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Vom Hausgarten zum Profi-Gemüsebetrieb

Eine Krankenschwester mit einem grünen Daumen steht am Anfang der Geschichte des Biogemüse-Betriebes von Urs Gfeller in Sédeilles VD. 1986 fuhr seine Mutter Rosmarie erstmals mit überschüssigem Gemüse aus ihrem Hausgarten auf den Markt in Fribourg. Und siehe da, es funktionierte: Die Kisten waren am Mittag leer. Und das weckte natürlich die Lust auf mehr. Der Marktstand nahm fortan immer mehr Platz im Familienalltag ein. Hautnah mit dabei war Sohn Urs, der sich vom «Gemüse»-Virus anstecken liess. Als er – der Sohn eines Mechanikers – im Jahr 1988 die Lehre als Gemüsegärtner begann, war für ihn klar: Er möchte dereinst vom Gemüseanbau leben können. Den Grundstein dazu legten seine Eltern im Jahr 1994, als sie den kleinen Bauernhof in Sédeilles mit damals einer Hektar Anbaufläche kauften. Das unternehmerische Risiko war vorerst gering: «Die Fläche war aber genug gross, um mit verschiedenem Gemüse zu experimentieren», sagt Urs Gfeller (39) heute.

Das Gemüse verkaufte die Familie weiterhin mit Erfolg auf dem Markt in Fribourg. Das Potential war offensichtlich. Vater und Mutter gaben deshalb ihre auswärtigen Jobs bald auf und setzten voll auf die Karte Gemüse. Am Standort in Sédeilles pachtete die Familie nun laufend Flächen dazu. Der Sohn holte sich zusätzliches Rüstzeug am «Tech» in Wädenswil. 2003 übernahm der heute 39-Jährige den Betrieb auch formell von seinen Eltern. Heute bewirtschaftet er zehn Hektaren Fläche und beschäftigt neben den Eltern und Frau Katrin ganzjährig fünf Angestellte. Dazu ebenso viele Saisonarbeitskräfte sowie zwei Lehrlinge und Praktikanten und eine Person in der Administration.

Über 200 Gemüsesorten

Für Gemüsefans ist der Betrieb in Sédeilles eine wahre Fundgrube: Über 200 Sorten Gemüse wachsen hier. Neben «üblichen» Gemüsearten wie Karotten, Fenchel, Kohlrabi, Brokkoli, Tomaten und bunten Salaten hat es auch Platz für viel anderes: Beispielsweise für die gelbe Physalis oder Andenbeere, die runde Gurke Melothria pendula oder weisse und gelbe Patissons um nur ganz wenige Müsterchen zu nennen. In den 2000 m2 Plastikhochtunnels wachsen neben einer Fülle von alten und neuen Tomatensorten verschiedene Gurken oder fünf Auberginensorten. Auf sechs Aren stehen sogar – in der Schweiz sehr unüblich – Freiland-Tomaten. «Vor zwei Jahren ernteten wir 2,5 Tonnen Pelati», sagt Urs Gfeller. Doch das funktioniert nur, wenn das Wetter mitspielt. Im letzten feuchten Sommer sei die Ernte deshalb in die Hosen gegangen, so Gfeller. Doch wenn es klappe, seien die sonnengereiften Pelati aber bei der Kundschaft äusserst beliebt. Und auf diese ist letztlich alles ausgerichtet. «Die Kundinnen und Kunden erwarten von uns, dass wir ein breites Sortiment anbieten», sagt Gfeller. Dazu gehören übrigens auch Shiitake-Pilze, die er in einem feuchten Keller in der alten Dorfkäserei aufzieht. Am gleichen Ort hat er zudem einen kleinen Sprossenbetrieb untergebracht, den er in diesem Jahr übernommen hat. Die Vielfalt ist das Markenzeichen des Betriebs.

Wochenmarkt und Bestellungen

Wie in der Anfangsphase ist der typische Direktvermarktungsbetrieb immer noch zwei Mal in der Woche auf dem Markt in Fribourg präsent. Das Sortiment wird jeweils mit zugekauften Produkten wie Früchten, Eiern oder verarbeiteten Spezialitäten ergänzt. Rund die Hälfte des Umsatzes erzielen die Gfellers nach wie vor am Stand. Daneben haben sie sich in den letzten Jahren einen treuen Kundenstamm erarbeitet, der telefonisch per Fax oder immer häufiger per Internet bestellt. Der Mindestbestellwert beträgt zwanzig Franken plus vier Franken für den Transport. Ab siebzig Franken ist die Lieferung kostenlos. Die Bestellungen gehen jeweils am Dienstag und Freitag bis 12.00 Uhr ein. Am Nachmittag rüsten die Mitarbeitenden die individuell zusammengestellten Gemüsekistchen und liefern sie mit Lieferschein ausgestattet für den nächsten Tag in den rund 16 Depotstellen in der Region aus, wo sie von der Kundschaft abgeholt werden. Die Depots sind meistens bei Privaten oder in Lebensmittelfachgeschäften untergebracht.

