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Neun-Hektaren-Gewächshaus heizt mit Abwärme aus Holz-Heizkraftwerk

Seit zwei Jahren produziert die Biowärme Gemüse Schkölen GmbH in Thüringen grossflächig Cocktail-Tomaten. Und das erst noch CO2-neutral: Die Wärme stammt aus Holzschnitzeln, die aus Bäumen aus Wäldern in der Umgebung hergestellt werden. Hauptabnehmer der Tomaten ist der Discounter Lidl. 

Piip – Piip – Piip. Die «Power Bee» fährt gerade voll beladen mit frisch geernteten Cocktail-Tomaten aus dem Gewächshaus nebenan ein. Wie von Geisterhand gesteuert zielt das gelbe Elektrozugfahrzeug direkt auf die Verladestation zu. Problemlos findet das Gefährt den Weg und zieht den ersten Wagen mit den geladenen Tomatenkisten exakt soweit, bis die Greifer eines Roboters die Kisten entnehmen und auf ein Rollband verschieben. Am Schluss werden die Tomaten sortiert in Kisten auf einer Palette sauber gestapelt zum Abtransport in den Kühlraum bereitstehen. «An dieser Anlage arbeitet nur noch eine Person», sagt Peter Winkler. Drei Leute im Bereich der schwer zu findenden Saisonarbeitskräfte spare er dank ihr ein und das rechne sich, sagt der Geschäftsführer der Biowärme Gemüse Schkölen GmbH. Hinter dem Firmennamen steht ein neun Hektaren grosses Gewächshaus modernster Bauart, das CO2-neutral mit der Abwärme des benachbarten Biomassekraftwerks beheizt wird.

 

30 Tonnen Tomaten täglich

330 Meter lang und 260 Meter breit ist das Gewächshaus in Schkölen im Freistaat Thüringen. Es ist sechs Meter hoch und mit unisolierter Einfachverglasung mit 97 Prozent Lichtdurchlässigkeit ausgestattet. Gekostet hat das Gewächshaus rund 10,5 Millionen Euro. Seit zwei Jahren ist es in Betrieb. Bis zu 30 Tonnen Tomaten werden in der Haupterntezeit im Sommer täglich geerntet. An diesem Tag Ende August sind es zwischen zwölf und fünfzehn Tonnen. Mitte September werden die Pflanzen geköpft. «Dann hoffen wir, dass wir noch bis Ende November weiterernten können», sagt Winkler. Nachdem er und sein Betriebsleiter Thomas Henniger im ersten Jahr noch drei Tomatensorten anbauten, konzentrieren sie sich in diesem Jahr auf die Sorte «Delioso». Die Abläufe seien dadurch noch effizienter geworden. Zudem sei die Cocktail-Tomate äusserst resistent gegen Krankheiten wie Mehltau. Gespritzt werde deshalb nur sehr selten. Und das ist gut, weil beispielsweise der wichtige Abnehmer Lidl verlangt, dass die Rückstände von Pflanzenschutzmitteln nur maximal ein Drittel der gesetzlichen Grenzwerte betragen dürfen. Auch Schädlinge sind im Gewächshaus kaum ein Thema. Einmal abgesehen davon, dass der eigentlich präventiv als Nützling eingesetzte Macrolophus selbst zum Schädling wird, wenn er nicht genug Futter in Form von Schädlingen findet.

Wärme aus Altholz

Die Wärme für den Gewächshauskomplex kommt vom Biomasse-Heizkraftwerk nebenan. Mit Hackschnitzeln aus Waldrestholz produziert die Wärme-Kraft-Kopplungsanlage seit 2004 Strom und Wärme. Die elektrische Leistung beträgt rund fünf Megawatt, was theoretisch für die Strom-Versorgung von über 15 000 Haushalten reicht. Im Rahmen des Deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erhalten die Kraftwerksbetreiber kostendeckende Preise von im Schnitt 11,4 Cent pro Kilowattstunde Strom. Beim Verstromungsprozess entsteht aber mehr Wärme als Strom. Da kam das Gewächshausprojekt gerade recht: Rund 38 000 MWh Wärme beziehen die Gewächshausbetreiber jährlich zu einem kostengünstigen Preis. «Günstiger als Gas und Öl», sagt Winkler. Mit Vorlauftemperaturen von je nach Bedarf bis zu 60 Grad gelangt die Wärme durch Heizröhren ins Gewächshaus. Neben der Bodenheizung besteht ein zweites Heizsystem weiter oben zwischen den Kulturen. «Dieses ist nötig, um die von den Kraftwerksbetreibern verlangten Rücklauftemperaturen von 35 Grad zu erreichen,» sagt Winkler. Das EEG garantiert die Preise für die Stromvergütung für die nächsten Jahre. Der Holzeinkauf ist ebenfalls zu überwiegendem Teil durch langfristige Lieferverträge mit den Landesforstanstalten von Thüringen und Sachsen-Anhalt gesichert. Deshalb sei auch die Versorgung des Gewächshauses mit Wärme langfristig gesichert, so Winkler. Anders als bei Erdgas-Heizungen müsse dafür aber das CO2 technisch eingesetzt werden. «Das wirkt sich natürlich kostenseitig aus».

