstamm von 1600 Gastronomieunternehmen als potenzielle Abnehmer. «Wir belieferten diese bisher schon täglich mit Frischwaren und im Fischbereich mit Tiefkühlprodukten», sagt Gschwend.

Pragmatische Anpassungen

Gschwend nahm deshalb vor rund drei Jahren Kontakt mit Aquaponik-Fachleuten in der Schweiz auf. Deren Vorstellungen waren dem Unternehmer aber irgendwie zu akademisch und zu wenig praxistauglich. Er holte sich schliesslich den Rat bei der Berliner ECF Farmsystem, die seines Erachtens über etwas mehr Erfahrungen in der Umsetzung verfügte. Trotzdem bedeutete das komplexe Zusammenspiel zwischen Wärmrückgewinnung, Beheizung der Fischbecken und der Klimatisierung des Gewächshauses vor allem für die Installateure viel Neuland. Im Mai wurden die ersten Jungfische eingesetzt. In Zukunft sollen jährlich 14,5 Tonnen «Rosé-Barsch» produziert werden. Den Namen hat der Gastro- und Tourismuserfahrene Gschwend selbst kreiert. Gefüttert werden die Tropenfische aus rein pflanzlichen Stoffen, basierend auf einem hohen Eiweissanteil von Sojaprodukten. Der Futterhersteller bezieht den Rohstoff vom Soja Netzwerk Schweiz, aus «verantwortungsbewusster» und gentechfreier Produktion. Doch ökologische Gründe sind für Gschwend bei dieser Geschichte zweitrangig, obwohl das auf Effizienz getrimmte Gebäude Leuchtturmfunktions-Potential hat und dafür auch von der Klimastiftung Schweiz ausgezeichnet wurde: «Ich will hier vor allem effizient wirtschaften und Geld verdienen.» So sei das Kreislaufdenken in der Aquaponiktechnologie zwar eine gute Sache. «Sollten aber die Fische einmal zu wenig Dünger für die Pflanzen im Gewächshaus liefern, werden wir diesen von aussen zuführen», sagt Gschwend.
Das pragmatische Denken zeigt sich auch im Gewächshaus selbst. Einen eigentlichen Anbauplan gibt es noch nicht. Man befinde sich noch in der Versuchsphase. Man will zuerst testen, welche Pflanzen funktionieren. Die Asia-Salate werden bereits erfolgreich an die Kundschaft ausgeliefert. Angebaut werden sollen vor allem Kulturen, die im Ankauf eher teuer sind. Im Winter soll dies vor allem Nüsslisalat sein. Gschwend zeigt auf den Pflanztisch mit Crispy-Salaten, daneben die gleiche Fläche Pfefferminze: «Mit dieser verdiene ich über 20 Mal mehr als mit den Salaten.» Deshalb werden hier vor allem im Sommer mehr Kräuter als Salate produziert.

eccotitel2Geflutete Presstöpfe

Speziell ist die Kultivierungsmethode im 1000 m2 grossen Dachgewächshaus. Bei den «üblichen» Aquaponiksystemen wachsen die Kulturen in Rinnen nur mit dem «Fischdungwasser» ohne Substrate. Gschwend ist überzeugt, dass dies zu ineffizient ist.
Sein Gemüsegärtner setzt die Jungpflanzen direkt in den Presstöpfen – je nach Kultur sogar ohne sie aus den Anlieferungskisten zu nehmen –, auf die mit einer Hanfmatte ausgestatteten verschiebbaren Pflanztische. Diese werden automatisch in regelmässigen Abständen mit dem gedüngten Wasser auf einer Höhe von zwei bis drei Millimetern geflutet. Das braucht 80 Prozent weniger Wasser als bei der herkömmlichen Gewächshausproduktion. Es scheint gut zu funktionieren. Obwohl in den eingekauften Presstöpfen Krankheiten lauern. In diesem Fall würden Pflanzenschutzmassnahmen durchgeführt, so Gschwend. Sonst arbeite man aber vor allem mit Nützlingen.
Innovationen werden hier «on the job» entwickelt. Gartenkresse beispielsweise wird direkt auf die Hanfmatte in Ifco-Kistchen gesät. «Dem Kunden steht so über eine Woche lang frische Kresse zur Verfügung», sagt Gschwend. Die Bedürfnisse der Kunden stünden dabei immer an erster Stelle. Und dass seine belieferten Restaurants frischen Fisch aus lokaler Produktion kaufen werden, ist für Gschwend auch ziemlich klar. Denn «lokal» ist im Trend. Und Schweizer Fische gibt es ohnehin zu wenig.

www.ecco-jaeger.ch

www.urbanfarmers.com

 

Veröffentlicht in Blog

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