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Pferdelaufbänder: 60 Kilometer pro Stunde ohne Ausritt (Handelszeitung, 18. Juni 2008)

Die Firma Graber AG in Fahrwangen produziert Pferdelaufbänder für hohe Ansprüche. Zur Kundschaft zählen Tierspitäler und Gestüte auf der ganzen Welt.

Ein Laufband für Pferde? Was viele aus dem Fitnessstudio kennen, ist mittlerweile auch bei Pferden üblich. Früher landete ein Arbeitsgaul beim Metzger, wenn er den Wagen des Bauern nicht mehr ziehen konnte. Heute dienen Pferde bei uns nur noch ganz selten als Arbeitstiere. Viel öfter stehen sie in teuren Ställen von Pferdeliebhabern, springen über Hindernisse oder auf Rennbahnen um die Wette. Ein lukratives Geschäft. Vor allem deshalb braucht es Laufbänder. Hat ein Reiter heute das Gefühl, dass mit seinem liebsten Pferd etwas nicht stimmt, dann bringt er es zur Abklärung zum Beispiel ins Tierspital der Universität Zürich. Dort steht eines der in der Schweiz eingesetzten Kagra Hochgeschwindigkeits-Pferdelaufbänder. Sensible Messgeräte auf dem Band erkennen sofort, wenn von einem Huf während des Laufens zu wenig Druck kommt: Ein möglicher Hinweis auf Lahmheit.

Josef Stadelmann ist kein passionierter Reiter und doch kennt er sich mit den Tieren aus. Er ist seit vielen Jahren Geschäftsleiter und seit dem Management Buy-Out im Jahr 2006 auch Inhaber der Firma Graber AG in Fahrwangen. Sie ist weltweit Markführerin für Pferdelaufbänder im High-End-Bereich. Gerade am Tag zuvor besuchte Stadelmann die verantwortlichen Personen im Tierspital Zürich um Weiterentwicklungen am Gerät zu besprechen: „Das Laufband im Sportmedizinischen Leistungszentrum ist unsere Vorzeigeanlage.“ Das Gerät im Tierspital wurde in den letzten Jahren laufend weiterentwickelt und mit immer mehr Elektronik aufgerüstet. Pferdeforschern hilft das Gerät unter anderem dabei, Erkenntnisse aus der Biomechanik oder Physiologie zu gewinnen. Und operierte Pferde bereiten sich auf dem Laufband auf die Rückkehr in den Reiter-Alltag vor. Der Vorteil des Laufbandes: Es ist flach und hat keine Hügel, über die das Pferd stolpern könnte. Maximale Geschwindigkeit: 60 Kilometer pro Stunde.

Typisches Nischenprodukt

Auf allen fünf Kontinenten stehen die Geräte aus dem kleinen Ort im Kanton Aargau. Über 60 insgesamt. Meistens in Universitäten oder Tierspitälern sowie auf grossen Gestüten. Letztere brauchen das Laufband in erster Linie für spezielles Lauf- und Ausdauertraining. Laktattest inbegriffen. Doch wirklich gross ist der Markt für hochwertige Pferdelaufbänder nicht. „Ein typisches Nischenprodukt“, sagt Stadelmann. Das aber mit viel Prestige verbunden sei. Ab 150’000 Franken ist der „Mustang 2200“ – so die offizielle Bezeichnung – zu haben. Der Absatz schwankt zwischen einem und fünf Geräten pro Jahr. Es ist die Ausnahme, wenn ein Scheich aus Dubai gerade deren acht auf einmal bestellt, wie das auch schon der Fall war.

Fördertechnik als Hauptprodukt

Das Kerngeschäft der Firma Graber AG besteht in der Entwicklung und Produktion von Förder- und Automatisierungstechnik im Intralogistikbereich, bei Material- und Warenflüssen innerhalb eines Betriebes. Mit standardisierten Rollenbahnen für Logistikzentren oder mit Fahrerlosen Transport-Systemen beispielsweise. Eine Stärke der Firma sind Spezialanfertigungen. Die New York Times rollt über Anlagen, die in Fahrwangen gefertigt wurden. In den Hallen in Fahrwangen wird Stahl geschweisst, gedreht und mit Laser bearbeitet. Das machte auch Franz Graber vor über 45 Jahren, als er die Firma gründete. Auf der Suche nach Diversifikationsmöglichkeiten stiess er 1986 auf ein Inserat, in dem jemand einen Partner für den Bau eines Pferdelaufbandes suchte. So begann die Geschichte. Für den Vertrieb der Pferdelaufbänder wurde eine Tochterfirma gegründet. Doch der erzielte Umsatz der Kagra AG reichte nicht aus, um dauerhaft Leute zu beschäftigen: „Kagra besteht zwar heute noch, genutzt wird aber nur noch der Name“, so Stadelmann. Denn dieser sei weltweit in der Reiterszene ein Begriff. Obwohl finanziell nicht sehr attraktiv, entwickelt die Graber AG den Mustang 2200 weiter. Ein einfacheres Laufband-Modell wurde erst vor kurzem aus dem Angebot genommen. „Mit der Billigkonkurrenz konnten und wollten wir nicht mehr mithalten“, sagt Stadelmann. „Wir konzentrieren uns nun auf High-End-Geräte.“ Und die relativ kleine Produktionsmenge hat Vorteile. „Die Kundenwünsche sind ziemlich unterschiedlich und verlangen viele Anpassungen“. Das sei mit einem zu fest standardisierten Laufband nicht möglich, sagt Stadelmann. So ist beispielsweise das Kamellaufband entstanden, eine Anpassung des „Mustang 2200“ auf die Bedürfnisse der Kamele. Graber AG verkaufte bereits einige dieser speziellen Kamellaufbänder. Der neuste Interessent kommt aus Indien: Die indische Armee unterhält traditionell ein Kamel-Korps.

Brückenbauer für den Weltmarkt

Die Pferdelaufbänder haben bei der Graber AG den Produkten der Fördertechnik etwas voraus: Sie sind weltweit bereits ein Begriff. Die Pferdelaufbänder als Vorhut für den Vertrieb der Fördertechnik aus Fahrwangen in der ganzen Welt? „Tatsächlich führen sie uns in ganz verschiedenen Kulturen“, erklärt Stadelmann. Da könne man wertvolle Erfahrungen im Umgang mit diesen Leuten und Kulturen gewinnen. Japaner, Südafrikaner, Argentinier oder Ölscheichs. Von allem ist etwas dabei. „Diese Erfahrungen helfen uns beim Verkauf von Fördertechnik im Ausland“, sagt Stadelmann. Und im boomenden Dubai interessiert man sich schliesslich nicht nur Pferdelaufbänder.

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