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Entwicklung von Biogasanlagen stockt

Weil die gesetzlich festgelegte kostendeckende Einspeisevergütung für Strom (KEV) zu tief ist, werden weniger landwirtschaftliche Biogasanlagen gebaut als erhofft. Ein reiner Hofdünger-Bonus und die Aussicht auf den Erlös aus dem Verkauf von CO2-Equivalentpapieren könnten Abhilfe schaffen.

1,6 Millionen Kühe und Rinder, etwa gleich viele Schweine und 400’000 Schafe leben auf den Schweizer Bauernhöfen. Was bei den Tieren als Futter reinkommt muss hinten wieder raus. Der grösste Teil landet als Dünger auf den Feldern. Pure Energieverschwendung eigentlich. Würden Gülle und Mist zuerst in einer Biogasanlage vergärt, könnte das klimaschädliche Gas Methan abgefangen und damit Strom und Wärme produziert werden. Das Energie-Potenzial, das in den Güllegruben und auf den Miststöcken schlummert, ist beträchtlich. Zusammen mit den übrigen anfallenden organischen Abfällen – viele landen immer noch in Kehrichtverbrennungsanlagen –, könnte laut der Informationsstelle BiomassEnergie in der Schweiz Strom für 600’000 Haushalte produziert werden. Doch das ist bis jetzt Theorie. Heute sind es nach Angaben der gleichen Stelle 80 landwirtschaftliche und 22 gewerblich-industrielle Biogasanlagen, die rund 70 Gigawattstunden Strom pro Jahr produzieren. Damit sind sie immer noch eine kleine Nummer in der Schweizer Stromlandschaft. Doch das Bundesamt für Energie strebt eine Verdoppelung der Wärmeproduktion und eine Erhöhung der Stromproduktion aus Biomasse um den Faktor fünf an.

KEV zu tief

Ein Instrument, um dieses Ziel zu erreichen ist die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für Strom aus erneuerbaren Energien. Sie soll den Anteil der erneuerbaren Energien am heute von Kern- und Wasserkraft dominierten Strommix erhöhen. Von der KEV profitieren auch die Biogasanlagen. Wegen der grossen Nachfrage war das zur Verfügung stehende Kontingent des Bundes innert kürzester Zeit ausgefüllt. Auf der Warteliste stehen viele Biogasanlagen. Nach der ersten Euphorie macht sich in der Branche besonders bei den landwirtschaftlichen Biogasanlagen mittlerweile aber bereits wieder Ernüchterung breit: «Es hat sich gezeigt, dass die KEV nicht so kostendeckend ist, wie sie sein sollte», sagt Stefan Theiler von Ökostrom Schweiz, dem Verband der landwirtschaftlichen Biogasanlagenbetreiber. Man habe sich eigentlich deutlich mehr von der KEV versprochen. Viele Anlagen kommen deshalb kaum über das Planungsstadium hinaus. «Viele Interessenten haben wohl die Risiken und den administrativen Aufwand unterschätzt», sagt Armin Müller, Landwirt und Biogasanlage-Betreiber aus Ermensee LU. Der Hauptgrund, weshalb viele Bauern ihre Projekte sogar bereits wieder von der KEV-Warteliste gestrichen haben, liegt in der angespannten Situation bei der Beschaffung der gewerblichen Co-Substrate. Die regionale Verfügbarkeit dieses organischen Materials wie beispielsweise Grüngut, Speisereste oder Rüstabfälle ist entscheidend für die Rentabilität einer landwirtschaftlichen Biogasanlage. Bei den landwirtschaftlichen Biogasanlagen, die im Rahmen der KEV den Landwirtschaftsbonus beanspruchen, darf der Anteil der Co-Substrate nicht mehr als 20 Prozent betragen und muss aus der Region kommen. Dafür erhalten diese Biogasanlagen rund 15 Rappen mehr pro Kilowattstunde Strom als ihre gewerblich-industriell geführten  Konkurrenten. Diese dürfen so viele Co-Substrate einsetzen wie sie wollen – respektive können. Der Landwirtschaftsbonus soll helfen, dass möglichst viel Gülle und Mist vergärt wird.

Kampf um Co-Substrate

Wo neue Anlagen gebaut werden, sorgt die Knappheit der begehrten Co-Substrate jeweils für viel Unruhe und tiefere Abnahmepreise. Und das bringt viele Anlagenbetreiber in Bedrängnis, die auf die Einnahmen aus den «Abgabegebühren» für das angelieferte organische Material angewiesen sind.