Motivation für Mitarbeitende

Und an den Kosten wird dauernd optimiert: «Im Vergleich zum Vorjahr konnten wir beispielsweise die Arbeitsstunden bereits um 20 Prozent reduzieren», so Winkler. Das liege unter anderem daran, dass nur noch eine Sorte angebaut werde. Zudem seien die Mitarbeitenden nun eingearbeitet und dadurch effizienter. Das «eingesparte» Geld sei in Form von Leistungszuschlägen für die Mitarbeitenden zu einem grossen Teil reinvestiert worden.

Vor jeder Reihe mit Tomatenpflanzen steht ein Erfassungsgerät. Die Erträge im Gewächshaus können so auf jede einzelne Reihe herunter gebrochen werden. Zudem dient das Gerät zur Erfassung der Arbeitsleistungen. Es fällt zudem auf, dass die Erntewagen bestimmten Personen zugeteilt sind. «Damit fördern wir das Verantwortungsbewusstsein», sagt Betriebleiter Henniger. Rund 65 Arbeitskräfte arbeiten zurzeit im Gewächshaus. Darunter zwei Drittel Festangestellte aus der Region, die während der Haupterntezeit mit Saisonarbeitern aus Polen ergänzt werden. Allerdings sei die Rekrutierung von Arbeitskräften in der Umgebung schwierig: «Viele Arbeitssuchende ziehen die Couch der harten Arbeit vor», so Winkler. Trotzdem verfügt er mittlerweile über einen eingespielten Stamm von Arbeiterinnen und Arbeitern. Eine am Eingang aufgehängte Grafik zeigt die Leistung jedes Mitarbeitenden auf und sorgt für Transparenz. Das soll motivierend wirken: «Wer gut arbeitet, erhält eine zusätzliche Vergütung», sagt Winkler.

Substrat aus Schaumstoff

Bisher verwendete der Betrieb als Substrat für die in hängenden Rinnen angebrachten Hors-sol-Kulturen Steinwolle. Doch in Stein gemeisselt sei das nicht, so Winkler. In eigenen Versuchen testen sie in diesem Jahr neben neuen Sorten und Unterlagen verschiedene Substrate. Darunter auch Kokosfasern. Der Ertrag sei hier aber geringer als bei Steinwolle. «Letztere kostet aber mehr in der Entsorgung». Aus hygienischen Gründen sei es ihm aber sogar wohler, wenn die Substrate wie bei Steinwolle jedes Jahr vollständig ersetzt werden müssten. Überraschend gute Ergebnisse hätten zudem das für ihn bisher unbekannte Substrat BVB Sublime auf Basis von Schaumstoff erzielt. «Wir werden ihn im nächsten Jahr eventuell in einem Teil des Gewächshauses verwenden», sagt Winkler.

Aus Betriebsfonds finanziert

Der Gewächshausbetrieb ist Mitglied des Erzeugergrossmarktes Thüringen- Sachsen-Spreewald eG (EGM). Das ist eine Erzeugerorganisation mit Sitz in Laasdorf bei Jena, deren Mitglieder 1600 Hektaren Freilandgemüse und 40 Hektaren unter Glas bewirtschaften (Siehe Bericht in der nächsten Ausgabe 6). Die besondere Heizungstechnologie des Gewächshauses in Schkölen wurde teilweise aus dem Betriebsfonds der EGM finanziert. Der Fonds wird je zur Hälfte von den EGM-Mitgliederbetrieben – diese zahlen jährlich 4,1 Prozent ihres Umsatzes ein – und aus Geldern der EU gespiesen.

Die Gemüseproduktion im Discount-Paradies Deutschland ist für die EGM eine echte Herausforderung. Darin liegt der Hauptgrund, dass in Schkölen Tomaten und nicht Gurken wachsen. «Gurken ist mittlerweile ein typischer Discount-Artikel geworden, der in Deutschland kaum mehr kostendeckend produziert werden kann», sagt Peter Winkler. Er ist auch Vorstandsmitglied bei der EGM. Die Tomaten könne man noch eher hochpreisig anbieten. Mit einer Etikette beispielsweie, die auf die Herkunft hinweist. Die EGM setzt voll auf den Trend nach regionalen Produkten, auf den offenbar auch ein Discounter wie Lidl vermehrt baut: «Die Tomaten in Schkölen liefern wir praktisch alle zu Lidl.» Erst seit Kurzem werde ein kleiner Teil der Ernte direkt ab Hof an die Endverbraucher vermarktet. «Eine Folge der EHEC-Krise». Auf dem Höhepunkt der Krise liess man im Sinne einer vertrauensbildenden Massnahme bei mehreren EGM-Mitgliederbetrieben kleine Hofläden einrichten. Eine Erfolgsgeschichte: «Wir wurden vom Interesse der Konsumenten überrascht.» Deshalb soll das ursprünglich nur temporär geplante Angebot nun dauerhaft bestehen bleiben. Neben Einnahmen sei dabei vor allem der Marketing-Effekt für die regionale Produktion wertvoll, so Winkler.

www.egm-eg.de

Veröffentlicht in Blog

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