Ende Monat erhält die Kundschaft per Post eine Rechnung. Urs Gfeller schätzt die Zahl seiner Stammkundschaft auf rund Tausend. Ausserdem ist Urs Gfeller Lieferant für die beiden Vertragslandwirtschaftsprojekte «Notre Panier bio» und «Lumière des champs». Dabei verpflichten sich Konsumenten vertraglich zur Abnahme von bestimmten Mengen Gemüse. «Das sind auch noch einmal 500 respektive 150 Körbe, die regelmässig gefüllt sein müssen», sagt Gfeller. Bei «Notre Panier Bio» übernimmt er zugleich die Logistik und nutzt dazu sein Netz von Depotstellen.

Zu seiner Kundschaft zählen einige Restaurants: Er zeigt auf kleine runde gelbe Mini-Patissons, kaum zwei Finger breit. «Dafür erhalte ich von Gastronomen der gehobenen Klasse bis zu 50 Rappen pro Stück.» Selbst die vermeintliche Abgelegenheit des Betriebes scheint dem Erfolg nicht besonders abträglich zu sein: Am Dienstag und Freitag öffnet der Hofladen jeweils von 17.00 bis 19.00 Uhr. «Da haben wir oft ein Problem mit den Parkplätzen», sagt der junge Gemüseproduzent. Die Laden-Öffnungszeiten sind bewusst auf eine kurze aber intensive Nutzung ausgelegt: «Ich bin sicher, dass ich bei längerer Öffnungszeiten nicht mehr verkaufen würde.» Das zeigt: Die Kundschaft lässt sich offenbar auch erziehen.

Wenig Mechanisierung

Für einen Lernenden bietet der Bijou-Gemüsebaubetrieb im Waadtland eine der raren Gelegenheiten praktisch von Grund auf alles zu erlernen, was zum Gemüsebau gehört. Das beginnt bei den Setzlingen. «Bei unserem breiten Sortiment müssen wir die Setzlinge selbst ziehen», sagt Urs Gfeller. Natürlich ist er ständig auf der Suche nach neuen Spezialitäten. Die Pflege der vielen verschiedenen Kulturen im Freiland und in den Gewächshäusern ist besonders anspruchsvoll, denn oft fehlen die Erfahrungen. Das Gleiche gilt für die Fruchtfolgeplanung. Einen grossen Teil des Düngers muss der viehlose Betrieb zukaufen.

Obwohl Urs Gfeller mit relativ wenig Mechanisierung auskommt geht es natürlich nicht ohne. Dabei ist für ihn die berufliche Vergangenheit von Vater Gottfried als Mechaniker ein Glücksfall: «Den Karottenvollernter beispielsweise konnten wir für 5000 Franken günstig kaufen, mein Vater hat ihn dann betriebstauglich gemacht», sagt Urs Gfeller. Und so läuft das bei vielen Maschinen. Dadurch lassen sich Kosten einsparen. Auch bei der neu erstellten Lagerhalle hat der Vater einen grossen Teil in Eigenleistung erbracht. Neben den Arbeiten auf dem Feld und im Rüstraum gilt es, den administrativen Aufwand möglichst tief zu halten. Verhindern lässt sich das auf einem Direktvermarktungsbetrieb aber nicht: Katrin Gfeller nimmt am Dienstag und Freitag praktisch nur Bestellungen auf.

Kundschaft bei Laune halten

Häufig ist Urs Gfeller selbst am Marktstand in Fribourg anwesend. Zusammen mit acht weiteren im Stundenlohn angestellten Personen bedient er seine Kundschaft gerne persönlich. Und das während dem ganzen Jahr: «Alle wissen, dass wir auch bei Minus 10 Grad im Winter dastehen.» Kommt er im Sommer in der Regel mit eigenen Gemüsen und Kräutern aus, muss er im Winter eine beschränkte Anzahl von Produkten im Handel zukaufen. «Aber sicher keine Tomaten und Zucchetti!» Die anspruchsvolle Kundschaft würde das kaum goutieren. Diese verwöhnt er – abgesehen vom ohnehin schon grossen Sortiment –, gerne mit Neuheiten und Unbekanntem. «Die Leute verlangen das von uns!» Das Erlebnis ist letztlich ein Teil des Verkauf-Konzeptes. Dazu zählt auch der Tag der offenen Tür, den er jedes Jahr vor allem für seine Stammkundschaft organisiert. Und diese sei äusserst interessiert. So habe ein Betriebsrundgang schon fünf Stunden gedauert: «Unglaublich, was da manchmal für Fragen auftauchen!»

In diesem Jahr feiert der Betrieb sein 25-Jahres-Jubiläum. Von den Anfängen mit den frischen Salaten aus Mutters Hausgarten bis zum heute gut organisierten Direktvermarktungsbetrieb war viel Einsatz und Herzblut nötig. Doch für die Gfellers ist der Traum vom eigenen Familien-Gemüsebaubetrieb wahr geworden!

www.gfellerbio.ch

 

Veröffentlicht in Blog

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