Das spürte vor zwei Jahren auch Armin Müller, als unweit von seinem Betrieb die grösste Biogasanlage der Schweiz Swiss Farmer Power in Inwil den Betrieb aufnahm. Damals erkundigten sich bei ihm einige bisherige Lieferanten, «was man beim Preis machen könne». «Eine Firma, die mir zuvor Kaffeesatz lieferte, liess sich mit dem Angebot, die Ware gratis vor Ort abzuholen, erfolgreich abwerben», sagt Müller. Er produziert in seinem Blockheizkraftwerk seit vier Jahren aus Gülle, Mist und verschiedenen Co-Substraten 600’000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Er war bisher ein «15-Räppler»-Landwirt: Er verkaufte seinen Strom zum minimalen Preis, den der Stromabnehmer aus gesetzlichen Gründen bezahlen musste. Über die Genossenschaft Ökostrom Schweiz erzielte er durch den Verkauf von Grünstromzertifikaten eine Zusatzeinnahme von rund zehn Rappen pro Kilowattstunde. Ab dem nächsten Jahr profitiert er neu von der KEV und einem deutlich höheren Preis von rund 40 Rappen pro Kilowattstunde. Um den KEV-Landwirtschaftsbonus zu erhalten, muss er aber den Anteil der Co-Substrate massiv reduzieren. Vorher durfte er 50 Prozent einsetzen, der maximale Wert den das Raumplanungsgesetz für Anlagen in der Landwirtschaftszone erlaubt. Doch Müller hat die Rechnung gemacht: «Der Landwirtschaftsbonus deckt die Mindereinnahme, die durch die geringere Gas- und Stromausbeute entsteht.»

Reiner Hofdüngerbonus als Lösung

Der Erfolg einer Biogasanlage steht und fällt mit der Verfügbarkeit von energiereichen Substraten und den Gebühren, die dafür bezahlt werden. Betreiber von Biogasanlagen kalkulieren jeweils mit rund 40 Prozent Einnahmen aus Entsorgungsgebühren. Dieser hohe Anteil wird durch die Unsicherheiten bei der Beschaffung zum unkalkulierbaren Risiko und damit zum Hemmschuh. Um von der Abhängigkeit von Co-Substraten wegzukommen bringt Stefan Theiler von Ökostrom Schweiz deshalb die Idee eines reinen Hofdüngerbonus auf das Tapet. Davon würden Anlagen in der Landwirtschaft profitieren, die nur Gülle und Mist vergären und für die geringere Gasausbeute zusätzlich entschädigt würden. Der Anreiz wäre grösser, das Energiepotenzial der Hofdünger besser zu nutzen. Noch steht die Idee ungenutzt im Raum. Doch entsprechende Anträge wurden bei den zuständigen Bundesstellen platziert.

CO2-Equivalentpapiere

Neben dem Abnahmepreis für Energie und dem Erlös aus den Abgabegebühren steht neuen Biogasanlage-Betreibern mit dem Ertrag aus CO2-Equivalentpapieren bald eine zusätzliche Einnahmequelle zur Verfügung. Es funktioniert so: Durch die Nutzung des klimaschädlichen Gases Methan in der Biogasanlage – es ist 21 Mal schädlicher als CO2 – wird verhindert, dass dieses sonst über den Miststock oder in der Gülle ausgebracht in die Atmosphäre entweicht. Der CO2-Equivalent-Emmissionsfaktor rechnet die Klimawirksamkeit von Methan in entsprechende Mengen CO2 um. Die eingesparten CO2-Mengen können als «Verschmutzungsrechte» in Form eines Zertifikates an andere CO2-Verursacher verkauft werden. Beispielsweise an Betreiber eines Gas-Kombikraftwerkes. Die ausgestossene Menge an CO2 bleibt so in der Summe konstant. Der Verband Ökostrom Schweiz hat ein erstes Bündel von landwirtschaftlichen Biogasanlagen beim Bundesamt für Umwelt eingereicht und erfolgreich zertifizieren lassen. «Viele geplante Biogas-Projekte erreichten erst dank der Aussicht auf Zusatzeinnahmen aus den Equivalentpapieren die Wirtschaftlichkeitsschwelle», sagt Stefan Theiler. Zum Produkte-Portfolio des modernen Bauern dürfte also neben Milch, Gemüse, Getreide oder Strom bald noch CO2-Equivalentpapiere dazukommen.

www.oekostromschweiz.ch

www.swissgrid.ch

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